Neue Bücher - Instytut Książki
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gestorben. In Wirklichkeit ist Isidro Llanos bei einem Zusammenstoß<br />
von protestierenden Arbeitern mit Sicherheitsleuten<br />
des Konzerns und der Polizei erschossen worden.<br />
Es ist Marco, der mir am meisten über Esmondo und die<br />
Umstände seiner Ermordung erzählt.<br />
Er war kein typischer, armer Bergbauer aus der Region<br />
von Cajamarca, sagt Marco. Esmondo war gebildet, Tierarzt<br />
von Beruf. Er besaß ein ziemlich großes Stück Land, eine<br />
kleine Viehherde und war Milchproduzent.<br />
Als der Konzern damit begann, etwas oberhalb des Dorfes<br />
Yanacachilla neue Lagerstätten abzubauen, gründete<br />
Esmundo eine Front für Umweltschutz. No pasaran! Als<br />
Antwort holte der Konzern Leute, die nicht aus der Region<br />
stammten und wie die Ureinwohner der Anden aussahen.<br />
Sie fingen an, sich in dem Gebiet oberhalb des Dorfes anzusiedeln.<br />
Dann gründeten sie eine „Konkurrenz-Front“ für<br />
Umweltschutz und Entwicklung – eine typische Strategie<br />
des Konzerns, der später sagen konnte: schaut wie viele<br />
Ortsansässige uns unterstützen. Die „Importierten“ hatten<br />
Waffen und Walkie-Talkies, und agierten wie eine organisierte<br />
Gruppe.<br />
Der Konflikt eskalierte, als Esmundo sein Vieh an den<br />
Lagunen tränken wollte, die sich auf dem von den Ankömmlingen<br />
besetzen Boden befanden. Das Eigentumsrecht<br />
erstreckt sich nicht auf die Lagunen; die Landbesitzer,<br />
auf deren Gebiet sie sich befinden, sind verpflichtet, zum<br />
Beispiel Bauern, die ihr Vieh tränken wollen, den Zugang<br />
dorthin zu ermöglichen. Doch die „neuen Siedler“ scherte<br />
das nicht.<br />
Esmundo bekam Drohungen: Misch dich nicht in die<br />
Angelegenheiten der Mine ein. Er wurde aufs gröbste beschimpft.<br />
Eines Tages wurde er von bewaffneten Männern verprügelt.<br />
Er fuhr zum Polizeirevier in Chanta Alta, zwei<br />
Stunden vom Dorf entfernt, um Anzeige zu erstatten. Fahr<br />
zum Richter, sagten die Polizisten, nach Cajamarca, und sie<br />
lachten.<br />
Andere eingeschüchterte Bauern hörten, wie die Männer<br />
aus der bewaffneten Gruppe prahlten, sie seien unantastbar,<br />
weil sie unter dem Schutz von Yanacocha-Newmont stünden.<br />
Kurz danach wurde Esmundo erschossen.<br />
Der Mordanschlag, sagt Marco, erinnert an die typisch<br />
kolumbianische oder brasilianische Art, sich eines unbequemen<br />
Anführers einer Gemeinschaft zu entledigen. Das<br />
Projekt der Ausbeutung neuer Lagerstätten wurde gestoppt.<br />
Die „importierten“ Bergbauern sowie die von ihnen gegründete<br />
Front für Entwicklung verschwanden im Nichts.<br />
Esmundos Dorf, eine kleine Gemeinschaft von damals<br />
fünfundvierzig Familien, war traumatisiert. Angst griff<br />
um sich, Misstrauen und Argwohn. Das Verbrechen hat<br />
diese Menschen gebrochen, sagt Marco. Esmundos engster<br />
Kampfgefährte, Genaro López, ist nach Cajamarca umgesiedelt.<br />
Er hält sich von allen öffentlichen Aktivitäten fern und<br />
will über den Tod des Freundes nicht sprechen.<br />
Esmundos Frau ist mit dem Kind weggezogen. Man weiß<br />
nicht wohin.<br />
Laut den Erzählungen der Leute war Esmundo ein außergewöhnlicher<br />
Mensch; der „zweite Anführer der lokalen<br />
Dorfgemeinschaft“ (nach Marco Arana). Hilfsbereit, charismatisch,<br />
intelligent. Deshalb war er politisch unbequem.<br />
Geradezu gefährlich.<br />
Die Presse und die Bulletins der Protestbewegungen erinnern<br />
daran, dass er in den letzten Jahren der sechste Anführer<br />
aus der Region Cajamarca war, der ermordet wurde.<br />
2003: José Llajahuanca aus San Ignacio.<br />
2004: Juan Montenegro aus Santa Cruz.<br />
2005: Reinberto Herrera und Melanio Garcia aus San<br />
Ignacio.<br />
2006: Isidro Llanos aus Combayo.<br />
Jeder von ihnen starb unter anderen Umständen, doch<br />
fast immer waren die Täter unbekannt. Isidro Llanos hatte<br />
im Konzern einen Streik wegen sklavenähnlicher Arbeitsbedingungen<br />
organisiert. Er wurde während einer Schlägerei<br />
der Streikenden mit den Sicherheitsleuten des Konzerns<br />
und der Polizei erschossen.<br />
Esmundo wurde das Opfer einer geplanten, kaltblütigen<br />
Hinrichtung.<br />
Man könnte über die Motive spekulieren. Ein Motiv<br />
drängt sich aber wie von selbst auf, auch wenn man es zu<br />
verdrängen versucht. Kann man einen Zufall ausschließen?<br />
Zumindest nicht ganz. Doch wer sollte Esmundo umbringen<br />
wollen? Und warum?<br />
Und hier glaubt niemand an Zufälle oder das Begleichen<br />
von Rechnungen.<br />
Düstere Orte und tragische Ereignisse rufen manchmal<br />
merkwürdige und unerwartete Assoziationen hervor. Es<br />
ist einige Jahre her, da hatte ein Dichter in einem anderen<br />
Teil der Welt ein Gedicht über ein Ungeheuer geschrieben.<br />
Jetzt, da ich versuche, die Atmosphäre in Cajamarca wiederzugeben,<br />
erscheint es mir, als ob das Gedicht diesen Ort<br />
beschreiben würde: Unbekannte Täter. Opfer. Anschuldigungen,<br />
die an Paranoia grenzen. Keine Beweise. Unsicherheit.<br />
Angst.<br />
[...]<br />
Dank der Aussagen von Esmondos Schwester konnte die<br />
Polizei die Namen der Mörder schnell ermitteln: die Brüder<br />
Aguinaldo und Fortunato Rodriguez. Am Tatort war noch<br />
ein dritter Mann gewesen, doch man ließ die Anschuldigungen<br />
gegen ihn fallen.<br />
Als die Polizisten den Hauptmörder festnehmen wollten,<br />
kam es zu einer Schießerei. Aguinaldo starb auf der Stelle.<br />
Die Umstände lassen den Verdacht aufkommen, man wollte<br />
den Täter erst gar nicht verhaften. Sollte er sterben, damit<br />
er vor Gericht nicht aussagt?<br />
Mirtha ist an Informationen gekommen, die uns vermuten<br />
lassen, dass es so sein könnte. Der Täter war ein in der<br />
Gegend bekannter Auftragskiller, der Hinrichtungen ausführte.<br />
Ein Tag vor seinem Tod rief er den Congressman<br />
Werner Cabrery an und sprach mit seinem Assistenten<br />
Ivan Salas. Aguinaldo kündigte an, er werde sich der Polizei<br />
stellen und sagen, wer der Auftraggeber für den Mord<br />
an Esmondo gewesen sei. Als man ihn am nächsten Tag zu<br />
fassen versucht, kommt er ums Leben.<br />
Aus dem Polnischen von Joanna Manc