PDF-Datei - Karl-May-Gesellschaft
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„Gut! Du bist ein braver, treuer Kerl. Ibn Asl befindet sich nämlich hier, und ich gehe zu ihm, um seine<br />
gegen den Reïs Effendina gerichteten Absichten zu erfahren und dieselben zu durchkreuzen. Ich thue, als<br />
ob ich mich ihm auf dem Sklavenzuge, den er bald antreten wird, anschließen will, um von ihm Schwarze zu<br />
kaufen.“<br />
Ich konnte nicht weiter sprechen, denn der Fremde trat zu uns und sagte:<br />
„Du fragtest mich, ob du in einer Hütte des Dorfes schlafen könntest. Du wirst aber nicht hier schlafen<br />
können, denn ich werde dich nach dem Abendgebete zu Ibn Asl führen.“<br />
„Warum erst dann?“<br />
[127] „Ich erwarte noch ein Schiff. Du weißt, daß Schiffe gewöhnlich des Nachts nicht fahren, sondern an<br />
das Ufer legen. Im höchsten Falle fährt man bis eine Stunde nach Sonnenuntergang. Bis dahin muß ich also<br />
hier warten. Dann aber, wenn es noch nicht gekommen ist, weiß ich, daß es heute überhaupt nicht mehr<br />
kommt, und kann meinen Posten verlassen.“<br />
„Was ist es für ein Schiff?“<br />
„Darf dieser junge Mann alles hören?“ gegenfragte er, indem er auf Ben Nil deutete.<br />
„Ja. Er ist der treueste und verschwiegenste meiner Diener, und ich habe kein Geheimnis vor ihm.“<br />
„Du hast von dem Reïs Effendina gehört?“<br />
„Ich habe ihn sogar in Kahira gesehen.“<br />
„Du weißt auch, welche Aufgabe er zu vollbringen hat?“<br />
„Das weiß jedermann. Er soll den Sklaven-Jägern und -Händlern nachspüren und sie fangen. Ich hörte,<br />
daß er ganz besondere und außerordentliche Vollmachten überkommen hat.“<br />
„So ist es allerdings. Allah verdamme diesen Hund! Er hat schon viel Unheil über die Jäger gebracht und<br />
erst kürzlich im Wadi el Berd eine ganze Schar unserer Kameraden hingemordet.“<br />
Wenn er gewußt hätte, daß ich nicht nur dabei gewesen war, sondern sogar diese Schar aufgespürt und<br />
festgenommen hatte!<br />
„Das wird er nicht Mord, sondern Strafe nennen,“ sagte ich.<br />
„Willst du ihm das Wort reden?!“<br />
„Nein. Ich als Sklavenhändler kann doch unmöglich sein Freund sein. Wenn er so fortfährt, wie er es<br />
bisher getrieben hat, wird bald kein Sklave mehr zu kaufen sein.“<br />
[128] „Der Giaur, von dem ich dir vorhin sagte, ist sein Freund und Gehilfe. Bald wird dem einen wie dem<br />
andern das Handwerk gelegt sein. Der Giaur wird sich jetzt wohl schon in den Händen der Unserigen<br />
befinden, und auf den Reïs Effendina warten wir stündlich.“<br />
„Es ist also sein Schiff, welches du hier sehen willst?“<br />
„Ja. Er kommt, und Ibn Asl liegt im Hinterhalte.“<br />
„Will er das Schiff des Reïs Effendina angreifen?“<br />
„Das kann ihm nicht einfallen. Das Schiff ist so gebaut und bewaffnet, daß wir trotz unserer Ueberzahl sehr<br />
leicht den kürzern ziehen könnten. Wozu überhaupt kämpfen, wobei es selbst auf der Seite des Siegers<br />
Verwundete und Tote giebt! Man kann einen Feind auf andere Weise unschädlich machen.“<br />
„Wie denn, zum Beispiele?“<br />
„Man nimmt zum Beispiel - -“<br />
Ich war außerordentlich gespannt, das Folgende zu hören. Wenn der Mann diesen Satz aussprach, so<br />
erfuhr ich alles, was ich wissen wollte, und brauchte mich gar nicht zu Ibn Asl und in Gefahr begeben. Leider<br />
aber hielt er schon beim vierten Worte inne, legte sich, wie erschrocken, die Hand auf den Mund und fügte<br />
dann hinzu:<br />
„Fast hätte ich da mehr gesagt, als ich wohl verantworten kann. Du hast ein so Vertrauen erweckendes<br />
Gesicht, daß ich dir alles sagen könnte, ohne zu fragen, ob ich auch wohl das Recht dazu habe. Ich will aber<br />
schweigen. Ibn Asl mag es dir selbst mitteilen, und ich bitte dich, ihn ja nicht merken zu lassen, daß ich so<br />
gesprächig gegen dich gewesen bin.“<br />
„Ich bin nicht sehr mitteilsam. Du kannst ruhig sein. Weißt du denn gewiß, daß der Reïs Effendina [129]<br />
kommen wird? Der Mann soll nicht nur schlau, sondern auch sehr vorsichtig sein.“<br />
„Was das betrifft, so ist der Giaur, der christliche Effendi, noch weit mehr zu fürchten, wie uns gesagt<br />
worden ist. Ibn Asl hat dem Reïs Effendina eine Falle gestellt, in welche er sicher gehen wird.“<br />
„Kennst du diese Falle?“<br />
„Ja. Eigentlich sollte ich nicht davon sprechen; aber du bist ein Sklavenhändler und wirst mit uns ziehen,<br />
und da du schon soviel weißt, kannst du das auch noch erfahren. Wir haben ihm nämlich auf eine Weise,<br />
daß er es glauben muß, weisgemacht, daß ein großer Sklaventransport bei der Dschesireh Hassanieh über<br />
den Nil gesetzt werden soll. Er kommt also ganz gewiß, um denselben abzufangen, und wird dabei in sein<br />
Verderben laufen.“<br />
Damit war das Gespräch zu Ende, wenigstens so weit es für mich Wichtigkeit hatte. Ich hätte zwar gar zu<br />
gern noch erfahren, auf welche Weise der Reïs Effendina unschädlich gemacht werden solle, denn wußte<br />
ich das, so wußte ich eben alles, und brauchte ihm nur entgegenzugehen, um ihn zu warnen; aber ich durfte<br />
nicht weiter in den Mann dringen; er hätte leicht mißtrauisch werden und Verdacht schöpfen können.<br />
GR 17 / Im Lande des Mahdi 2 – Seite 40