Jahresbericht - Jugendwohlfahrt
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8<br />
Erziehungs- und Familienberatungsstellen<br />
des Landes OÖ<br />
Eltern fühlen sich in ihrer Erziehungsaufgabe oft gefordert<br />
– und manchmal auch überfordert. In solch schwierigen<br />
Situationen kann es hilfreich sein, sich Hilfe von<br />
Experten/-innen zu holen.<br />
Die 6 Erziehungs- und Familienberatungsstellen (EFB)<br />
des Landes OÖ an den Bezirkshauptmannschaften Linz-<br />
Land, Perg, Ried i.I., Steyr-Land, Vöcklabruck und Wels-<br />
Land wurden für diesen Zweck in den letzten beiden<br />
Jahren (re-)aktiviert:<br />
Platzbörse<br />
Eltern können sich an die Erziehungs- und Familienberatung<br />
wenden, wenn ihnen etwa das Verhalten ihres<br />
Kindes Sorgen bereitet, wenn sie sich Gedanken über<br />
die Entwicklung des Kindes machen, wenn sie sich<br />
überlastet fühlen oder sich wegen des Kindes streiten.<br />
In einer Trennungssituation stehen oft die Sorge, was<br />
das Kind braucht, oder Fragen zu Sorgerecht, Besuchsrechts-<br />
oder Unterhalt im Vordergrund. Selbstverständlich<br />
können sich auch Kinder oder Jugendliche an die<br />
Stellen wenden, wenn sie mit sich selbst oder ihrer Familie<br />
Probleme haben. Dieses präventive Angebot ist stark<br />
an die Bedürfnisse von Klienten/-innen der <strong>Jugendwohlfahrt</strong><br />
ausgerichtet. Sozialarbeiter/-innen haben damit<br />
ein spezifisches Angebot für Familien zur Hand, die, um<br />
ihre Probleme zu bewältigen, professionelle qualifizierte<br />
Beratung brauchen. Sollten Sozialarbeiter/-innen die<br />
Erziehungs- und Familienberatung nicht nur empfehlen,<br />
sondern direkt zuweisen, wird mit allen Beteiligten eine<br />
Zieldefinition und eine Vereinbarung über die Art der<br />
Rückmeldung vereinbart.<br />
An jeder Stelle wird sowohl psychologische als auch sozialarbeiterische<br />
Beratung angeboten. Bei Bedarf erfolgt<br />
an einigen Stellen auch ärztliche und/oder juristische Beratung.<br />
In den nächsten Jahren sollen die Erziehungs- und Familienberatungsstellen<br />
auch in anderen oö. Bezirken etabliert<br />
werden.<br />
Welche Sozialarbeiter/-innen kennen nicht die Not, wenn<br />
es gilt einen Platz für ein Kind in einer Sozialpädagogischen<br />
Wohngruppe oder gar bei Pflegeeltern aufzutreiben?<br />
Inzwischen gibt es in Oberösterreich eine echte Unterstützung<br />
bei der Platzsuche: Seit Sommer 2011 ist die<br />
Platzbörse in Betrieb. Über ein internes Produktionsportal<br />
kommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaften<br />
mit nur 2 Mausklicks zur „Platzverfügbarkeit“.<br />
Die Platzbörse bietet eine Übersichtsliste<br />
jener Wohngruppen, in denen ein Platz gerade frei ist<br />
oder in den nächsten Wochen frei wird. Möglich geworden<br />
ist das durch die Kooperation mit den Einrichtungen,<br />
die ihre Belegungen tagesaktuell führen. Der Eintrag und<br />
die Wartung der Kontaktdaten von allen Wohngruppen<br />
erfolgt durch die Fachabteilung. In der Pflegeelternevidenz<br />
ist die Zahl der freien Plätze bei Pflegefamilien in<br />
den einzelnen Bezirken sichtbar. Für die Aktualität der<br />
Daten sorgen die Aufgabengruppen <strong>Jugendwohlfahrt</strong> in<br />
den Bezirken. Die Platzbörse listet also die aktuell zur<br />
Verfügung stehenden Alternativen auf, sie bietet jedoch<br />
keine Möglichkeit, einen freien Platz zu belegen. Für die<br />
Unterbringung eines Kindes/Jugendlichen braucht es<br />
nach wie vor die bereits bisher üblichen Schritte der Kontaktaufnahme<br />
und Abstimmung.<br />
Trotz der Unterstützung durch die Platzbörse kann es im<br />
Einzelfall sehr schwierig sein, einen freien Platz in einer<br />
passenden Einrichtung zu finden. Durch den Ausbau der<br />
Krisenbetreuung und die Einführung von alternativen Betreuungsformen<br />
soll die Situation in den nächsten Jahren<br />
etwas entschärft werden.<br />
Multiprofessionelles Diagnostik Team –<br />
MDT<br />
In all diesen Fällen ist eine mehrprofessionelle, abgestimmte<br />
Beurteilung der Situation eine wichtige Unterstützung<br />
für die Planung eines geeigneten Betreuungsund<br />
Behandlungssettings.<br />
„Pöstlingberg-Kinder“<br />
Kein rechtswidriges Verhalten<br />
der <strong>Jugendwohlfahrt</strong><br />
Vor 5 Jahren erregte der Fall der „Kinder vom Pöstlingberg“<br />
enormes Aufsehen. Die Familie wurde von der <strong>Jugendwohlfahrt</strong><br />
seit dem Jahr 2000 betreut, ab 2001 war<br />
auch das Gericht eingebunden. Nachdem es Hinweise<br />
auf eine Zuspitzung der häuslichen Situation (Vermüllung)<br />
gab, erfolgte im Oktober 2005 die Abnahme der Kinder<br />
wegen Gefahr im Verzug. Medial wurde der Fall 2007 bekannt<br />
und so dargestellt, als sei die Geschichte aktuell<br />
passiert.<br />
Der Behörde wurde vorgeworfen, jahrelang untätig gewesen<br />
zu sein. Zwei Kinder klagten das Land (als <strong>Jugendwohlfahrt</strong>sträger)<br />
und den Bund (als Träger des Pflegschaftsgerichts)<br />
wegen der unterlassenen Herausnahme<br />
aus dem Haushalt ihrer Mutter und der Unterlassung geeigneter<br />
Maßnahmen nach dem <strong>Jugendwohlfahrt</strong>sgesetz<br />
auf Schadenersatz und Feststellung der Haftung für alle<br />
zukünftigen Schäden.<br />
Das Landesgericht St. Pölten – die Sache war dorthin<br />
wegen möglicher Befangenheiten bei einem oberösterreichischen<br />
Gericht verlegt worden – hat die Klage mit<br />
Urteil vom 10.6.2011 abgewiesen. Es ging in der Urteilsbegründung<br />
im Ergebnis davon aus, im vorliegenden Fall<br />
seien eine regelmäßige Abwägung der Risikofaktoren<br />
vorgenommen sowie einvernehmlich Lösungsansätze<br />
erarbeitet und Entscheidungen getroffen worden, die<br />
– aus damaliger Sicht – angezeigt gewesen seien. Ein<br />
rechtswidriges Verhalten des <strong>Jugendwohlfahrt</strong>strägers<br />
bzw. des Pflegschaftsgerichts könne nicht erkannt werden.<br />
Mit der Einrichtung eines Multiprofessionellen Diagnostik<br />
Teams (MDT) an der Abteilung <strong>Jugendwohlfahrt</strong> wurde<br />
für die Sozialarbeiterinnen eine Möglichkeit geschaffen,<br />
medizinische, kinder- und jugendpsychiatrische und psychologische<br />
Fragestellungen im direkten Auftrag der <strong>Jugendwohlfahrt</strong><br />
beantwortet zu bekommen.<br />
Sie können Teilbereiche der Sozialen Diagnose mit Fachkräften<br />
anderer Disziplinen (Psychologie, Psychiatrie und<br />
Sozialpädagogik) bearbeiten und zu einem ganzheitlichen<br />
diagnostischen Bild ergänzen. Damit wird eine adäquatere<br />
Hilfeplanung möglich und als Endziel eine erhöhte<br />
Treffsicherheit der Maßnahmen erreicht.<br />
Auch das dagegen mit Berufung der Klägerinnen angerufene<br />
Oberlandesgericht Wien hat der Berufung mit Urteil<br />
vom 14.11.2011 keine Folge gegeben. In der Begründung<br />
stellte das Rechtsmittelgericht zusammenfassend<br />
fest, die jeweiligen Entscheidungen der Behörden hätten<br />
– nach damaliger Sicht – aufgrund der gegebenen Situation<br />
auf einer begründeten Abwägung der zu setzenden<br />
Maßnahmen beruht und seien damit vertretbar gewesen.<br />
Die dagegen von den Klägerinnen erhobene außerordentliche<br />
Revision an den Obersten Gerichtshof hat dieser<br />
nun mit Beschluss vom 24.5.2012 zurückgewiesen.<br />
Zusammenfassend wurde in der Begründung festgestellt,<br />
in der Einschätzung der Vorinstanzen liege keine<br />
vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.<br />
Damit ist das Gerichtsverfahren nun rechtskräftig zugunsten<br />
des Landes Oberösterreich abgeschlossen, das<br />
Vorliegen eines rechtwidrigen und schuldhaften Verhaltens<br />
des <strong>Jugendwohlfahrt</strong>strägers wurde verneint.<br />
9<br />
Sozialarbeiter/-innen in Oberösterreich erstellen in mehreren<br />
tausend Fällen pro Jahr soziale Diagnosen. Sie<br />
stützen sich dabei auf eigene Beobachtungen, aber auch<br />
auf Fachexpertisen anderer Professionen wie Kindergarten-/Schulberichte<br />
oder Fragen an den Psychologischen<br />
Fachdienst. Bei Bedarf werden auch medizinische und<br />
psychiatrische Befunde berücksichtigt. Dadurch entsteht<br />
ein möglichst genaues Bild von den Lebensumständen<br />
des Kindes/Jugendlichen und seiner Familie.<br />
In einigen äußerst komplexen Fällen ist es mit den üblichen<br />
Erhebungen nicht möglich, ein ausreichend klares<br />
Bild der Situation zu bekommen, weil die Auffälligkeiten<br />
besonders vielfältig und schwer einzuordnen sind oder<br />
weil die Familie die für das Erhebungsverfahren notwendige<br />
Kooperation nicht aufbringen konnte. Auch kann es<br />
sein, dass die bisher gewährten Erziehungshilfemaßnahmen<br />
zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt haben<br />
und sich für die Sozialarbeiter/-innen konkrete Fragen für<br />
die weitere Hilfeplanung ergeben.