PDF-Datei - Karl-May-Gesellschaft
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„Und wohin lieferst du?“<br />
Sollte ich mich in dieser Weise ausfragen lassen? Je bescheidener ich mich verhielt, desto geringer war<br />
jedenfalls meine Sicherheit. Er durfte nicht denken, einen untergeordneten Charakter vor sich zu haben.<br />
Darum antwortete ich diesmal in kurzem Tone:<br />
[133] „Dahin, wo ich Geld bekomme. Meinst du, daß ich jedermann sofort meine Geschäftsgeheimnisse<br />
offenbare?“<br />
„Amm Selad, du trittst sehr zuversichtlich auf!“<br />
„Hast du es von einem Manne meines Berufes anders erwartet? Wie ist denn dein Auftreten? Fragt man<br />
einen Gast, ohne ihm einen Platz anzubieten, sogleich in dieser Weise aus?“<br />
„Wer hat gesagt, daß du mein Gast sein sollst?“<br />
„Niemand; aber ich halte es natürlich für ganz selbstverständlich.“<br />
„Das versteht sich nicht so ganz von selbst. Unsereiner hat vorsichtig zu sein.“<br />
„Ich ebenso. Wenn ich dir nicht gefalle, so brauche ich mich auch nicht zu bemühen, Wohlgefallen an dir<br />
zu finden, und kann wieder gehen. Komm, Omar!“<br />
Ich drehte mich um, und Ben Nil that ebenso. Da trat In Asl schnell zu mir, legte mir die Hand an den Arm<br />
und sagte:<br />
„Halt! Du kennst deine Lage nicht. Wer hier an diesem Orte zu mir kommt, der darf nicht wieder fort.“<br />
Ich sah ihm lächelnd ins Gesicht und antwortete:<br />
„Und wenn ich dennoch gehe?“<br />
„So werde ich dich festzuhalten wissen.“<br />
„Versuche es!“<br />
Bei diesen Worten ergriff ich Ben Nil bei der Hand und sprang, ihn hinter mich herziehend, unter die<br />
Bäume hinein. Glücklicherweise war er so geistesgegenwärtig, sogleich dieselbe Schnelligkeit wie ich zu<br />
entfalten. Das hatte In Asl nicht erwartet; wir waren fort, ehe er eine Bewegung gemacht hatte, mich<br />
festzuhalten. Dann aber schrie er laut:<br />
„Haltet sie fest, ihr Männer! Auf, hinter ihnen her!“<br />
Was Beine hatte, rannte in den Wald, Ibn Asl [134] selbst auch und die beiden andern. Ich hatte nur<br />
zwanzig Schritte weit gemacht und mich dann in einem kurzen Bogen wieder zurückgewendet, dahin, wo die<br />
Omm Sufah-Lichtung aufhörte. Dorthin drang der Schein des Feuers nicht, und dort zog ich Ben Nil mit mir<br />
in das Schilf hinein, wo wir uns niederduckten. Hinter uns erklangen die Zurufe der vergeblich nach uns<br />
Suchenden.<br />
„Warum liefst du denn nicht weiter?“ fragte mich Ben Nil. „Sie hätten uns nicht eingeholt!“<br />
„Weil ich gar nicht fort will!“<br />
„Du willst hier stecken bleiben?“<br />
„Nein. Ich wollte Ibn Asl nur zeigen, daß ich mir nichts befehlen lasse. Jetzt sind sie alle unter den Bäumen<br />
verschwunden. Komm!“<br />
Wir krochen aus dem hohen Schilfe heraus und schnellten uns nach dem Feuer hin, an welchem Ibn Asl<br />
gesessen hatte. Dort setzten wir uns nieder. Drei Flinten und drei Tabakspfeifen lagen da, und daneben<br />
stand ein thönernes Gefäß mit Rauchtabak. Wir stopften uns schnell jeder eine Pfeife und steckten sie in<br />
Brand. Da erscholl hinter uns ein Ruf der Verwunderung:<br />
„Dort sitzen sie ja, dort am Feuer!“<br />
Dieser Ruf ging von Mund zu Mund weiter, und man kehrte ebenso schnell, wie man davongelaufen war,<br />
zurück. Wir saßen ruhig da und rauchten. Die Männer wußten nicht, was sie dazu sagen sollten. Sie riefen,<br />
schrieen und lachten durcheinander. Ibn Asl mußte sich Bahn brechen, um zu uns zu gelangen.<br />
„Allah akbar - Gott ist groß!“ rief er aus. „Was fällt euch ein! Wir suchen euch, und ihr sitzt hier!“<br />
„Ich wollte dir nur zeigen, daß ich mich entfernen kann, wenn ich mich entfernen will. Ihr hättet uns gewiß<br />
nicht einholen können. Aber ich bin gekommen, um [135] ein Geschäft mit dir zu machen, und werde nicht<br />
eher fortgehen, als bis es zustande gekommen ist.“<br />
Ich sagte das in einem so zuversichtlichen Tone, daß sein vorher so finsteres Gesicht sich zu einem<br />
Lächeln verzog und er kopfschüttelnd sagte:<br />
„Amm Selad, einen Mann wie du bist, habe ich noch nicht gesehen. Du bist außerordentlich keck; da mir<br />
das aber gerade gefällt, so will ich dir den Schabernack, den du uns gespielt hast, nicht anrechnen. Kehrt an<br />
eure Plätze zurück!“<br />
Dieser Befehl galt seinen Leuten, welche denselben sogleich befolgten. Er setzte sich zu meiner Rechten<br />
nieder, und die beiden andern folgten diesem Beispiele. Ja, keck war ich gewesen, und nun galt es,<br />
abzuwarten, ob es gute Folgen haben werde. Wir waren weder gegrüßt noch willkommen geheißen worden,<br />
und solange dies unterblieb, durften wir uns nicht sicher fühlen. Ibn Asl nahm die dritte Pfeife, stopfte sie,<br />
zündete sie an und sagte dann, mir den Rauch fast gerade in das Gesicht blasend:<br />
„Was soeben geschehen ist, habe ich wirklich noch nicht erlebt. Entweder bist du ein leichtsinniger<br />
Spaßvogel oder ein vielerfahrener Händler.“<br />
„Das erstere nicht, sondern das letztere,“ antwortete ich. „Ich bin durch viele Gefahren gegangen und<br />
fürchte mich nicht, wenn jemand mich empfängt, ohne mich sofort willkommen zu heißen.“<br />
„Kann ich dir ‚Marhaba‘ 1 ) [ 1 ) Willkommen.] sagen, ohne daß ich dich kenne?“<br />
GR 17 / Im Lande des Mahdi 2 – Seite 42