Jahresheft 2013 Jahresbericht 2012 - Klinik Sonnenhof
Jahresheft 2013 Jahresbericht 2012 - Klinik Sonnenhof
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Abschied nach 16 Jahren als Chefarzt<br />
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Der Anfang<br />
Als ich Anfang 1997, vor knapp 16 Jahren, die Leitung<br />
des KJPZ <strong>Sonnenhof</strong> übernahm, hatte ich bereits<br />
eine lange berufliche Laufbahn hinter mir. Ich<br />
war gut 20 Jahre als Erwachsenenpsychiater, Kinder-<br />
und Jugendpsychiater sowie Psychotherapeut<br />
tätig gewesen, bevor ich nach Ganterschwil kam.<br />
In meiner Tätigkeitsperiode in Ganterschwil haben<br />
wir in der <strong>Klinik</strong> etwa 1500 Patienten und deren<br />
Familien erleben dürfen.<br />
Eine Berufung<br />
Nach all diesen Jahren finde ich die Arbeit in unserem<br />
Fachbereich immer noch sehr anregend:<br />
Bei jedem einzelnen «Fall» muss ich die Komplexität<br />
der menschlichen Natur bewundern und über<br />
die Vielfältigkeit des menschlichen Wesens immer<br />
wieder von Neuem staunen. Auf der anderen Seite<br />
stellt sich auch immer wieder die Frage, welche<br />
Gesetzmässigkeiten wir hierbei erkennen können.<br />
Gibt es eine sichtbare Ordnung bei diesen komplexen<br />
und vielfältigen Phänomenen? Diese Fragen<br />
sind für mich auch nach unzähligen Kongressen,<br />
Fortbildungen und hunderten klinischen Sitzungen<br />
sowie der fortlaufenden Lektüre von einschlägiger<br />
Fachliteratur nach wie vor gegenwärtig und<br />
keineswegs abschliessend beantwortet. Ich bin<br />
immer noch überzeugt, dass unser Fachgebiet für<br />
alle Mitarbeitenden sowohl eine intellektuelle Herausforderung<br />
als auch eine emotional anspruchsvolle<br />
und zugleich sehr befriedigende Tätigkeit ist.<br />
Deshalb meine ich, dass unsere Tätigkeit in diesem<br />
– nicht immer einfachen – Umfeld nicht bloss<br />
als Beruf oder gar «Job» betrachtet werden kann,<br />
sondern als eine wahre Berufung. Persönlich betrachte<br />
ich mich als glücklich, dass ich so lange<br />
in diesem Fachgebiet wirken durfte.<br />
Vom Heim zur <strong>Klinik</strong><br />
Indes waren es zu Beginn nicht nur herausfordernde,<br />
sondern zum Teil auch schwierige Zeiten.<br />
Der «<strong>Sonnenhof</strong>» von Anfang 1997 glich nicht<br />
dem «<strong>Sonnenhof</strong>», wie wir ihn <strong>2012</strong> kennen. Die<br />
Strukturen waren damals Heimstrukturen. Am Tag<br />
waren die Wohngruppen vormittags und nachmittags<br />
zu, alle Kinder und Jugendlichen mussten<br />
in die Schule, unbeachtet deren Verfassungen<br />
und psychischer Zustände. An den Wochenenden<br />
und während der Ferien war der «<strong>Sonnenhof</strong>» geschlossen;<br />
die Kinder und Jugendlichen mussten<br />
nach Hause, wobei es für viele kein oder kein zumutbares<br />
Zuhause gab. Ein- und Austritte in den<br />
«<strong>Sonnenhof</strong>» fanden hauptsächlich im Sommer<br />
statt. Dringliche Eintritte oder gar Notaufnahmen<br />
waren praktisch nicht zu bewerkstelligen. Heimleiter<br />
hatten die Führung im Alltag, die Gruppen<br />
waren sozialpädagogisch geführt, und die Orientierung<br />
war mehrheitlich pädagogisch.<br />
Als 1996 der Auftrag seitens der neu gegründeten<br />
Stiftung <strong>Sonnenhof</strong> und der Kantonsregierung<br />
kam, die stationäre kinder- und jugendpsychiatrische<br />
Versorgung im Kanton zu übernehmen,<br />
musste schnell und gründlich eine Umwandlung<br />
vollzogen werden. Die jahrzehntealte Tradition<br />
des «<strong>Sonnenhof</strong>s» im Umgang mit Kinder und Jugendlichen<br />
war insgesamt sehr positiv und wertschätzend.<br />
Es konnte aber mit den bestehenden<br />
Strukturen – in Anbetracht der besonderen Klientel<br />
– zu wenig auf die individuellen, störungs- bzw.<br />
krankheitsbedingten Eigenheiten und Bedürfnisse<br />
geachtet werden. Mit der zunehmenden Zahl<br />
von ernsthaft verhaltensgestörten und psychisch<br />
schwer beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen<br />
war das alte System oft überfordert. Probleme<br />
mit Disziplin, Regelverhalten, Verweigerung<br />
und Gewalt nahmen zu und wurden besonders in<br />
den peripheren Aussenwohngruppen mit der Zeit<br />
unerträglich.<br />
Tief greifende Veränderungen<br />
Die notwendige, zügige und tief greifende Umwandlung<br />
fiel jedoch im damaligen «<strong>Sonnenhof</strong>»<br />
nicht allen leicht und gefiel auch nicht allen gleich<br />
gut, wie es bei Umwandlungen häufig der Fall ist.<br />
Dennoch mussten sowohl Strukturen als auch<br />
Haltungen und Handlungsabläufe an die neuen<br />
Realitäten und Bedürfnisse angepasst werden.<br />
Eine neue Hierarchie mit ärztlich-therapeutischem<br />
Primat musste auch von langjährigen Mitarbeitenden<br />
mit ausgesprochen sozialpädagogischer Identität<br />
akzeptiert werden. Arbeitszeiten mussten auf<br />
Wochenenden und Ferien ausgedehnt werden.<br />
Geschlossene Gruppen mit psychiatrischen Strukturen<br />
wurden aufgebaut. Nach und nach wurde<br />
der «<strong>Sonnenhof</strong>» zur <strong>Klinik</strong>, nicht nur auf Papier,<br />
sondern auch in der Tat. Die neue Selbstdeklaration<br />
des «<strong>Sonnenhof</strong>s» als funktionierende kinder- und<br />
jugendpsychiatrische Versorgungsklinik hat, wie jedes<br />
neue Angebot, zu einer vermehrten Nachfrage<br />
geführt. Dabei mussten einige, mit unserer eigenen<br />
Sichtweise divergierende Vorstellungen, was<br />
die Aufgaben der stationären Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />
betrifft, mit Zuweisern und Behörden<br />
diskutiert und korrigiert werden. Wir suchten den<br />
Konsens mit unseren potenziellen Klienten, haben<br />
es im Verlauf der Zeit auch meistens gefunden,<br />
wie die Kundenzufriedenheitsauswertungen zeigen.<br />
Der Weg dorthin war aber zeitweise auch<br />
recht steinig…<br />
Abschied<br />
Die heutige <strong>Klinik</strong> <strong>Sonnenhof</strong> ist diejenige <strong>Klinik</strong>,<br />
die ich mir gewünscht habe. Deshalb ist mein<br />
Weggang zum jetzigen Zeitpunkt für mich sowohl<br />
freudig als auch wehmütig. Ich übergebe meinem<br />
Nachfolger eine <strong>Klinik</strong> nach meinen Vorstellungen,<br />
eine <strong>Klinik</strong>, worauf ich stolz bin, in der ich sehr gerne<br />
gearbeitet habe und als Arzt und Therapeut<br />
gerne arbeiten würde. Ziel erreicht – Freude. Auf<br />
der anderen Seite fällt der Abschied von der doch<br />
auch von mir wesentlich geformten <strong>Klinik</strong> und der<br />
vielen, zum Teil langjährigen Mitarbeitenden natürlich<br />
schwer. Erfreulicherweise fühle ich mich mit<br />
66 Jahren noch rüstig genug, um neuen beruflichen<br />
und privaten Herausforderungen nachzugehen.<br />
Für die Zeit im «<strong>Sonnenhof</strong>» bin ich allen,<br />
die mir dort geholfen haben – und auch meinem<br />
guten Glück –, dankbar.<br />
Dr. med. Robert Fisch<br />
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