PDF-Datei - Karl-May-Gesellschaft
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Als ich erwachte, geschah dies nicht von selbst, sondern Ibn Asl weckte mich.<br />
„Steh auf, Amm Selad!“ sagte er. „Du wirst ausgeschlafen haben, denn es ist spät am Morgen, und es wird<br />
bald zu thun geben; der Reïs Effendina kommt.“<br />
Ich war natürlich sofort vollständig munter und sprang empor. Mein erster Blick galt seinem Gesichte. Es<br />
war nichts darin, was mich hätte vermuten lassen, daß meine That bereits entdeckt worden sei. Seine Augen<br />
glänzten unternehmend; er nickte mir sogar freundlich zu und fuhr fort.<br />
„Ja ja, du staunst? Die Stunde ist gekommen. Geh heraus; der Kaffee steht für dich bereit!“<br />
Draußen vor der Kajüte lag ein Polster, auf weiches ich mich setzen sollte. Eine alte, häßliche Negerin<br />
brachte mir den erwähnten Morgentrunk. Die Sklavenjäger lagerten am Ufer, ganz so, wie ich sie gestern<br />
angetroffen hatte. Darum fragte ich:<br />
„Der Reïs kommt, sagst du? Aber deine Leute befinden sich noch nicht auf ihren Posten.“<br />
[153] „Das ist jetzt noch nicht notwendig. Ich erhielt soeben erst die Nachricht, daß er in Hegasi<br />
angekommen sei und bei der dortigen Mischrah angelegt habe. Nun weiß man nicht, wie lange er dort liegen<br />
bleibt. Es können Stunden vergehen, ehe er abfährt. Darum habe ich wieder einen Posten ausgesandt,<br />
welcher auf halbem Wege zwischen hier und Hegasi aufzupassen hat. Erst wenn dieser zurückkehrt, ist es<br />
Zeit, daß jeder seine Stelle einnimmt.“<br />
„Es wird doch kein anderes Schiff dazukommen!“<br />
„Aufwärts nicht, sonst hätte mein Wächter es gesehen. Und abwärts - - bei der Hölle, es wäre fatal, wenn<br />
da jetzt eins käme!“<br />
„Du würdest es vorüber lassen?“<br />
„Gewiß nicht, ganz gewiß nicht. Die Bemannung würde im Vorüberfahren uns und den Noquer sehen und<br />
dem Reïs davon Meldung machen.“<br />
„Das ist nicht so ganz gewiß. Die Leute würden vielleicht bei ihm vorübersegeln, ohne mit ihm zu reden.“<br />
„Da kennst du diesen Hund nicht. Er redet jedes ihm begegnende Schiff an, läßt es halten und zwingt es,<br />
sich nach Sklaven untersuchen zu lassen. Er würde ganz sicher erfahren, daß hier ein Noquer hält, und das<br />
müßte ihm auffallen; er würde Verdacht schöpfen, sich in acht nehmen, und mit meinem schönen Plane<br />
wäre es aus. Nein, kommt jetzt ein Fahrzeug von oben, so wird es angehalten und muß warten, bis die<br />
Sache vorüber ist. Um für alle Fälle gesichert zu sein, werde ich auch stromaufwärts einen Posten<br />
ausstellen. Die Zeit zum Handeln ist da, und ich lasse mich durch kein Dazwischenkommen irre machen.“<br />
Er ging an das Land, um einen Mann fortzusenden. Während dieser Zeit kam Ben Nil zu mir. Es befand<br />
[154] sich niemand in unserer Nähe; darum konnten wir ungestört und ohne Scheu miteinander sprechen.<br />
„Du hast sehr lange geschlafen, Herr,“ sagte er. „Fast wollte es mir bange werden. Hast du denn nicht an<br />
das gedacht, was auf dem Spiele steht?“<br />
„Ich habe nicht nur gedacht, sondern auch gethan, mehr als du denkst.“<br />
„Und ich habe gar nicht geschlafen. Ich konnte vor Angst um unsern Reïs Effendina kein Auge schließen.“<br />
„Ich natürlich auch nicht.“<br />
„Die beiden Offiziere wurden gestern abend noch gesprächig und erzählten mir, daß der Reïs verbrannt<br />
werden soll. Denke dir!“<br />
„Mit dem Petroleum da unten in den Fässern.“<br />
„Du weißt es?“<br />
„Ja. Ich erfuhr es von Ibn Asl.“<br />
„Herr, was thun wir? Der Reïs Effendina naht, und dort ist das Petroleum. Es ist schrecklich, unendlich<br />
schrecklich! Und dabei hast du geschlafen und dich um nichts bekümmert!“<br />
„Zanke nicht! Es ist nicht ganz so schlimm, wie du denkst. Ich habe die Fässer während der Nacht<br />
angebohrt. Das Oel ist abgelaufen.“<br />
„Allah'l Allah! Ist das wahr?“<br />
„Ja. Es ist mir nicht leicht geworden. Ich wollte fliehen und dich mitnehmen, hörte euch aber reden. Du<br />
lagst hinten im Verschlage und konntest nicht vor. Da mußte ich auf dich verzichten und allein handeln.“<br />
„Drum roch es, als ich aufstand, nach Petroleum! Die Leute schrieben das der Ausdünstung der Fässer zu.<br />
Und im Schilfe lagen einige tote Fische.“<br />
„Weiter unten wird es jedenfalls mehr abgestandene [155] Fische und anderes Getier geben. War das<br />
Wasser etwa gefärbt?“<br />
„Nein.“<br />
„So ist das Oel entweder sehr rein gewesen, oder der kräftige Morgenwind hat die Rückstände hier<br />
fortgespült. Das ist vortrefflich für uns.“<br />
„Ich sehe gar nichts Vortreffliches, Herr. Wenn man es entdeckt, wird der Verdacht natürlich auf uns<br />
fallen.“<br />
„Sehr wahrscheinlich. Aber wer kann uns etwas beweisen?“<br />
„Nach Beweisen fragen diese Menschen nicht. Wir müssen fort; wir müssen augenblicklich fort.“<br />
„Es wäre allerdings am allerbesten für uns, wenn wir uns entfernen könnten; aber es giebt einige<br />
Bedenken dagegen.“<br />
„Welche denn?“<br />
GR 17 / Im Lande des Mahdi 2 – Seite 48