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BOGART 19 (BeOurGuestARTist)

Das Gießener Mitmachmagazin für Creative - Aktuelles und Zeitloses aus Kunst, Kultur und Comic

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Hans-Michael Kirstein: Von Altamira bis Entenhausen<br />

100 Jahre comic (IiI)<br />

Der große Artist fiktionaler Raumreisen und<br />

bizarrer »locations« war Alex Raymond (<strong>19</strong>09-<br />

56). Sein eleganter, barocker Pinselzug verleiht<br />

seinen mitunter atavistischen, aus vielerlei<br />

Quellen gespeisten SF-Melodramen straff<br />

angezogene Corsetthaftigkeit. Nach dem<br />

zweiten Weltkrieg wandte sich Raymond mit<br />

dem Detektiv Rip Kirby, gestaltet in einem<br />

raffiniert-zeitbezogenen Graphikidiom, mehr<br />

realistischen Sujets zu. Connie, eine flott-emanzipierte<br />

Draufgängerin der 30er und 40er (natürlich<br />

verwandt mit den »sophisticated ladies»<br />

der Hollywoodschen Stanwycks und Hepburns),<br />

läuft unter der realistischen wie auch<br />

ornamental modellierenden Feder von Frank<br />

Godwin (1889-<strong>19</strong>59) zur Hochform auf.<br />

Während diese Strips ja als farbige Sonntagsund/oder<br />

schwarz-weiße Werktagsstreifen laufen,<br />

taucht ab ca.<strong>19</strong>34 das »Comic Book« auf<br />

– in den Heften werden populäre Pressestrips<br />

nachgedruckt.<br />

Ab <strong>19</strong>38/39 treten dann extra für diese »Comic<br />

Books« kreierte quasi omnipotente Helden auf<br />

den Plan, deren Popularität bis heute andauert:<br />

Superman vom Team Shuster und Siegel<br />

sowie Batman, der aus Vampirmythen abgeleitete<br />

Gangsterantagonist, inszeniert von Bob<br />

Kane (<strong>19</strong>16-98). Beide Geschichten ziehen im<br />

Laufe der Jahre Legionen mehr oder minder<br />

gelungener Superheldenderivate nach sich<br />

und werden unzählige Male verfilmt (so in den<br />

70ern, 80ern und 90ern als üppig budgetierte<br />

A-Filme, die entsprechend augenzwinkernd<br />

ihre Instantmythen aufbereiten). Überhaupt<br />

scheinen Superhelden im neuen Jahrtausend<br />

das narrative Skelett hooywood'scher Blockbuster<br />

zu bilden. Dank computer- und softwarebedingtem<br />

Hitech sind der filmischen<br />

Umsetzung von physikalischen Räumen keinerlei<br />

Grenzen mehr gesetzt.<br />

Interessanter kommt eine superbe<br />

Parodie auf Superhelden und »tough<br />

guys« daher, die Will Eisner (<strong>19</strong>17-<br />

2005) als »Comic Book«-Beilage für<br />

Zeitungen fertigt: The Spirit (<strong>19</strong>41); in<br />

der formalen Faktur vom deutschen<br />

Expressionismus (dem des Films<br />

ebenso wie dem der Graphik) und<br />

der Karikatur beeinflußt, erzählen die<br />

»Spirit«-Strips neben rigoroser Abenteuerlichkeit<br />

und Parodie derselben<br />

die Vitae »kleiner« und pointiert fixierter<br />

Persönlichkeiten.<br />

Dieser an O'Henry gemahnende Zug,<br />

eine Galerie eigensinnig-kryptischer<br />

»femmes« der fatalen Art und die »film<br />

noir« orientierten Dekors erheben den<br />

»Spirit« berechtigt in den Rang einer<br />

universellen Kultserie. Eisner selbst<br />

blieb immer seiner experimentellen<br />

Produktivkraft treu und entwickelte ab<br />

den 70ern seine »comic novels«, impressionistisch<br />

bis pointillistisch skizzierte<br />

Charakterstudien der Menschen<br />

des »Big Apple«. Auch erweist er sich<br />

heute noch als gescheiter Essayist und<br />

Theoretiker des Comics.<br />

Die Sozialsatire der Kriegsund<br />

Nachkriegszeit...<br />

...wurde nun vor allem von Al Capp (<strong>19</strong>09-79)<br />

mit seinen galligen Li'l Abner gepflegt. Amerikanismen<br />

aller Coleur wurden in das fiktive<br />

Städtchen Dogpatch und seine debilen Bewohner<br />

reinkanalisiert und mit scharfer karikaturaler<br />

Geste demontiert. Dies machte seine<br />

Serie kaum exportfähig, förderte jedoch Capps<br />

nationalen Ruf als moderner »Swift« .<br />

Schließendlich kann die Periode der amerikanischen<br />

Comics um <strong>19</strong>40 nicht ohne die<br />

Nennung einer Comiczentralgestalt beendet<br />

werden: Milton Caniff (<strong>19</strong>07-<strong>19</strong>88), Autor der<br />

legendären Abenteuer- und Fliegerserien Terry<br />

and the pirates (ab <strong>19</strong>34) und deren stilistische<br />

Evolution Steve Canyon (ab <strong>19</strong>47). Caniffs fast<br />

kalligraphisch-impressiver Realismus (der auch<br />

karikaturale Implantate zuläßt), sein definitiv<br />

»filmischer«, ja storyboardhafter Formkanon<br />

und seine bei allen Patriotismen und Militarismen,<br />

nuancierten Charakterportraits und Dialogwechsel<br />

weisen Caniff als einen der signifikantesten<br />

und stimulierendsten Künstler der<br />

Comichistorie aus. Sein »erwachsener« Tonfall<br />

hebt seine Serien in ihren besten Zeiten in die<br />

Nähe der Filme großer Hollywoodlegenden<br />

wie Howard Hawks oder John Huston. Selbst<br />

in der propagandistischen Phase seiner Comicproduktion<br />

während des 2. Weltkrieges findet<br />

Caniff qua seines Talentes Möglichkeiten,<br />

Zeitbefindlichkeiten erzählerisch nuanciert zu<br />

definieren. Daß seine abenteuernden Glücksrittertypen<br />

wie Steve Canyon dabei auf recht<br />

selbstständige Frauentypen treffen, gehört außerdem<br />

zum »touch« seines Erzählstils.<br />

Daß die Kriegsjahre den amerikanischen Comic<br />

in Zeitungsstrip und »Comic Book« in die<br />

Mühle kriegspropagandistischer »Erbauung«<br />

ziehen; daß eigens zur Verdichtung des Nationalbewußtseins<br />

spezielle Helden wie der<br />

Superpatriot Captain America (<strong>19</strong>41, von Jack<br />

Kirby/Joe Simon. Kirby, der von <strong>19</strong>17-94 lebte,<br />

ist wohl der amerikanische Superheldenautor<br />

und -zeichner mit der weitreichendsten Stilprägung.<br />

Seine klobig-expressiven, aber auch<br />

gummiartig verformbaren Figuren und die<br />

erstarrt-stilisierten Hintergründe beeinflussen<br />

amerikanische Superheldenzeichner bis heute<br />

und finden ihre ironisch überzeichnete Referenz<br />

etwa in der Märchenparodie Fables (ab<br />

2003) von Autor Willingham und den Zeichnern<br />

Buckingham und Leialoha.<br />

Zwischen <strong>19</strong>43 und <strong>19</strong>65 arbeitete die heutige<br />

Kult"figur" Carl Barks (<strong>19</strong>01-2000) als Autor und<br />

Zeichner für die Disneyhefte des Verlages Western<br />

Publishing und definierte das mittlerweile<br />

weltberühmte Duckbestiarium, wohnhaft<br />

in Entenhausen (Ducksburg), entscheidend<br />

mit. Dreh- und Angelpunkt seiner Stories war<br />

natürlich zumeist der hechelnde "fall guy" Donald.<br />

Die Grafik Barksens ist dabei von banaler<br />

Durchschnittlichkeit ohne veredelnde Kunstgriffe;<br />

aber seine Fähigkeiten als ironischer<br />

Typenportraitist im erzählerischen Rahmen gepaart<br />

mit Situationskomik und schmunzelnder<br />

Abenteuerparodie lassen seine Geschichten<br />

die Zeiten überdauern. (Fortsetzung folgt)<br />

FAKSIMILES aus: The Comics: Since <strong>19</strong>45 (Vlg.:Harry N. Abrams)<br />

Prinz Eisenherz. Ein Handbuch für Kenner und Liebhaber (Vlg. Bocola)<br />

für Creative<br />

Bogart 29

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