Jahresheft 2013 Jahresbericht 2012 - Klinik Sonnenhof
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Das neue Kindes- und<br />
Erwachsenenschutzrecht<br />
Leitidee des Kindesschutzes<br />
Vorweg möchten wir kurz die Leitidee des zivilrechtlichen<br />
Kindesschutzes erläutern, bevor wir<br />
über die Neuerungen im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht<br />
zu sprechen kommen. Grundsätzlich<br />
haben die Eltern für das Wohl ihres Kindes zu<br />
sorgen. Als Kindeswohl wird verstanden, dass der<br />
optimalen Entwicklung der körperlichen, geistigen,<br />
schöpferischen, emotionalen und sozialen Fähigkeiten<br />
des Kindes Rechnung getragen wird. Den<br />
Eltern kommt ein grosser Ermessens- und Gestaltungsspielraum<br />
zu, die Kinder nach ihren eigenen<br />
Werten und Überzeugungen zu erziehen und zu<br />
bilden. Dabei bildet das objektive Kindeswohl die<br />
Leitlinie. Erst wenn das Kindeswohl relevant gefährdet<br />
ist und die Eltern nicht unter Einbezug von<br />
einem freiwilligen Helfernetz der Gefährdung von<br />
sich aus begegnen können, ist das Eingreifen der<br />
vormundschaftlichen Behörde möglich und sogar<br />
notwendig. Wichtig ist vor allem, dass Kindesschutzmassnahmen<br />
die elterlichen Fähigkeiten<br />
ergänzen und nicht verdrängen sollen. Damit kommen<br />
wir zum neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrecht,<br />
welches die Grundlage der Kindesschutzmassnahmen<br />
bildet.<br />
Professionalisierung der Kindesund<br />
Erwachsenenschutzbehörde<br />
Nach gut hundert Jahren löst das neue Kindesund<br />
Erwachsenenschutzrecht das bis anhin fast<br />
unverändert gebliebene Vormundschaftsrecht ab.<br />
Ab 1. Januar <strong>2013</strong> müssen die Kantone die vorgesehenen<br />
Behördenorganisationen bundesrechtskonform<br />
bereitstellen und das kantonale Recht anpassen.<br />
Es findet also eine gesamtschweizerische<br />
Annäherung an eine gemeinsame Rechtslage<br />
statt. Künftig werden alle Entscheide im Bereich<br />
des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts bei einer<br />
einzigen Fachbehörde konzentriert. Die ursprünglichen<br />
Vormundschaftsbehörden wird es<br />
nicht mehr geben.<br />
sen und der differenzierte Fokus fördern einen<br />
aktiven Diskurs, um für die Betroffenen optimale<br />
Massnahmen zu finden. Die KES-Behörde soll unabhängig<br />
und neutral zugunsten der Betroffenen<br />
entscheiden, was aus unserer Sicht ein grosser Vorteil<br />
zum bisherigen System darstellt.<br />
Im Kindesschutz gibt es kaum Änderungen im<br />
neuen Gesetz. Die wichtigsten Neuerungen betreffen<br />
die Stärkung der Solidarität in der Familie. Die<br />
zuvor erwähnte Beistandschaft erscheint neu in<br />
unterschiedlichen Ausprägungen. Die Kinder erhalten<br />
eine stärker ausgebaute Rechtsstellung in<br />
den Verfahren, die sie betreffen. Neu erfolgt eine<br />
Anhörung bereits ab ca. 6 Jahren. Die Kinder und<br />
Jugendlichen erhalten eine rechtliche Vertretung,<br />
analog der Vertretung des Kindes im eherechtlichen<br />
Verfahren. Ebenso wird der Rechtsschutz<br />
auch beim Fürsorgerischen Freiheitsentzug (FFE),<br />
neu fürsorgerische Unterbringung (FU), verstärkt.<br />
Zusammenarbeit mit der <strong>Klinik</strong><br />
und dem <strong>Klinik</strong>sozialdienst<br />
Die Sozialarbeiterinnen der <strong>Klinik</strong> arbeiten eng mit<br />
den Behörden zusammen. Sie begleiten die Kinder<br />
und ihre Eltern bei den Empfehlungen von vormundschaftlichen<br />
Massnahmen im Informationsund<br />
Entscheidungsfindungsprozess. Der <strong>Klinik</strong>sozialdienst<br />
wird künftig nicht mehr mit der Gemeinde,<br />
welche gleichzeitig Kostenträgerin der Massnahmen<br />
ist, zu tun haben, sondern mit der KES-Behörde.<br />
Aus dieser interprofessionellen Kooperation erhoffen<br />
wir uns mehr Effektivität und Effizienz für<br />
die angestrebten Massnahmen, um schliesslich die<br />
beste Lösung für die Kinder und Jugendlichen erarbeiten<br />
zu können.<br />
Ziel bleibt stets, die Familie in ihren Bemühungen<br />
um das Wohl der Kinder zu unterstützen. Als mildeste<br />
Massnahme kann die Behörde zu konkreten<br />
Sachverhalten Weisungen erteilen. Mögliche Weisungen<br />
können sein: den Jugendlichen ambulant<br />
bei einem Sachverständigen untersuchen zu lassen<br />
(Arzt, Psychologe, Jugendsekretariat) oder das<br />
Kind für eine Tagesbetreuung in einem Kinderhort<br />
anzumelden, eine Aufgabenhilfe zu organisieren<br />
oder den Bereich Freizeitgestaltung auszubauen.<br />
Das Verhältnismässigkeitsprinzip verlangt die Prüfung<br />
solcher Massnahmen, bevor eine Gefährdungssituation<br />
definiert wird. Es kann aber sein,<br />
dass von vornherein eine Gefährdungssituation erkannt<br />
wird. Sie besteht dann, wenn mit Hilfe der<br />
familiären Bezugspersonen und/oder von Fachpersonen<br />
eines formalen Helfernetzes (zum Beispiel<br />
Sozialpädagogische Familienbegleitung [SPF],<br />
Schulsozialarbeiter oder Schülerhort usw.) eine Gefährdung<br />
des Kindes nicht abgewendet werden<br />
konnte. In diesem Moment muss die Behörde eingreifen.<br />
Die massgeschneiderten Massnahmen des<br />
neuen Rechts stellen sicher, dass nur so viel staatliche<br />
Betreuung wie nötig erfolgt.<br />
Bei einem Abklärungsaufenthalt in der <strong>Klinik</strong> <strong>Sonnenhof</strong><br />
werden die Kinder und Jugendlichen ins<br />
Zentrum gerückt, ihre Entwicklungschancen erkannt<br />
und Veränderungsprozesse angestossen. Wir<br />
haben die Aufgabe, an die Behörden und Beistände<br />
eine fachliche Beurteilung und Empfehlung abzugeben.<br />
Die empfohlenen Kindesschutzmassnahmen<br />
werden mit den Eltern und ihren Kindern<br />
oder Jugendlichen thematisiert. Sie müssen dafür<br />
sensibilisiert und mit den nötigen Informationen<br />
über die möglichen Unterstützungsangebote versorgt<br />
werden. Oft bestand bereits vor dem <strong>Klinik</strong>eintritt<br />
ein Helfernetz, welches mit dem Einverständnis<br />
der Betroffenen mit einbezogen wird.<br />
Wenn wir eine Massnahme wie eine Beistandschaft<br />
oder die Platzierung in einer geeigneten Institution<br />
empfehlen, geht es im Gespräch darum, tragende<br />
und nachhaltige Unterstützungsmassnahmen aufzuzeigen<br />
und weniger um die Konfrontation der<br />
Betroffenen mit ihren Schwächen. Wenn uns dieser<br />
Entscheidungsprozess gemeinsam mit Eltern und<br />
Kindern gelingt, besteht eine gute Basis für den<br />
Übergang in eine tragende Lebensumwelt. In der<br />
Regel bedarf es auch nach Austritt aus der <strong>Klinik</strong><br />
fachlicher Unterstützung und Betreuung.<br />
Ausblick<br />
Künftig wird der Beschluss einer Massnahme von<br />
einer Behörde gefasst, die aufgrund ihrer interdisziplinären<br />
Zusammensetzung verschiedene Blickwinkel<br />
bei der Beurteilung der schwierigen Situationen<br />
einbringen kann. Für die Minderjährigen<br />
ändert sich, dass die Schutz- und Unterstützungsmassnahmen<br />
zeitnah gesprochen werden können.<br />
Die Behörde sitzt täglich zusammen, entscheidet<br />
mindestens zweimal wöchentlich, und sie bieten<br />
einen 24-Stunden-Dienst an. Bei Notfällen ist also<br />
immer ein Behördenmitglied erreichbar, welches<br />
auch die Minderjährigen selbst anhört. Die gesprochenen<br />
Massnahmen müssen verhältnismässig<br />
und mit klaren Aufträgen an die Beistände verbunden<br />
sein. Die Entscheide werden von der KESB regelmässig<br />
auf ihre Notwendigkeit, Eignung und die<br />
Verhältnismässigkeit hin überprüft.<br />
Dies gilt auch für die fürsorgerische Unterbringung<br />
(FU). Die ärztliche Einweisung für eine FU fällt spätestens<br />
sechs Wochen nach ihrer Anordnung dahin,<br />
sofern kein Entscheid der KESB vorliegt. Die<br />
KESB muss durch den Arzt oder Amtsarzt über die<br />
Anordnung einer FU informiert werden. Dasselbe<br />
gilt auch für eine psychiatrische Einrichtung. Die<br />
betroffene Person muss den Unterbringungsentscheid<br />
erhalten und über die Rechtsmittel aufgeklärt<br />
werden.<br />
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Von grosser Tragweite wird die Professionalisierung<br />
der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde<br />
(KESB) sein. Sie setzt sich aus Juristinnen, Psychologinnen,<br />
Sozialarbeiterinnen und Pädagoginnen<br />
zusammen. Mit dem Sekretariat, der Sozialen Abklärungseinheit,<br />
einer Finanzverwaltung und Revisionsstelle<br />
bilden sie die sogenannte KES-Stelle, die<br />
für eine grössere Region zuständig ist. Das interdisziplinär<br />
zusammengesetzte Gremium soll dazu<br />
beitragen, einen Fall möglichst ganzheitlich zu betrachten.<br />
Die unterschiedlichen Herangehenswei-<br />
In der <strong>Klinik</strong> <strong>Sonnenhof</strong> ist es Aufgabe des <strong>Klinik</strong>sozialdienstes,<br />
den Betroffenen die entsprechende<br />
Verfügung zeitgerecht auszuhändigen, sie über die<br />
Rechtsmittelbelehrung, das Rekursrecht und das<br />
entsprechende Vorgehen sowie über die gültigen<br />
Fristen zu informieren.<br />
Regula Bärlocher<br />
Daniela Huber<br />
Monika Thum<br />
Sozialdienst <strong>Klinik</strong> <strong>Sonnenhof</strong><br />
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