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internet magazin 2014 » 03<br />
85<br />
Haltung heraus geboren sind. Die ist weit weg vom Steinewerfen. Die Bitcoin-Pioniere<br />
berufen sich ja auf August von Hayek und Ludwig van Mises,<br />
das ist also eher ein staatsferner Ansatz.<br />
IM Die Vorteile von Bitcoins sind recht offenkundig: Geschwindigkeit, Anonymität<br />
und geringe Transaktionskosten. Existiert da ein Marktbedarf? Wie<br />
steht es mit Paid Content, also Kleinstbeträgen für Artikelabrufe und ähnliches.<br />
Da gibt es noch kaum akzeptable Mechaniken.<br />
AH Das ist genau das, was im ganzen Gegenwind, den der BVDW mit seiner<br />
Warnung geerntet hat, untergegangen ist. Grundsätzlich begrüßt der BVDW<br />
Neuentwicklungen im Bereich digitale Währungen und Bezahlsysteme. Die<br />
Nachteile der aktuellen Systeme, vor allem Kosten und Zeit, begleiten uns ja<br />
seit Jahren. Das sind hässliche Dinge. Jede neue Währung, die entsprechende<br />
Vorteile mit sich bringt, wird sehnsüchtig erwartet und – das sehen Sie<br />
richtig – vor allem im Bereich Paid Content. Die konsolidierte Verb<strong>and</strong>sposition<br />
ist, dass die Vorteile, die Bitcoin mitbringt, als Signal in die Bezahlwelt<br />
hinausgehen. Und dann gibt es zwei mögliche Weiterentwicklungen: Entweder<br />
gelingt es dem Bitcoin-System, seine Defizite zu beheben, oder es gibt<br />
etablierte oder ganz neue Marktteilnehmer, die die Bitcoin-Vorteile adaptieren.<br />
Das ist ein Weckruf. Allerdings wird St<strong>and</strong> heute auch mehr über Bitcoins<br />
geredet als damit bezahlt wird.<br />
IM Sieht der BVDW H<strong>and</strong>lungsbedarf seitens Politik und Gesetzgebung?<br />
AH Nein, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht. H<strong>and</strong>lungsbedarf entsteht,<br />
wenn Bitcoins super erfolgreich werden, und dann kümmert sich die EZB<br />
automatisch darum. Die EZB ist verantwortlich für die in Umlauf befindliche<br />
Geldmenge. Sobald Bitcoins einen nennenswerten Einfluss auf die Geldmenge<br />
haben, wird sich die EZB damit befassen.<br />
Herr Himmelreich, vielen Dank für dieses Gespräch.<br />
ten Finanzwebsites wie Finanzen.net prüfen. Und<br />
auch die Europäische Zentralbank wird mittelfristig<br />
kaum die Währungshoheit verlieren. Man geht<br />
aktuell in Frankfurt von 70.000 täglichen Bitcoin-<br />
Transaktionen weltweit aus, im Vergleich zu 25<br />
Millionen Überweisungen allein in Deutschl<strong>and</strong>.<br />
Freilich wird es spannend sein zu beobachten, wie<br />
die etablierten Institutionen und Großunternehmen<br />
mit dem Thema auf Dauer umgehen. Ebay<br />
hat die Integration schon angekündigt, die großen<br />
Telekommunikationsunternehmen arbeiten mit<br />
Nachdruck an Implementierungen in deren eigene<br />
mobile Wallet-Lösungen und die innovative Fidor-<br />
Bank hat bereits eine Kooperation mit der deutschen<br />
Börse Bitcoin.de verkündet. Wenn alles klappt,<br />
können Fidor-Kunden dort auch Bitcoin-Bestände<br />
verwalten. Fidor übernimmt eine Gewährleistung,<br />
verlangt dafür aber die Identifizierung der Nutzer.<br />
der autor<br />
Frank Puscher ist<br />
freier Journalist in<br />
Hamburg und Autor<br />
mehrerer IT-Fachbücher<br />
sowie eines Golf-<strong>City</strong>guides.<br />
Er twittert unter @spielfigur.<br />
Währenddessen streiten sich die Experten munter<br />
weiter. Bundesbankvorst<strong>and</strong> Carl-Ludwig Thiele<br />
warnt vor dem »Privatgeld« Bitcoin, da es hochspekulativ<br />
sei und der Wert keinen Fundamentalfaktoren<br />
folgt. Auch die europäische Bankenaufsicht<br />
EBU warnt vor Bitcoins und der Chefvolkswirt<br />
der Commerzbank gibt dem System schlicht keine<br />
Zukunft. Thorsten Polleit dagegen bemüht die volkswirtschaftliche<br />
Geld<strong>the</strong>orie. Danach ist Währungswettbewerb<br />
grundsätzlich eine gute Sache, weil<br />
sich die Anbieter Mühe geben müssen, um gute<br />
Qualität anzubieten. Polleit ist Chefvolkswirt der<br />
Investmentbank Barclays Capital. Ein Problem für<br />
die Währung könnte sein, wenn die Konzentration<br />
des Bitcoin-Best<strong>and</strong>es auf einige wenige Teilnehmer<br />
im Netzwerk weiter zunimmt. Der Online-Nachrichtendienst<br />
Telepolis zitiert eine Studie, die besagt,<br />
dass 28 Prozent des nominellen aktuellen Bitcoinbest<strong>and</strong>s,<br />
also 3,5 Millionen Bitcoins in den Wallets<br />
von gerade einmal 47 Personen liegt.<br />
Fakt ist: Wer Bitcoins als Wertanlage sammelt,<br />
der spekuliert riskant. Bei Plattencrash, Diebstahl<br />
des Rechners oder drastischem Kursverlust ist das<br />
Ersparte futsch. Aber genau das ist ja der Reiz der<br />
Spekulation. Wer vor einer Woche einen Bitcoin sein<br />
eigen nannte, hat heute 15 Euro mehr im Wallet.<br />
Wer gleichzeitig Apple-Aktien erwarb, verdiente die<br />
Hälfte. Aber morgen kann das schon wieder ganz<br />
<strong>and</strong>ers aussehen.<br />
Durch niedrige Transaktionsgebühren konkurriert<br />
Bitcoins direkt mit Western Union.