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Neue Bücher - Instytut Książki

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London<br />

Ob er Englisch könne – er verneint. Wie alt er sei – siebenundzwanzig.<br />

Wann er sein Architekturstudium abgeschlossen<br />

habe – er sei erst im dritten Studienjahr. An ihren Mienen<br />

sieht er, dass sie ihm nicht glauben. Sie sagen, er sei ein<br />

kommunistischer Propagandist. Oskar weiß nicht, was er<br />

ihnen antworten soll.<br />

Sie – das sind die britischen Journalisten. Sie sind gekommen,<br />

um das Urteil der Jury über die Arbeiten der CI-<br />

AM-Sommerakademie zu erfahren. Es ist der Juli 1949, und<br />

Oskar hat schon fast die Lust an England verloren.<br />

Er ist mit beinahe zweiwöchiger Verspätung hier eingetroffen,<br />

weil die britische Botschaft in Paris ihm kein Visum<br />

ausstellen wollte. An der Grenze haben sie ihn beim Anblick<br />

seines Papp-Reisenecessaires gleich kontrolliert, seinen<br />

Pass durch die Lupe beäugt. Wohin und warum er fahre,<br />

wollten sie wissen. Dabei stand in dem Brief, den er aus<br />

London bekommen hat, alles schwarz auf weiß geschrieben.<br />

Schließlich haben sie ihn durchgelassen.<br />

Mit Verspätung meldet er sich in der Schule an und<br />

bekommt einen Projektauftrag. Er darf zwischen einer<br />

Wohnsiedlung, einem Bürogebäude, einem Verkehrsknotenpunkt<br />

oder einem Theater wählen. Seine Wahl fällt auf<br />

die Siedlung. Die anderen haben sich zu Gruppen zusammengetan,<br />

doch er arbeitet allein. Er zeichnet neun weiße<br />

Gebäude rund um einen „sozialen Raum“. Dort platziert er<br />

zwei Kindergärten und einen Park für die Allgemeinheit.<br />

Schulen, Handels- und Dienstleistungspavillons verlegt er<br />

nach außerhalb, ähnlich verfährt er mit dem Autoverkehr.<br />

Er schafft es, seine Arbeit noch vor dem Termin abzugeben.<br />

An seinem letzten freien Tag besichtigt er London, hauptsächlich<br />

Galerien und Museen.<br />

Als er die Entscheidung der Jury hört, kann er seinen Ohren<br />

nicht trauen. Er bekommt eine Auszeichnung für die<br />

– wie er von den Juroren erfährt – Verdopplung der Bevölkerungsdichte<br />

in der Siedlung bei gleichzeitiger Bewahrung<br />

von deren „hohem Nutzwert“. Seine Arbeit macht großen<br />

Eindruck auf Ernesto Nathan Rogers, der ihm kurzerhand<br />

eine Assistenzstelle im Royal Institute of British Architects<br />

in London anbietet. Die Türen zur großen Architektur (und<br />

zum großen Geld) stehen für Oskar Hansen weit offen. Er<br />

jedoch entscheidet sich zur Rückkehr nach Polen.<br />

Rogers ist erstaunt, fragt: „Weißt du, was dort ist?“<br />

Oskar weiß es. Er erklärt dem Engländer in so einfachen<br />

Worten, wie er kann:<br />

„Dort sind Ruinen, dort warten sie auf mich“, und Rogers<br />

tippt sich an die Stirn:<br />

„Das, was du hier präsentiert hast, lässt sich dort nicht<br />

machen.“<br />

Aber das weiß Oskar eben noch nicht.<br />

Aus dem Polnischen von Lisa Palmes

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