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internet magazin 2014 » 03<br />

23<br />

1000 Einwohner im Vergleich zu neun in London<br />

und elf in New York. Und die Höflich- und Kundigkeit<br />

der Pariser Taxen werden in Europa wohl nur<br />

noch von ihren Kollegen in Amsterdam unterboten.<br />

Der französische Staat beugte sich den Taxiprotesten<br />

zunächst. Die Regierung legte fest, dass<br />

VTC fortan 15 Minuten verstreichen lassen müssen<br />

zwischen der Reservierung und der Fahrt. So sollte<br />

sichergestellt werden, dass VTC nicht einfach<br />

Kunden vom Straßenr<strong>and</strong> mitnehmen. Das dürfen<br />

sie nämlich laut Gesetz nicht – täten es aber<br />

trotzdem, sagen Taxifahrer. Doch einige der VTC-<br />

Unternehmen wehrten sich gegen die Entscheidung<br />

vor Frankreichs Oberstem Gerichtshof. Der<br />

hat das Dekret inzwischen vorläufig aufgehoben.<br />

Eine Grundsatzentscheidung erwarten die VTC-<br />

Unternehmen vor Ende des Jahres. Die Taxifahrer<br />

fordern indes, die Wartezeit gar auf 30 Minuten<br />

auszuweiten. Ein Vorschlag, der die VTC empört<br />

– schließlich verlieren deren Chauffeure<br />

dadurch wertvolle Fahrtzeit und damit<br />

Geld. Denn auch die Fahrer von Uber<br />

Cars sind keine Angestellten: Es<br />

sind meist selbständige Fahrer, die<br />

stunden- oder tageweise von wohlhabenden<br />

Kunden gebucht werden.<br />

Ihre freien Zeiten füllen sie via Uber<br />

auf. Der eigentliche Konflikt ist aber<br />

nicht etwa der zwischen zwei Arten von<br />

Miet-Fahrern. Es ist ein Kampf zwischen einem<br />

etablierten Berufsst<strong>and</strong> und jungen Startups, die<br />

mithilfe von neuen Technologien – in diesem Fall<br />

Reservierungen über Smartphone-Applikationen<br />

und bargeldlose Bezahlung – in den Markt drängen.<br />

Genau das versucht Frankreich zu verhindern,<br />

erklärt Emmanuel Combe, Ökonom und Vize-Präsident<br />

des staatlichen Wettbewerbshüters Autorité<br />

de la Concurrence. Die Behörde hatte sich gegen<br />

das 15-Minuten Dekret ausgesprochen und es als<br />

Wettbewerbsverzerrung bezeichnet: „Wir Franzosen<br />

mögen keine Veränderung. Wir denken immer<br />

noch, dass man seinen Job das ganze Leben lang<br />

behält, und es erscheint uns unmöglich, sich ständig<br />

neu zu erfinden und fortlaufend an den technischen<br />

Fortschritt anzupassen.“ Um dieser Einstellung zu<br />

entsprechen, würden Politiker die entsprechenden<br />

Gesetze oder Verordnungen erlassen. Dafür gibt es<br />

neben der Verordnung zu den VTC zahlreiche <strong>and</strong>ere<br />

Beispiele: Online-Händler wie Amazon dürfen<br />

seit kurzem nicht mehr als fünf Prozent Rabatt auf<br />

Verkaufspreis und Porto zusammen erlassen. Damit<br />

» kurzfristig<br />

funktioniert die<br />

blocker-strategie<br />

meist. «<br />

Emmanuel Combe<br />

Ökonom und Vize-Präsident der Autorité<br />

de la Concurrence<br />

will Frankreich die rund 3000 unabhängigen Buchh<strong>and</strong>lungen<br />

des L<strong>and</strong>es schützen.<br />

Zudem sind Online-Apo<strong>the</strong>ken nicht zugelassen<br />

in Frankreich. Das L<strong>and</strong> ist eins der wenigen, in<br />

denen man selbst Aspirin nur in der Apo<strong>the</strong>ke<br />

kaufen kann.<br />

Fortschritt lässt sich nicht aufhalten<br />

Auch die Entstehung einer eigenen Lowcost-Fluggesellschaft<br />

hat der französische Staat zu verhindern<br />

versucht – am Ende musste er dennoch den<br />

Markt öffnen: Die britische Easyjet ist so heute<br />

nach Air France die Nummer zwei in Frankreich.<br />

Nicht zuletzt das Beispiel der Billigflieger zeigt:<br />

Auch wenn Frankreich dem technischen Fortschritt<br />

den Rücken zuwenden will – letzten Endes<br />

wird das L<strong>and</strong> meist von ihm eingeholt. „Kurzfristig<br />

funktioniert die Blockier-Strategie meist,<br />

aber langfristig werden die Politiker von<br />

übergeordneten Instanzen wie dem<br />

französischen Conseil d‹Etat oder<br />

der europäischen Kommission<br />

zur Ordnung gerufen“, meint<br />

Combe. Dass auch die grundsätzliche<br />

Entscheidung Frankreichs<br />

Oberster Instanz zu ihren<br />

Gunsten ausfallen wird, ist für<br />

die VTC so offensichtlich. „Es ist ja<br />

wohl völlig widersinnig, Unternehmen<br />

dazu zu zwingen, weniger effizient zu sein,<br />

nur um die Interessen einiger weniger zu schützen“,<br />

sagt Yves Weissenberger, Chef des französischen<br />

Uber-Rivalen Snapcar. „Dies widerspricht<br />

ganz klar dem Allgemeinwohl und dem, was für<br />

die ja im Moment etwas lahmende Wirtschaft gut<br />

ist.« Für VTC-Marktführer Uber ist die Reaktion<br />

der französischen Regierung jedoch nicht unbedingt<br />

überraschend. „Ähnlich hat man uns auch<br />

schon in <strong>and</strong>eren Städten wie im US-amerikanischen<br />

Miami und in Milano in Italien begrüßt“,<br />

sagt Alex<strong>and</strong>re Molla, Chef der Uber-Filiale in<br />

Lyon. „Und das ist ja auch normal – schließlich ist<br />

Taxifahren ein sehr alter Beruf, in dem die Gewerkschaften<br />

extrem stark sind.“ Sein Vorst<strong>and</strong>schef<br />

Travis Kalanick verkündete ausgerechnet auf der<br />

Pariser <strong>Internet</strong>konferenz Le <strong>Web</strong> im Dezember,<br />

dass sein Unternehmen es nicht bei Limousinen<br />

belassen wolle. Eine logische Erweiterung sei es,<br />

diese Fahrzeuge auch für Kurierdienste zu nutzen.<br />

Vielleicht die nächste Branche, die von der französischen<br />

Regierung geschützt werden muss.

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