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PDF-Datei - Karl-May-Gesellschaft

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laut, [29] konnte sich also gar nicht weit von mir befinden. Ich legte mich nieder und kroch auf den Händen<br />

und Knieen weiter. Die Stimmen wurden, je weiter ich vorrückte, desto deutlicher, und sonderbarerweise<br />

kam mir eine derselben bekannt vor. Noch konnte ich die Worte, welche gesprochen wurden, nicht<br />

verstehen, aber dem Schalle nach mußten die Personen, welche redeten, sich hinter einem undurchdringlich<br />

scheinenden Sennesgebüsch befinden. Ich kroch hinzu und erkannte auch die andere Stimme; sie gehörte<br />

dem angeblichen Dschelabi, und derjenige, mit welchem dieser sprach, war, wenn ich mich nicht täuschte,<br />

kein anderer als - Abd Asl, der Vater des Sklavenjägers, der heilige Fakir, welcher mich im unterirdischen<br />

Brunnen bei Siut hatte verschmachten lassen wollen.<br />

Das Sennesgestrüpp konnte nicht sehr breit sein, denn ich hörte und verstand die Worte jetzt so deutlich,<br />

daß ich annahm, die Entfernung zwischen mir und den beiden Genannten könne höchstens drei oder vier<br />

Ellen betragen. Aus verschiedenen Geräuschen und Tönen, welche an mein Ohr drangen, war zu vermuten,<br />

daß die zwei sich nicht allein befanden.<br />

„Alle, alle müssen in die Hölle fahren; nur den Deutschen lassen wir leben!“ sagte der Fakir, als ich nun in<br />

bequemer Stellung lag und lauschte.<br />

„Warum das?“ meinte der Dschelabi. „Gerade er müßte der erste sein, den unsere Kugeln oder Messer<br />

treffen.“<br />

„Nein. Ihn will ich aufheben, um ihn meinem Sohne zu bringen. Er soll lange, lange Qualen erdulden. Es<br />

fällt mir nicht ein, ihn eines schnellen Todes sterben zu lassen.“<br />

„Dann mußt du gewärtig sein, daß er dir wieder entwischt.“<br />

[30] „Entwischen? Unmöglich! Ich weiß, daß er ein Teufel ist; aber es giebt genug Mittel, selbst einen<br />

solchen Satan zu bändigen. Ich werde ihn wie ein reißendes Tier einsperren. Nein, entkommen, entkommen<br />

wird er mir nun und nimmermehr! Ginge es nach mir, so ließ ich auch die Asaker leben, um sie langsam zu<br />

Tode zu martern; aber da wir nicht lange Zeit zu verlieren haben, so müssen wir uns ihrer schnell entledigen.<br />

Wie wollte ich diese Halunken peinigen, welche unsere Genossen erschossen und meinen Sohn, also uns<br />

alle um einen so großen Gewinn gebracht haben!“<br />

„Ja, für diese Fessarah-Sklavinnen wäre viel, sehr viel bezahlt worden. Man sollte diesen Menschen die<br />

Hände und die Zunge abschneiden, daß sie weder sprechen noch schreiben und also nichts verraten<br />

könnten. Dann müßte man sie an den grausamsten aller Negerfürsten verkaufen!“<br />

„Der Gedanke ist nicht übel. Vielleicht führen wir ihn aus. Vielleicht ersinnen wir uns auch noch besseres.<br />

Es giebt keinen Schmerz, der für sie zu groß, zu schrecklich sein könnte; sie müssen täglich, stündlich<br />

sterben, ohne doch wirklich sterben zu können. Sie haben das verdient, besonders dieser fremde Hund,<br />

welcher alle, alle unsere Absichten zu erraten, alle unsere Pläne zu durchschauen weiß und mit der Hilfe<br />

des Teufels stets dann entwischt, wenn man ihn am sichersten zu haben meint.“<br />

„Das ist es ja eben, was uns zur größten Vorsicht mahnt! Wenn er uns heute wieder entwischen sollte!“<br />

„Habe da ja keine Sorge! Die Befehle, welche ich gegeben habe, sind so sorgfältig ausgedacht, daß ein<br />

Mißerfolg gar nicht eintreten kann. Den ersten Schuß gebe ich ab, und ich ziele auf das Bein des Deutschen.<br />

Ist er da verwundet, so kann er uns jetzt und auch später [31] nicht entkommen. Ist dieser mein Schuß<br />

gefallen, so drückt auch ihr andern ab. Gegen siebzig Kugeln sind jedenfalls hinreichend, sie alle<br />

niederzustrecken.“<br />

„Man sollte es denken. Eigentlich ist es eine Schande für uns, daß wir wegen zwanzig Asakern eine solche<br />

Anzahl von Kriegern aufgetrieben haben.“<br />

„Das geschah nicht der Asaker, sondern des Effendi wegen. Unter seiner Führung sind zwanzig Männer<br />

so gut wie sonst hundert, und ich sage dir, daß wir nur durch das Unerwartete, durch die Plötzlichkeit des<br />

Ueberfalles siegen können. Wenn wir es zur Gegenwehr kommen ließen, so würde der Erfolg sicher<br />

zweifelhaft sein.“<br />

Ich mußte leise lachen. Weder der Dschelabi noch der Fakir besaßen die Klugheit, welche zur Ausführung<br />

ihres Vorhabens unbedingt erforderlich war. Sie hatten nicht einmal jetzt eine Wache ausgestellt, um sich<br />

unsere Ankunft melden zu lassen; das vernahm ich aus ihren weiteren Worten. Auch hörte ich, daß der Ort,<br />

an welchem sie sich befanden, der Quelle so nahe lag, daß sie das Geräusch, welches sie von uns<br />

erwarteten, deutlich zu hören hofften.<br />

Aus der Rede des Fakirs ging hervor, daß sein Sohn, der Sklavenjäger, dem Reïs Effendina eine Falle<br />

gestellt hatte. Das erfüllte mich mit Besorgnis, und ich nahm mir vor, hier schnell zu handeln und dann<br />

unsern Ritt zu beschleunigen, um möglichst rasch nach Chartum zu kommen und den Bedrohten zu warnen.<br />

Vor allen Dingen galt es, die Situation zu überschauen. Da, wo ich lag, war das Gebüsch so dicht, daß ich<br />

nicht hindurchblicken konnte. Ich kroch weiter, nach links, und fand dort eine lichte Stelle, welche mir die<br />

gesuchte Aussicht bot. Mein Auge fiel auf einen baumfreien Raum, auf welchem die siebzig Männer<br />

lagerten, viele nur halb be- [32] kleidet, aber alle gut bewaffnet. Ich sah Gesichter von hellbraun an bis zum<br />

tiefsten Schwarz. Die Kamele lagerten eins neben dem andern links und mir gegenüber am Rande der<br />

Lichtung. Der Fakir saß mit dem Dschelabi ein Stück von der Truppe entfernt am diesseitigen Rande, und es<br />

war ein günstiger Zufall gewesen, daß ich gerade auf diese Stelle getroffen war, sonst hätte ich sie unter<br />

vielen Schwierigkeiten aufzusuchen gehabt.<br />

Die Leute saßen oder lagen nicht eng beisammen, sondern zu zweien oder dreien in einzelnen kleinen<br />

Gruppen auseinander. Dieser Umstand mußte uns den Ueberfall sehr erleichtern. Seitwärts von da, wo ich<br />

GR 17 / Im Lande des Mahdi 2 – Seite 10

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