Download - Internet World Business
Download - Internet World Business
Download - Internet World Business
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
E-COMMERCE<br />
26 <strong>Internet</strong> <strong>World</strong> BUSINESS<br />
20. Januar 2014 2/14<br />
SHOP-PORTRÄT: MYSWISSCHOCOLATE.CH<br />
Individuelle Versuchung<br />
Myswisschocolate.ch produziert bis zu 4.000 Schokoladentafeln am Tag – jede eine individuelle Kundenkreation. Ein Drittel<br />
seines Umsatzes erzielt das Schweizer Start-up über seine erst 2013 gelaunchte Smartphone-App<br />
Der selbst entwickelte Konfigurator macht Kunden<br />
die Kreation ihrer Schoggi denkbar leicht<br />
ie flüssiges Gold fließt die geschmol-<br />
Schokolade in die Tafelform,<br />
Wzene<br />
verteilt sich in die Ritzen, erkaltet langsam.<br />
Jetzt noch duftige Heublumen daraufgestreut<br />
und ganze Nüsse eingedrückt,<br />
dazu eine Prise Zimt ... So sinnlich kann<br />
der Alltag in einem erfolgreichen E-<br />
Commerce-Start-up sein. Bei Myswisschocolate.ch<br />
liegt die pure Versuchung in<br />
der Natur der Sache: Seit 2010 produziert<br />
das Start-up in Pfäffikon im Schweizer<br />
Kanton Zürich individualisierbare<br />
Schweizer Schokolade. Aus 116 Zutaten<br />
und 9 Schokokonfitüren können sich die<br />
Kunden ihre eigene Schweizer Schoggi<br />
per Online-Konfigurator zusammenstellen,<br />
inklusive essbarem Dekor und persönlicher<br />
Verpackung. „Durchschnittlich<br />
können wir etwa 4.000 Tafeln pro Tag<br />
produzieren“, erzählt Sven Beichler,<br />
Gründer und Geschäftsführer von Myswiss<br />
chocolate.ch. „Wir können aber die<br />
Produktion bei Bedarf, zum Beispiel bei<br />
Großaufträgen oder in unseren Hochfrequenzzeiten<br />
vor Ostern und Weihnachten,<br />
relativ problemlos hochfahren dank<br />
unseres flexiblen Mitarbeitermodells:<br />
Alle Mitarbeiter sind auf temporärer<br />
Basis angestellt.“ Auf Lager wird nichts<br />
produziert – warum, das weiß jeder, der<br />
schon mal in eine drei Monate alte<br />
Schokoladentafel aus dem Supermarkt<br />
gebissen hat. Wer unter dem Label „Original<br />
Schweizer Schokolade“ verkauft, ist<br />
quasi zu qualitativ hochwertiger Produktion<br />
verdammt.<br />
„Swissness“ als Verkaufsargument<br />
Und „Swissness“, also jene klischeehafte<br />
Mischung aus Ordnung, Qualität und<br />
Sorgfalt, gewürzt mit einer Prise Penibilität,<br />
sollte von Anfang an ein wesentlicher<br />
Bestandteil der Neugründung von Sven<br />
Beichler und seinem Mitgründer<br />
Christian Philippi sein, das stand für die<br />
Gründer-Freunde von vornherein fest.<br />
Außerdem wollten sie auf den Trend<br />
Mass Customization aufspringen und<br />
ihre Erfahrungen im Food- und Catering-Bereich<br />
einbringen. Nur über das<br />
Produkt, das sie ihren Kunden zur Individualisierung<br />
anbieten wollten, bestand<br />
nicht gleich Einigkeit. Salate, Sandwiches,<br />
Fruchtsäfte und sogar Suppen wurden<br />
diskutiert und teils sogar auf<br />
ihre Markttauglichkeit getestet.<br />
Schließlich entschied<br />
sich das Duo für das<br />
Produkt, das Nichtschweizer<br />
neben Käse<br />
und Uhren am meisten<br />
mit dem Alpenstaat verbinden:<br />
Schokolade. Im<br />
April 2010, nach rund vier<br />
Monaten Entwicklungszeit,<br />
in der das Unternehmen<br />
bereits eine aktive<br />
Community aufbaute, die<br />
über Logo, Zutaten und<br />
Preisstruktur mitbestimmen<br />
durfte, ging dann Myswisschocolate.ch<br />
online,<br />
von Anfang an mit selbst<br />
entwickeltem Schokoladenkonfigurator.<br />
Auch der<br />
internationale Versand war<br />
von Anfang an Teil des<br />
Geschäftsmodells: Ab<br />
dem Launch verschickte<br />
das Start-up seine Schokoladentafeln<br />
in den<br />
gesamten EU-Raum.<br />
Gleich mit dem Weihnachtsgeschäft<br />
2010 griff das Start-up<br />
voll an: Ein Großteil des Startkapitals<br />
wanderte ins Marketing. PR,<br />
Printanzeigen, Online Banner,<br />
Adwords, eine lebendige Social-<br />
Media-Präsenz, TV-Spots. „Wir<br />
haben so gut wie alles ausprobiert“,<br />
so Sven Beichler mit einem schiefen<br />
Grinsen. „Wir mussten zunächst<br />
sehen, was am besten funktioniert –<br />
und haben viel Lehrgeld bezahlt.“<br />
Trotz der hohen Investments ist<br />
Beichler überzeugt, dass sich die Konzentration<br />
auf das Marketing schon zu einem<br />
frühen Zeitpunkt in der Unternehmensentwicklung<br />
gelohnt hat. Der Schokoladenmarkt<br />
ist – online wie offline – dicht<br />
besetzt, die Konkurrenz nicht zimperlich.<br />
„Es wird mit harten Bandagen<br />
gekämpft“, bestätigt Beichler. „Wir waren<br />
kaum zwei Monate online, also noch ein<br />
unbedarftes Start-up, da flatterte schon<br />
Schokoladige<br />
Grüße: Mit oder<br />
ohne Banderole<br />
eine leckere Geste<br />
Neun<br />
Sorten,<br />
116 Zutaten =<br />
über 400 Millionen<br />
Varianten<br />
eine erste Klage eines klassischen Schokoladenherstellers<br />
auf meinen Schreibtisch.“<br />
Der Schokofabrikant wollte dem<br />
Start-up den Namen mit dem Bezug auf<br />
das Qualitätsmerkmal „Schweizer Schokolade“<br />
verbieten. „Nach drei Jahren<br />
Rechtsstreit wurde der Fall allerdings in<br />
letzter Instanz klar zu unseren Gunsten<br />
entschieden.“ Aber auch die Online-<br />
Konkurrenz ist nicht zu verachten, vor<br />
allem aus Deutschland: Der Berliner Anbieter<br />
Chocri, 2008 als Pionier in Sachen<br />
individuelle Schokolade gestartet, verfügt<br />
vor allem im auch für Myswiss chocolate.ch<br />
wichtigen Markt Deutschland über einen<br />
hohen Bekanntheitsgrad und signifikante<br />
Marktanteile; das Unternehmen sammelt<br />
gerade per Crowdfunding<br />
Kapital für eine Europa-<br />
Expansion ein. Auch My<br />
Choc spielt auf dem Markt<br />
für individualisierbare Schokolade<br />
kräftig mit. Den Südtiroler<br />
Konkurrenten Miraqo<br />
hat Myswiss chocolate.ch hingegen<br />
schon 2011 kurzerhand<br />
geschluckt.<br />
„Verstörender“ Erfolg<br />
Auf der Suche nach neuen Vermarktungswegen<br />
entdeckte Myswiss<br />
chocolate.ch Mitte 2013 den<br />
mobilen Kanal für sich. Unter der<br />
neu entwickelten Eigenmarke<br />
„Chocogreets“ launchte das Unternehmen,<br />
gestützt von einer siebenstelligen<br />
Kapitalerhöhung der Altinvestoren<br />
(darunter die Züricher<br />
Kantonalbank) eine Smartphone App<br />
für iPhone und Android. Mit Chocogreets<br />
können Nutzer Minischokoladentafeln<br />
als Grußkarte verschicken. Die<br />
50-Gramm-Tafel wird, versehen mit<br />
individuellem Grußtext und auf Wunsch<br />
eigenem Foto, für fünf Euro Komplettpreis<br />
in 43 Länder verschickt. Einfache<br />
Idee, große Wirkung: Bis heute wurde die<br />
App 360.000 Mal heruntergeladen und<br />
über 1.000 Mal kommentiert. Kaum<br />
jemand war von dem explosionsartigen<br />
Erfolg der App mehr überrascht als die<br />
Gründer selbst. „Mittlerweile tragen die<br />
Verkäufe über die App ein Drittel zum<br />
Gesamtumsatz von Myswisschocolate.ch<br />
bei – ein halbes Jahr nach Launch der<br />
App“, wundert sich Beichler. „Diese Mühelosigkeit<br />
ist angesichts der Arbeit, die<br />
wir in unseren Online Shop stecken, fast<br />
schon verstörend.“ Erklären lässt sich der<br />
Erfolg dennoch, so Beichler: Ein Schokogruß<br />
hat viele Einsatzszenarien. „Ich<br />
liebe Dich“ ist ebenso vertreten wie „Es<br />
tut mir leid“ oder „Herzlichen Glückwunsch“.<br />
„Wir sind wertiger als eine SMS,<br />
aber günstiger als ein Blumenstrauß“,<br />
fasst der Geschäftsführer den USP von<br />
■ Webshop-Launch: 2010<br />
■ Umsatz 2013: Siebenstellig<br />
■ Shop: Magento, Eigenentwicklung<br />
■ Marketing: Inhouse: SEM, SEO, Banner,<br />
Affiliate, TV-Spots, Print-Werbung<br />
■ Social Media: Facebook, Twitter,<br />
Google+, Youtube, Pinterest<br />
■ Versand: Schweizer Post, DHL,<br />
Global Mail<br />
■ Zahlungsmittel: Kreditkarte, Paypal,<br />
Rechnung