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Thalia Magazin

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THALIA | Ratgeber<br />

Fragen und Antworten zu<br />

Missständen in der Zahnmedizin<br />

Das Gesundheitswesen kommt nicht aus der Kritik. Sinn und<br />

Unsinn verschiedener Untersuchungsmethoden werden<br />

zunehmend und auf Basis zahlreicher Studien infrage gestellt.<br />

Auch in der Zahnmedizin gibt es viele Fallstricke. Der Zahnarztbesuch<br />

schmerzt häufig besonders, auch finanziell. Denn<br />

gerade hier müssen Patienten vieles selbst bezahlen. Kaum<br />

ein Bereich der Medizin ist so kommerzialisiert – Werbung und<br />

Marketing nehmen stark zu. Im Zahnarztstuhl muss man stets<br />

Entscheidungen treffen – Implantat oder Brücke, Füllung oder<br />

Inlay, Laser- oder Scanner-Einsatz – ohne Nutzen, Kosten und<br />

Risiken wirklich einschätzen zu können. Tanja Wolf klärt in<br />

Murks im Mund auf, was in der Zahnmedizin alles schiefläuft,<br />

und antwortet auf Fragen der Redaktion:<br />

Was ist aus Ihrer Sicht der größte Missstand, der größte Skandal<br />

in der Zahnmedizin?<br />

Ein Skandal sind einige extreme Fälle von Fehlbehandlungen oder<br />

offenbar systematischen Betrügereien. Manche davon werden durch<br />

Gerichtsverfahren publik, aber nicht alle geschädigten Patienten sind<br />

bereit, das Wagnis einer Klage auf sich zu nehmen. So wie eine Rentnerin<br />

aus Norddeutschland, die acht Implantate bekam, von denen<br />

zwei falsch eingesetzt wurden und auf den Unterkiefer-Nerv drückten.<br />

Bei welchen Diagnosen und Behandlungen ist ein Missbrauch<br />

relativ einfach möglich?<br />

Das ist im Prinzip immer möglich, bei der Zahnreinigung ebenso<br />

wie bei einer Krone oder bei einer kieferorthopädischen Behandlung.<br />

Weil jeder Fall anders ist, hat ein Zahnarzt Therapiefreiheit und<br />

kann vorhandene Spielräume nutzen. Kassenleistungen werden<br />

schlechtgeredet und teurere Versorgungen „aufgeschwatzt“.<br />

Können Patienten selbst erkennen, wann sie von einem qualifizierten<br />

Zahnarzt behandelt werden?<br />

Das ist leider schwierig. Man sieht ja nicht, was der Zahnarzt im<br />

Mund macht, und ein normaler Patient ist dem Zahnarzt im Fachwissen<br />

immer unterlegen. Vor allem sind die Angaben zur Spezialisierung<br />

ebenso vielfältig wie undurchsichtig. Hinter dem Wort<br />

„Spezialist“ und dem Master-Titel können unterschiedliche Weiterbildungsstandards<br />

stecken.<br />

Worauf sollen Patienten grundsätzlich achten?<br />

Patienten sollten immer kritisch, selbstbewusst und genau nachfragen –<br />

und zwar vor einer Behandlung. Was umfasst die Kassenleistung, wie<br />

gut ist eine Neuheit erforscht, welchen Nutzen hat eine Alternative und<br />

welche Risiken? Wie lange hält die eine Versorgung? Skepsis kann angebracht<br />

sein, wenn ein Zahnarzt in großem Umfang Werbung macht.<br />

Ein gutes Zeichen ist es, wenn ein Zahnarzt in schwierigen Fällen an<br />

einen Spezialisten überweist, die Sorgen eines Patienten ernst nimmt<br />

und Kosten nicht erst scheibchenweise offenlegt.<br />

Seit wann sind Patienten bereit, immer mehr aus eigener Tasche<br />

zu bezahlen? Spielen Zusatzversicherungen dabei eine Rolle?<br />

Weil die „moderne Zahnmedizin“ jenseits der Kassenleistung oft als<br />

alternativlos angepriesen wird, sind sicher viele Patienten von sich<br />

aus bereit, mehr selbst zu bezahlen. Zusatzversicherungen unterstützen<br />

den Trend und profitieren davon – ihre Zahl wächst stetig,<br />

obwohl sie längst nicht immer alle Kosten übernehmen. Allerdings<br />

hat die Politik schon seit Jahren die Weichen gestellt, die Eigenbeteiligung<br />

zu erhöhen, spätestens seit 2005 mit der Einführung des<br />

Festzuschusses von 50 % beim Zahnersatz.<br />

Wie werden Zahnärzte in Deutschland kontrolliert?<br />

Die Kontrollmöglichkeiten sind eigentlich zahlreich, nicht zuletzt<br />

dadurch, dass Heil- und Kostenpläne eingereicht und geprüft werden<br />

müssen. Patienten können Mängelgutachten beantragen. Falsche<br />

Abrechnungen, Verstöße gegen die Berufsordnung oder eine unwirtschaftliche<br />

Behandlungsweise können von den Zahnärztekammern<br />

oder Kassenzahnärztlichen Vereinigungen geahndet werden.<br />

Wie groß ist die Zahl der Betrüger unter den Zahnärzten?<br />

Betrüger machen sicher nur den kleinsten Teil aus. Aber es sind<br />

eben nicht alle Zahnärzte gleich gut. Nur ein kleiner Teil ist sehr gut,<br />

der größte Teil mittelmäßig und mindestens zehn Prozent schlecht.<br />

Aber auch eine schlechte Behandlungsqualität ohne böse Absicht<br />

kann für Patienten unangenehme Folgen haben.<br />

Wie können sich betroffene Patienten wehren und wo genau<br />

können sie Hilfe finden?<br />

Untersuchungen zeigen immer wieder, dass Voruntersuchungen,<br />

Diagnosen, Behandlungspläne und Kosten bei gleicher Ausgangslage je<br />

nach Zahnarzt sehr unterschiedlich ausfallen. Daher sollte man sich nicht<br />

scheuen, eine zweite Meinung einzuholen. Hierfür haben die Kassenärzte<br />

ein Portal eingerichtet: www.zahnarzt-zweitmeinung.de. Wenn nach<br />

einer Behandlung Kosten oder Qualität unklar sind, kann man sich an<br />

eine Schlichtungsstelle der Zahnärztekammern wenden.<br />

Tanja Wolf<br />

Murks im Mund<br />

224 Seiten, € 19,99<br />

ISBN 978-3-86883-364-5<br />

eBook, € 15,99<br />

ISBN 978-3-86413-456-2<br />

riva

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