PDF-Datei - Karl-May-Gesellschaft
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steuern. Ich bilde aus meinen Leuten drei Abteilungen. Die erste bleibt bei den Fässern; die zweite besetzt<br />
das Ufer bis möglichst weit hinab und die dritte drüben den Rand der Insel. Auf diese Weise wird der<br />
Flußarm, den der Reïs benutzen muß, an beiden Seiten von meinen Kriegern eingefaßt, welche sich<br />
natürlich nicht sofort sehen lassen dürfen. Wenn sich das Schiff soweit genähert hat, daß es nicht mehr<br />
entfliehen kann, werfen die bei den Fässern Stehenden das Petroleum in den Fluß und die dürre, schnell<br />
angebrannte Omm Sufah dazu. Das Oel wird sich über das Wasser verbreiten und um das Schiff ein<br />
Feuermeer bilden, aus welchem es nicht zu entkommen vermag. Was sagst du zu diesem Plane?“<br />
Mich schauderte vor diesem Manne, doch zwang ich mich, in bewunderndem Tone zu antworten:<br />
„Er ist herrlich, einzig! Entstammt er deinem eigenen Kopfe oder einem andern?“<br />
[146] „Ich selbst habe ihn mir ausgedacht,“ meinte er mit hörbarem Stolze.<br />
„So bewundere ich dich. Ich wäre niemals auf einen solchen Gedanken gekommen. Höchstens hätte ich<br />
dem Reïs irgendwo aufgelauert, um ihm heimlich eine Kugel zu geben.“<br />
„Und sein Anhang wäre leben geblieben? Nein, sie müssen alle, alle zur Hölle!“<br />
„Wie nun, wenn sie Zeit finden, das Schiff an das Ufer zu steuern?“<br />
„Sie mögen es versuchen! Bedenke doch, daß sie sich binnen wenigen Augenblicken mitten in Flammen<br />
befinden, daß sie unbedingt ersticken müssen. Das Schiff wird sofort lichterloh brennen. Dennoch habe ich<br />
auch an den Fall gedacht, daß sich einige in das Wasser werfen werden, um das Ufer zu erreichen. Sollten<br />
sie, was ich für eine Unmöglichkeit halte, dem Feuer und den Krokodilen entgehen, so stehen ja meine<br />
Leute hüben und drüben am Wasser, von denen sie mit den Gewehrkolben erschlagen werden. Du siehst<br />
wohl ein, daß kein einziger entkommen kann.“<br />
„Kann das Feuer nicht deinem eigenen Noquer gefährlich werden?“<br />
„Nein.“<br />
„Aber welche Folgen wird es für dich haben! Du wirst von den Soldaten des Vicekönigs gehetzt werden,<br />
bis sie dich haben, und dann dreimal wehe dir!“<br />
„Wird man erfahren, wie das Feuer entstanden ist?“<br />
„Vielleicht. Es ist ja möglich, daß es sich bis Hegasi hinab verbreitet. Man wird natürlich sehen, daß es<br />
vom Oele stammt, und sich fragen, wer dasselbe in den Fluß gegossen hat.“<br />
[147] „Mag man das immerhin fragen; niemand wird es beantworten!“<br />
„Bist du deiner eigenen Leute sicher?“<br />
„Ja. Keiner von ihnen wird plaudern.“<br />
„Dann mache ich dich, da ich es gut mit dir meine, noch auf eins aufmerksam. Wie nun, wenn außer dem<br />
Reïs noch ein anderes Schiff erscheint?“<br />
„So geht es mit zu Grunde.“<br />
„Oder wenn von oben herab ein Fahrzeug kommt. Dieses würde anhalten und Zeuge des Schauspieles<br />
sein. Damit wärst du verraten.“<br />
„Hoffentlich kommt dieser Fall nicht vor; sollte es aber doch geschehen, nun, so kann ich es nicht ändern.<br />
Ich würde dieses Schiff auf irgend eine Weise zum Anlegen bewegen und dann doch thun, was ich mir<br />
vorgenommen habe. Ich kann nicht dafür, wenn mein Petroleum zufälligerweise sich entzündet und der Reïs<br />
Effendina so dumm ist, sich mit seinem Fahrzeuge in das Feuer zu wagen. Wer kann mich da bestrafen?“<br />
„Hm! Wollen wünschen, daß lieber gar keine Störung dazwischen kommt!“<br />
„Und wenn sie käme, ich mache mir nichts daraus. Bin ich nicht schon jetzt verfolgt genug? Darf ich mich<br />
in Chartum sehen lassen? Werde ich nicht schon heute gejagt? Ich bin vogelfrei. Niemand als nur ich allein<br />
weiß, wo ich eigentlich wohne. Ich bin gegen die Gesetze, und sie sind gegen mich. Ich habe hier noch<br />
mehreres auszuführen, und dann werde ich verschwinden. Es kann mir also sehr gleichgültig sein, ob man<br />
es erfährt, daß der Reïs durch mich umgekommen ist. Schade nur, daß sein Schiff verbrennt, ohne daß ich<br />
die geringste Beute machen kann! Aber was mir da entgeht, das wird mein Sklavenzug mir einbringen; ich<br />
werde eine [148] Ghasuah 1 ) [ 1 ) Zug zum Zweck des Sklavenraubes.] unternehmen, wie es noch keine gegeben hat;<br />
das sollst du erfahren. Sprechen wir jetzt nicht davon. Die Lampe verlöscht, und wir wollen nun schlafen.“<br />
Es war nicht viel Oel in der Lampe gewesen. Das Flämmchen wurde kleiner und kleiner und verlöschte<br />
endlich ganz; es wurde dunkel in dem kleinen Raume.<br />
Was hatte ich erfahren! War es denn möglich, daß ein Mensch auf einen so teuflischen Gedanken<br />
kommen konnte! Die Ausführung dieses schrecklichen Planes mußte verhindert werden. Aber wie? Das<br />
einfachste und beste war, mich mit Ben Nil vom Schiffe zu schleichen und nach Hegasi zurückzukehren, um<br />
den Reïs zu warnen. Aber wo war Ben Na, und lag es in der Möglichkeit, ihn von seinen beiden Mitschläfern,<br />
ohne daß sie es bemerkten, fortzubekommen? Es mußte versucht werden, konnte aber natürlich nicht eher<br />
geschehen, als bis Ibn Asl eingeschlafen war.<br />
Ich wartete mit Schmerzen auf diesen Augenblick. Minuten vergingen, lange, lange Minuten. Endlich hörte<br />
ich seinen leisen, regelmäßigen Atemzügen an, daß er schlief. Ich wickelte mich aus dem Netze und kroch<br />
zu ihm hin. Das Ohr seinem Gesichte nähernd, horchte ich. Ja, das war das Atmen eines wirklich<br />
Schlafenden. Er verstellte sich nicht. Dennoch ergriff ich eines seiner Beine und schüttelte es leise. Er<br />
erwachte nicht davon; er schlief also fest. Ich kroch hinaus in den vorderen Raum. Dort hatte ich abgelegt,<br />
ließ aber meine Sachen liegen, da sie mich beim heimlichen Suchen nach meinem Gefährten gehindert<br />
hätten.<br />
GR 17 / Im Lande des Mahdi 2 – Seite 46