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Jahresheft 2013 Jahresbericht 2012 - Klinik Sonnenhof

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Die «Tics» ausgetrickst<br />

24<br />

chen zu beobachten ist. Die Behaltensleistung von<br />

Lernenden beträgt durchschnittlich 90% von dem,<br />

was sie mitdenkend erarbeitet und selbst ausgeführt<br />

haben. Im Vergleich dazu: Nur 20% von dem,<br />

was auditiv erfasst wird, bleibt in Erinnerung.<br />

Dieser Erkenntnis misst die <strong>Klinik</strong> <strong>Sonnenhof</strong> einen<br />

hohen Stellenwert zu: Neben den regelmässigen<br />

Praxisanleitungsgesprächen mit der Ausbildungsverantwortung<br />

Pflege/Pädagogik wird in Zukunft<br />

jeder und jedem SPiA, wie auch allen Vorpraktikantinnen<br />

und Vorpraktikanten eine Ansprechperson<br />

auf der Station zur Verfügung stehen. Mit dieser<br />

Stationsbegleitung erhalten sie die Möglichkeit,<br />

Alltagssituationen unmittelbar und im Kontext der<br />

jeweiligen Gruppe und des jeweiligen Teams zu<br />

reflektieren und von den Erfahrungen und dem<br />

Fachwissen der begleitenden Person zu profitieren.<br />

Die Stationsbegleitung ist gemeinsam mit der Ausbildungsverantwortung<br />

für die Gestaltung und Beurteilung<br />

des Lernprozesses zuständig. In je halbtägigen<br />

Lernlaboren erhalten die SPiAs ebenfalls die<br />

Möglichkeit, sich stationsübergreifend zu vernet-<br />

zen, Wissen zu generieren und weiterzuvermitteln,<br />

Lerninhalte der Ausbildung zu vertiefen oder sich<br />

über stationsspezifische Merkmale auszutauschen.<br />

Anhand von teilweise vorgegebenen Inhalten wird<br />

das Verständnis des Theorie-Praxis-Transfers gefördert<br />

und reflektiert. In Planung befindet sich eine<br />

regelmässig stattfindende Intervisionsgruppe für<br />

SPiAs aller Ausbildungsschulen. Bereits seit Langem<br />

besteht zudem eine Praktikumsrunde der<br />

<strong>Klinik</strong>schule, wo neue Praktikantinnen und Praktikanten<br />

vom Fachwissen von in der Klink tätigen<br />

Fachpersonen aus den verschiedenen Disziplinen<br />

profitieren. Die <strong>Klinik</strong> <strong>Sonnenhof</strong> legt mit der Einführung<br />

der neu integrierten Praxisausbildungselemente<br />

und des neuen Ausbildungskonzepts einen<br />

wichtigen Grundstein, um als attraktive Ausbildungsorganisation<br />

im Sozialbereich die Professionalisierung<br />

der Sozialen Arbeit in Zukunft zu unterstützen.<br />

Evelyn Müller<br />

Sozialpädagogin FH, Ausbildungsverantwortliche<br />

<strong>Klinik</strong> <strong>Sonnenhof</strong><br />

Überblick der Aus- und Bildungsangebote in der <strong>Klinik</strong> <strong>Sonnenhof</strong><br />

Ausbildungsschulen<br />

Praxisorganisations-<br />

Anerkennung (PAO)<br />

Ausbildungsstufe,<br />

Zeitpunkt<br />

Dauer<br />

Vorstufe<br />

Vorpraktikum (VP)<br />

Wird als Vorerfahrung<br />

von den ZHAW Zürich<br />

FHS St. Gallen<br />

Ausbildungsschulen FHNW Olten/ Basel<br />

vorausgesetzt<br />

Vor der Ausbildung<br />

6 bis 12 Monate<br />

Ausbildung Sozialpädagogik FH/HF (SPiA)<br />

Praktikum I u. II<br />

(PR I und II)<br />

Im Vollzeitstudium<br />

ca. 6 Monate<br />

Berufsbegleitende Ausbildung (bb)<br />

Fachhochschule<br />

FHS St. Gallen<br />

ZHAW Zürich,<br />

FHNW Olten/Basel<br />

Parallel zum<br />

Studium<br />

ca. 4 bis 5 Jahre<br />

Höhere Fachschule<br />

Agogis Zürich /<br />

St. Gallen<br />

HSL Luzern<br />

Parallel zum<br />

Studium<br />

3 Jahre Agogis<br />

4 Jahre HSL<br />

«Mit knapp sechs Jahren war ich mit meiner Familie<br />

zu einer Geburtstagsfeier eingeladen. Ein Magier<br />

zeigte Zaubertricks und holte sich als Assistent ein<br />

Kind auf die Bühne. Er wählte mich aus. Ich kann<br />

mich nur noch erinnern, dass ich versucht habe,<br />

einen Knoten zu lösen, und an die erschrockenen<br />

Gesichter im Publikum. Meine Eltern erzählten mir<br />

später, dass ich auf der Bühne begonnen habe,<br />

mich unkontrolliert zu bewegen, komisch zu<br />

zucken und meinen Kopf nach hinten zu schleudern.<br />

Meine Mutter dachte, es sei eine plötzliche<br />

allergische Reaktion und dass ich versuchte, mich<br />

am ganzen Körper zu kratzen. Der Zauberer schickte<br />

mich wieder an den Platz und entschuldigte<br />

sich bei meinen Eltern. Er habe nicht gewusst, dass<br />

ich behindert sei.<br />

In den nächsten Jahren nahmen die unkoordinierten<br />

Bewegungen und Zuckungen zu. Ich litt<br />

an Zwängen – sei es gewisse Bewegungen auszuführen<br />

oder mich Gedanken zu unterwerfen. Ich<br />

konnte meine Impulse nicht kontrollieren und<br />

rastete aus, bis Stühle flogen. Auch verbal verlor ich<br />

die Kontrolle. Ich begann plötzlich, Geräusche zu<br />

machen, zu pfeifen oder beschimpfte eine fremde<br />

Person auf der Strasse. Erinnern konnte ich mich an<br />

diese Handlungen nicht. Rund vier Jahre nach dem<br />

Erlebnis beim Zauberer rutsche ich in eine Depression<br />

und wurde in eine psychiatrische Jugendklinik<br />

eingewiesen – und hier stellten die Ärzte dann die<br />

Diagnose ‹Tourette-Syndrom› fest. Das ist eine<br />

seltene Erkrankung, bei der die Betroffenen<br />

Zuckungen und Laute nicht mehr kontrollieren<br />

können. Die genaue Ursache für das Tourette-<br />

Syndrom ist noch nicht bekannt. In meiner Familie<br />

gibt es ausser mir niemanden, der daran leidet. Auf<br />

der Bühne beim Zauberer stand ich wohl unter<br />

grossem Stress und reagierte darauf das erste Mal<br />

mit meinen ‹Tics›.<br />

Heute nehme ich täglich Medikamente gegen die<br />

Krankheit und kann somit meine ‹Tics› besser unterdrücken<br />

und die Zwänge kontrollieren. Zusätzlich<br />

lerne ich in einer Therapie, wie ich mental gegen<br />

Zwänge und ‹Tics› ankämpfen kann. Trotzdem<br />

muss ich mich dauernd konzentrieren, dass mein<br />

Kopf nicht plötzlich nach hinten schnellt. In der<br />

Schule war es für mich oft schwierig, mich zu konzentrieren.<br />

Meine ‹Tics› brockten mir viele Strafen<br />

ein. Ich wollte ganz bewusst, dass man mir diese<br />

Strafen nicht erlässt, nur weil ich ein ‹Tourettler› bin,<br />

sondern dass man mich wie alle anderen Schüler<br />

behandelt. Als ich diesen Sommer meinen letzten<br />

Schultag absolvierte, schenkte mir die Putzfrau des<br />

Schulhauses eine vergoldete WC-Bürste. Mein Putz-<br />

Straf-Einsatz werde ihr fehlen.<br />

Gefoppt oder ausgeschlossen wurde ich aufgrund<br />

meiner Krankheit nie. Ich spiele Fussball und wäre<br />

sehr gerne Torwart gewesen. Doch mit all meinen<br />

‹Tics› war es schwierig, die Bälle zu halten. Heute<br />

spiele ich als linker Flügel. Manchmal sagen meine<br />

Kollegen, dass ich ein wenig komisch renne. Mir<br />

fällt das jedoch nicht auf. In meiner Schulklasse<br />

wurde das Tourette-Syndrom thematisiert. Es<br />

wussten also alle, was mit mir los ist. Es war ein<br />

grosses Glück, dass für die Schulleitung und die<br />

Lehrerschaft klar war, dass ich in Urnäsch die<br />

Schule besuche – egal, wie stark meine ‹Tics› und<br />

Zwänge sind. Heute beginne ich eine Lehre als<br />

Auto-mechatroniker. Ich habe klare Ziele. Ich<br />

möchte eine gute Lehre absolvieren, später einen<br />

interessanten Job machen und irgendwann meine<br />

eigene Familie gründen.<br />

Meine grösste Hoffnung ist jedoch, dass ich in den<br />

nächsten Jahren die starken Medikamente, die sehr<br />

müde machen, absetzen kann. Denn bei jedem<br />

vierten Jugendlichen, der am Tourette-Syndrom<br />

leidet, verschwindet die Krankheit bis zum 25. Lebensjahr<br />

– und ich glaube fest daran, dass ich<br />

dazugehöre!»<br />

Lukas Sandholzer,<br />

15 Jahre, Urnäsch<br />

Notiert: Christa Wüthrich<br />

25

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