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Cliff Bleszinski zum Thema ki<br />
Cliff Bleszinski, der bis 2012 federführend am<br />
Gears of War-Franchise gearbeitet hat und aktuell<br />
an einem noch geheimen <strong>PC</strong>-exklusiven<br />
First-Person-Arena-Shooter auf Basis der Unreal<br />
Engine 4 werkelt, hat seine ganz eigene<br />
Meinung zu dem Thema: „Schon als Kinder<br />
wollten wir doch immer der Superheld sein.<br />
Und Erwachsene sind doch im Grunde auch<br />
wie große Kinder, zumindest die, die ich kenne.<br />
Hinzu kommt, dass sehr viele Leute in ihrem<br />
Beruf vielleicht nicht so glücklich sind. Sie<br />
sitzen nicht auf dem Chefsessel, sie müssen<br />
sich leiten lassen, statt sagen zu dürfen, wo der<br />
Hase lang läuft. In Spielen ändert sich diese<br />
Machtposition.“ Auf die Realismus-Debatte in<br />
Sachen KI angesprochen, antwortet er: „Ich<br />
habe einen großen Teil meines Lebens Spiele<br />
designt, in denen Typen mit Muskeln wie<br />
Baumstämme mit Waffen schießen, die größer<br />
sind als sie selbst. Das wird jetzt keinen Realismus-Preis<br />
gewinnen, aber es hat ein paar Millionen<br />
Menschen Spaß gemacht. Zum Spaßfaktor<br />
gehört unbedingt eine Aufgabe, die mich<br />
als Spieler fordert. Wo ich auch mein Hirn mal<br />
anstrengen muss. Deswegen gibt es in Gears<br />
so viele verschiedene Locust-Typen, die alle<br />
nach unterschiedlichen Taktiken schreien.“<br />
Bleszinski glaubt auch, dass die Zeiten sich<br />
allmählich ein wenig wandeln: „Die Industrie<br />
wurde über viele Jahre von Anzugträgern dominiert,<br />
die Spiele am liebsten nach Marktforschungs-Ergebnissen<br />
entwickeln lassen. Dann<br />
kam Dark Souls und hat alle überrascht. Es ist<br />
extrem schwer, lässt einen richtig im eigenen<br />
Schweiß baden. Es ist hart wie die Hölle, hat<br />
sich aber bei so etwas um die 2,5 Millionen verkauften<br />
Einheiten ganz passabel geschlagen –<br />
und Dark Souls 2 kommt!“<br />
Cliff Bleszinksi,<br />
oder Cliffy<br />
B, war bis<br />
2012 jahrelang<br />
Design<br />
Director bei<br />
Epic <strong>Games</strong>.<br />
Unterschied zwischen einem KI-<br />
Soldaten und uns ist der, dass<br />
die KI nur so reagieren kann, wie<br />
wir es ihr als Studio vorher beigebracht,<br />
also einprogrammiert<br />
haben.“ Laut Camarillo arbeiten<br />
die meisten Entwicklerteams mit<br />
klassischen „Was wäre, wenn“-<br />
Skripten. „Setze ich in Crysis 2<br />
Granaten ein, dann weiß unsere<br />
KI, dass sie sich jetzt verteilen<br />
muss, da Explosivgeschosse einen<br />
hohen Flächenschaden machen.<br />
Das sind statistische Werte, auf<br />
deren Basis das Spiel entscheidet,<br />
wie die Soldaten vorgehen sollen.“<br />
Selbst ein High-End-<strong>PC</strong> oder eine<br />
Next-Gen-Konsole hätten aber<br />
nur eine gewisse Rechenleistung,<br />
so Camarillo. Die Frage sei also<br />
immer, wie viel dieser Power man<br />
für KI-Entscheidungen verwenden<br />
wolle, die dann möglicherweise<br />
bei der Berechnung von Physik<br />
fehle – die wiederum extrem<br />
wichtig für die Glaubhaftigkeit<br />
von Cryteks zerstörtem, zu Ruinen<br />
zerfallenen New York sei.<br />
Ein weiterer Unterschied: Wir<br />
Menschen sind sehr gut darin, Situationen<br />
zu analysieren und andere<br />
hinters Licht zu führen. Beim<br />
Elfmeter im Fußball täuschen wir<br />
einen Schuss ins rechte obere Eck<br />
an, indem wir viel Anlauf nehmen<br />
und daher Kraft vortäuschen,<br />
schieben die Pille aber mit wenig<br />
Kraft und viel Gefühl unten ins Eck.<br />
03 | 2014<br />
Übertragen auf Shooter wäre dies<br />
das Antäuschen via Blendgranate:<br />
Der Gegner erwartet einen Angriff<br />
durch den Tunnel, wir gehen aber<br />
außen herum und fallen ihm in die<br />
Flanke. Oder wir spielen mit der<br />
Erwartungshaltung des Kontrahenten.<br />
Der Torwart denkt sich:<br />
Okay, er täuscht an, darauf bin ich<br />
vorbereitet. Wir schießen trotzdem<br />
mit recht viel Kraft ins rechte<br />
obere Eck. Oder überraschen die<br />
Terroristen im Tunnel, weil sie<br />
sich umdrehen, um ihre Flanke zu<br />
schützen, und nicht mehr auf den<br />
Tunnel achten. Für derart komplexe<br />
Manöver bräuchte man aber<br />
eine KI, die selbstständig dazulernt<br />
und aus der Situation heraus<br />
Analysen treffen kann. Die gibt es<br />
noch nicht.<br />
Die künstliche intelligenz im<br />
zweiten Crysis<br />
„Es ist recht einfach, einen Tunnel-Shooter<br />
zu entwickeln. Als<br />
Entwickler kontrollierst du die<br />
Umgebung, kannst genaue Pfade<br />
für die feindlichen Soldaten vorgeben<br />
und die Action mit Hollywood-Scripts<br />
– Explosionen, aufsteigender<br />
Rauch, abstürzende<br />
Helikopter etc. – sehr direkt steuern“,<br />
erklärt Nathan. „Wir haben<br />
für Crysis 2 eine komplett neue<br />
KI-Engine entwickelt, weil wir sehr<br />
viel stärker mit Umgebungseffekten<br />
spielen wollten. Insbesondere<br />
Wasser ist ein strategisches Mittel<br />
für den Spieler. Elektrisiert er es,<br />
kann er damit lautlos Soldaten<br />
des Hightech-Konzerns C.E.L.L.<br />
ausschalten.“ Laut Camarillo ist<br />
es essenziell für eine gute KI,<br />
dass sie die Möglichkeit hat, auf<br />
jede Form von Angriff zu reagieren.<br />
„Es ist keine echte künstliche<br />
Intelligenz, die sich unabhängig<br />
von unseren Eingaben entwickeln<br />
kann. Wir sind ja nicht die NASA<br />
(er grinst). Aber wir haben ihr<br />
beigebracht, bestimmte Verhaltensmuster<br />
abzurufen, wenn ein<br />
Ereignis eintrifft. Beispiel: Wird<br />
ein Kollege durch einen Stromschlag<br />
im Wasser getötet, gibt der<br />
Squad-Anführer den Befehl, sich<br />
von dem nahe gelegenen Bachlauf<br />
fernzuhalten.“ Crysis 2 war<br />
letztlich die natürliche Evolution<br />
des ersten Crysis, das 2007 den<br />
Markt revolutionierte. Vorher gab<br />
es keine KI, die in der Lage war,<br />
das Verhalten des Spielers zu<br />
adaptieren. Haben wir in Crysis<br />
mit einer Schrotflinte durch den<br />
erwartungshaltung, Call of Duty<br />
und der finanz-faktor<br />
Auch wenn der ehemalige Produzent<br />
von Crytek und heutige Senior<br />
Vice President beim Mobile-<br />
<strong>Games</strong>-Anbieter DeNa es nicht so<br />
formulieren möchte, das „FunkhiDeo<br />
kojima,<br />
Creative Director Metal Gear Solid 5 und Vice President Konami<br />
„Wir verwenden in Metal Gear Solid 5 dynamische KI<br />
Das ist eines der stärksten und wichtigsten Features<br />
des Spiels, hat mir aber auch schlaflose Nächte bereitet.<br />
1.000 Dinge hätten bei unserer Live-Präsentation auf der<br />
Tokyo Game Show schief gehen können.“<br />
dünnen Bambus einen Gegner erschossen,<br />
haben dessen Kollegen<br />
diese Information beim nächsten<br />
Gefecht gegen uns verwendet.<br />
Stellt sich also die Frage: Warum<br />
arbeiten bis heute nicht alle Spiele<br />
mit cleverer, adaptiver KI? „Es<br />
gibt sehr verschiedene Herangehensweisen<br />
in der Produktion, vor<br />
allem aber in der Vermarktung eines<br />
Spiels. Crysis ist ein äußerst<br />
exploratives Spiel, ein Werk, das<br />
euch dazu auffordert, ihm Geheimnisse<br />
zu entreißen. Auch der<br />
Nano-Suit ist sehr experimentell<br />
ausgelegt. Nicht jeder Spieler<br />
möchte das und nicht zu jedem<br />
Produkt passt es. Call of Duty<br />
funktioniert beispielsweise ganz<br />
anders als Crysis.“<br />
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