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PDF-Datei - Karl-May-Gesellschaft

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„Diesen Leuten habe ich meinen Vater zum Anführer gegeben, und bin also sicher, daß nichts versäumt<br />

werden wird, seiner habhaft zu werden.“<br />

[139] „Man kann ihn aber doch leicht umgehen,“ meinte ich. „Kennt man denn die Richtung, in welcher er<br />

kommt?“<br />

„Ziemlich genau. Er wird sich ganz gewiß von den Fessarah einen Führer mitgeben lassen, und wir<br />

wissen, welchen Weg die Fessarah einschlagen, wenn sie nach Chartum reisen. Diesmal ist es ihm<br />

unmöglich, uns zu entkommen, und dann sollst du an ihm sehen, wieviel hundert Schmerzen und Qualen ein<br />

Mensch zu ertragen vermag, bevor er stirbt.“<br />

„So willst du ihn zu Tode martern?“<br />

„Ja. Er soll jedes Glied einzeln verlieren. Ich werde ihm die Nase, die Ohren, die Lippen, die Zunge, die<br />

Augen nacheinander nehmen.“<br />

„Und was geschieht mit den Asakern, die ihn begleiten?“<br />

„Ich habe den Befehl erteilt, dieselben einfach über den Haufen zu schießen. Man wird mir ihn also ganz<br />

allein bringen. Mein Vater kann in jedem Augenblicke zurückkehren.“<br />

Also jedes Glied, jedes Sinnesorgan sollte mir einzeln abgeschnitten, ausgestochen oder herausgerissen<br />

werden! Das war ein außerordentlich tröstlicher Gedanke für mich für den Fall, daß man entdeckte, wer ich<br />

war! Die Haare hätten mir zu Berge steigen mögen! Dennoch wagte ich es, eine Erkundigung einzuziehen,<br />

die mir leicht verderblich werden konnte. Ich nannte nämlich den Fakir el Fukara und fragte ihn, ob er<br />

denselben kenne.<br />

„Freilich kenne ich ihn,“ antwortete er. „Er ist doch auch Sklavenjäger gewesen.“<br />

„Gewesen? Jetzt also nicht mehr?“<br />

„Nein. Er ist fromm geworden und bereitet sich auf die Zukunft vor.“<br />

[140] „Hat er irgend einen besondern Plan für dieselbe?“<br />

„Das ist möglich; er redet nicht davon. Er liest viele Bücher, weltliche und geistliche, und es kommen und<br />

gehen bei ihm Leute, die man nicht kennt und mit denen er lange und geheime Unterredungen hält.<br />

Vielleicht will er ein großer Marabut oder ein Wanderprediger des Islam werden. Vielleicht aber ist das auch<br />

nur eine Maske, unter welcher er ganz andere Absichten verbirgt. Er haßt den Vicekönig, welcher ihn aus<br />

dem Amte gejagt hat, und wird sich wohl auf irgend eine Weise an ihm rächen wollen.“<br />

Sollte es diesem Manne mit seiner Mahdischaft wirklich ernst sein? Wenn das der Fall war, so hatte ich<br />

eigentlich die Verpflichtung, die Regierung zu warnen. Er hatte davon gesprochen, daß der Mahdi sich mit<br />

einem höheren ägyptischen Offizier verbünden werde. Vielleicht hatten die Besuche, welche er empfing,<br />

unter anderm auch den Zweck, eine solche Verbindung anzuknüpfen oder gar schon zu pflegen. Ich nahm<br />

mir vor, zuerst dem Reïs Effendina Mitteilung zu machen, welcher diese Angelegenheit leichter zu beurteilen<br />

vermochte als ich. Erst viel später, als der Aufstand im Sudan im Gange war, hörte ich, daß mit jenem<br />

Offiziere wohl Arabi Pascha gemeint gewesen sei, doch steht es sehr zu bezweifeln, daß er damals schon<br />

mit ihm in irgend einer Beziehung gestanden habe.<br />

Leider konnte ich noch immer nicht das erfahren, was zu wissen mir am notwendigsten war. Ihn Asl<br />

brachte das Gespräch nicht wieder auf den Reïs Effendina. Ich hütete mich zwar, die Rede direkt auf<br />

denselben zu lenken, aber ich gab mir alle Mühe, ihn indirekt und ohne daß er es bemerkte, auf diesen<br />

Gegenstand zu leiten, doch vergeblich. Es verging die Zeit bis nahe an Mitternacht, [141] und dann erklärte<br />

er, daß er nun schlafen wolle, und forderte mich auf, ihn zu begleiten.<br />

„Wohin?“ fragte ich.<br />

„Auf das Schiff. Dort haben wir mehr Schutz vor den Mücken, und ich werde dir ein Mückennetz geben. Du<br />

schläfst bei mir. Daraus kannst du ersehen, daß ich Wohlgefallen an dir gefunden habe.“<br />

Ich glaubte ihm das letztere, obgleich er mich auch leicht aus dem Grunde, mich unter seiner besondern<br />

Aufsicht zu behalten, zu sich einladen konnte.<br />

„Ich möchte dir nicht lästig fallen,“ wand ich ein. „Ich bin gewöhnt, auf meinen Reisen mit Omar, meinem<br />

Gehilfen, zu schlafen. Erlaube, daß er bei mir bleibt!“<br />

„Ich habe nur Platz für mich und dich. Er soll auch eine gute Stelle erhalten, denn er wird bei meinen<br />

Offizieren schlafen, welche auch eine eigene Kajüte haben.“<br />

Eine weitere Einwendung durfte ich nicht machen, da ein solches Beharren auf meinem Willen ihn sehr<br />

leicht stutzig hätte machen können. Darum mußte ich mich fügen. Uebrigens glaubte ich keinen Grund zu<br />

haben, auf das Beisammensein mit Ben Nil zu dringen. Es war bisher ja alles sehr gut abgelaufen, und ich<br />

hatte nicht die mindeste Ursache, anzunehmen, daß uns bis zum Morgen irgend eine Gefahr drohe.<br />

Im Verlaufe unseres Gespräches hatte ich beobachtet, daß viele der Sklavenjäger an Bord gegangen<br />

waren, um, jedenfalls der lästigen Mücken halber, im Schiffe zu schlafen. Das Innere desselben schien also<br />

jetzt leer zu sein, da es so viele Schläfer fassen konnte.<br />

Es führte eine Art Leiter, an welcher wir emporstiegen, vom Ufer auf das Deck. Dort angekommen,<br />

wendeten sich die beiden andern, die er als seine Offiziere bezeichnet hatte, nach vorn; sie nahmen Ben Nil<br />

mit; ich [142] fand keine Zeit, ihm irgend welche Verhaltungsmaßregeln zu erteilen. Ibn Asl ging mit mir nach<br />

hinten.<br />

Der Unterschied zwischen einer Dahabijeh und einem Noquer besteht darin, daß der letztere ein offenes<br />

Verdeck hat, wenigstens ist der mittlere Teil des Fahrzeuges frei. Vorn befindet sich gewöhnlich die<br />

GR 17 / Im Lande des Mahdi 2 – Seite 44

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