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PDF-Datei - Karl-May-Gesellschaft

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Gewehr fallen ließ und das Messer aus dem Gürtel zog. Dieses letztere zum Stoße zückend, drehte ich mich<br />

blitzschnell wieder um und sah, daß eine solche Verteidigung glücklicherweise nicht notwendig war. Der<br />

Löwe lag auf dem Rücken, bewegte sich, die Beine krampfhaft an den Leib gezogen, einmal nach der<br />

rechten und einmal nach der linken Seite, blieb da liegen und streckte dann, blutigen Schaum im<br />

halbgeöffneten Rachen, in einer letzten Bewegung die vier Pranken weit von sich. Er war tot, und ohne daß<br />

es der Bestätigung durch eine lange Untersuchung bedurfte, ersah ich aus diesem Erfolge, daß die beiden<br />

Kugeln da saßen, wohin ich sie bestimmt hatte, nämlich die erste durch das Auge in das Hirn und die zweite<br />

von unten herauf ins Herz. Dennoch wagte ich es noch nicht, das Tier zu berühren, denn es ist<br />

vorgekommen, daß ein scheinbar toter Löwe mit mehreren Kugeln im Kopf wieder aufgesprungen ist. Ich<br />

hob mein Gewehr wieder auf, lud es und stieß den Löwen dann mit den Läufen an. Hätte er noch Leben<br />

verraten, so konnte ich ihm auf diese Weise noch zwei Kugeln geben, ehe er aufzuspringen vermochte; aber<br />

er zuckte nicht; er war wirklich tot.<br />

Das war alles so schnell gegangen, daß der Fakir [69] el Fukara noch am Boden kniete und der Fessarah<br />

noch immer schreiend an seinem Busche stand. Die Asaker hatten ihr Heulen eingestellt, da sie sich nicht<br />

mehr bedroht sahen. Ich ging auf den ersteren zu, faßte ihn am Arme, um ihn aufzurichten, und sagte.<br />

„Was kniest und betest du noch? Der Menschenfresser ist tot.“<br />

„Tot?“ ahmte er wie geistesabwesend das letzte Wort in meinem Tone nach.<br />

„Ja, tot. Du hast nichts mehr zu befürchten.“<br />

„Hamdulillah!“<br />

Dieses eine Wort sprach er noch aus; dann stand er auf und ging fort, ohne sich um den Löwen zu<br />

bekümmern, in den Wald hinein, eine für mich gewiß sehr sonderbare Weise, sich mit dem Lebensretter<br />

abzufinden. Der Fessarah hatte meine Worte gehört und fragte:<br />

„Ist es wirklich gewiß, daß er tot ist?“<br />

„Ganz gewiß.“<br />

„Kann man ihn besehen und befühlen?“<br />

„Natürlich!“<br />

„So werde ich die Asaker rufen, damit sie unsere Triumphe preisen mögen.“<br />

„Unsere“ Triumphe hatte er gesagt. Nun, ich war neugierig, den von ihm erlegten Löwen zu sehen!<br />

Zunächst wurde der meinige in Augenschein genommen; aber nicht eilig und in stürmischer Freude kamen<br />

die Gefährten herbei, sondern zögernd und still. Die Dimensionen des Löwenkörpers waren selbst noch im<br />

Tode so achtunggebietend, daß es meiner mehrmals wiederholten Versicherung bedurfte, ehe ein Askari es<br />

wagte, den Kopf der Tierleiche zu fassen und von einer Seite auf die andere zu legen. Als man sich auf<br />

diese Weise überzeugt hatte, daß allerdings keine Gefahr mehr vorhanden [70] sei, verwandelte sich die<br />

zaghafte Stille in eine Scene übermütiger Lebhaftigkeit. Der Fessarah-Führer machte den Anfang dazu,<br />

indem er sich zum Redner aufwarf, den Körper des Löwen als Tribüne bestieg und folgendermaßen begann:<br />

„Preis sei Allah und Heil dem Propheten! Dieser Tag ist ein Tag des Triumphes. Bestätigt es, ihr<br />

Gläubigen!“<br />

„Ja, Heil, Preis, Triumph!“ schrieen die Asaker, welche alle herbeigekommen waren. Nur Ben Nil, der<br />

pflichtbewußte, befand sich bei den Gefangenen, um dieselben zu überwachen.<br />

„Ihr hörtet,“ fuhr der Sprecher fort, „von dem Löwen von EI Teitel, welcher sein Maul aufsperrte und in<br />

jeder Woche einen Anhänger des Propheten verschlang. Bestätigt es, ihr Freunde und Geführten den beider<br />

Helden dieses Tages!“<br />

„Wir bestätigen es!“ erklang die Antwort.<br />

Unter den beiden Helden waren jedenfalls ich und er gemeint. Er sprach weiter.<br />

„Im Bauche des Herrn mit dem dicken Kopfe liegen viele hundert Moslemin begraben. Vielleicht hat er<br />

auch zuweilen einen Ungläubigen verschluckt, was ihm wohl Beschwerden der Verdauung bereitete. Heute<br />

kam er nach diesem Brunnen, um seine Verbrechen fortzusetzen; da aber entbrannte der Zorn der Kämpfer<br />

und der Grimm der berühmtesten Recken in Afrika. Sie, nämlich der Effendi und ich, machten sich auf, dem<br />

Fresser entgegen. Ruft ihnen Heil und Ruhm zu, ihr Zeugen der Thaten!“<br />

„Heil, Ruhm, Heil!“ ertönte es ringsum.<br />

„Der Würger der Lebendigen kam nicht allein, sondern er brachte sich einen gottlosen Geführten seiner<br />

Schandthaten mit. Dieser Gefährte, dessen Seele Allah in den [71] Körper eines lahmen Hundes fahren<br />

lassen möge, hatte die Verwegenheit, sich mir gegenüber aufzustellen. Mich überkam die tapfere Begierde<br />

der Vertilgung dieses Ungeheuers, und ich vertrieb es aus dem Lande der Lebenden, denn ich legte meine<br />

Visionsflinte an und schoß es über den Haufen. Es liegt dort am Rande des Gebüsches, umleuchtet von den<br />

Strahlen meines Heldentumes, und ich werde es euch nachher zeigen, damit ihr rufen könnt: Schmach und<br />

Schande über ihn! Mich aber, den Sieger, preiset mit einem dreimaligen Triumphgeschrei!“<br />

Seiner Aufforderung wurde Folge geleistet; dann fand er es für angemessen, sich auch mit meiner Person<br />

zu beschäftigen:<br />

„Da ich das lebendige Grab so vieler Gläubiger erschossen habe, sind mir die Uhr und das Fernrohr<br />

zuzusprechen, denn ich habe sie gewonnen, da ich ganz dasselbe that, was der Effendi that; ich erlegte<br />

gerade so wie er einen vierfüßigen Herrn mit der Stimme, die dem Donner gleicht, ja, ich erlegte den<br />

meinigen sogar noch eher als er den seinigen. Dieser liegt hier unter meinen Füßen, hingestreckt in seiner<br />

GR 17 / Im Lande des Mahdi 2 – Seite 22

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