neue mitte - KKV Bundesverband
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Auf ein Wort<br />
Mensch, bleib im Gleichgewicht<br />
Das <strong>KKV</strong>-Jahresthema gewinnt in einer schnelllebigen Zeit immer mehr an Bedeutung.<br />
Fotos: <strong>KKV</strong>/Tobias Gotthardt<br />
Liebe <strong>KKV</strong>erinnen und <strong>KKV</strong>er!<br />
Mensch bleib im Gleichgewicht<br />
– Mut zur Balance<br />
zwischen Arbeit und Freizeit.“<br />
So lautet unser <strong>neue</strong>s Schwerpunktthema.<br />
Wir haben damit ein<br />
Problem aufgegriffen, das in unserer<br />
schnelllebigen Zeit mehr und mehr an<br />
Bedeutung gewinnt. Dank der <strong>neue</strong>n<br />
Technologien schwindet die Grenze<br />
zwischen Privatleben und Arbeit.<br />
Immer mehr Menschen fühlen sich<br />
ausgebrannt und leer.<br />
Wie viele Arbeitnehmer werfen, bevor<br />
sie abends zu Bett gehen, noch einen<br />
letzten Blick auf ihr Smartphone beziehungsweise<br />
ihren Computer, ob ihr<br />
Chef nicht doch eine „wichtige“ E-Mail<br />
geschickt hat. Denn moderne Medien<br />
machen jeden (fast) überall erreichbar<br />
– privat, aber auch beruflich.<br />
Das verhindert das dringend nötige<br />
Abschalten. Ständige Erreichbarkeit<br />
hat wie alles im Leben natürlich seine<br />
zwei Seiten. So nützlich es im Einzelfall<br />
sein kann, dass man jederzeit<br />
erreichbar ist, so nervig und aufreibend<br />
ist es andererseits, wenn man ständig<br />
angerufen wird. Ich denke niemand –<br />
na ja, sagen wir kaum jemand – ist so<br />
wichtig und unersetzlich, dass er rund<br />
um die Uhr erreichbar sein muss. Sie<br />
kennen sicher den Loriot-Sketch „Szenen<br />
einer Ehe“, bei denen der Ehemann<br />
einfach nur sitzen will, während<br />
seine Ehefrau, „die den ganzen Tag hin<br />
und her rennt“, ihn dazu auffordert,<br />
etwas zu tun.<br />
Genau hier wird deutlich, dass der<br />
Mensch Phasen braucht, in denen er<br />
ausspannen, seine „Seele baumeln<br />
lassen“ kann – völlig zweckfrei und<br />
scheinbar nutzlos. Schon die alten<br />
Römer wussten das. So ist jedenfalls<br />
von Seneca überliefert: „Man sollte<br />
Recht auf Unerreichbarkeit<br />
sich Entspannung gönnen. Leistungsfähiger<br />
und lebhafter werden wir uns<br />
nach einer Ruhepause erheben.“ Und<br />
weil die Arbeit niemals aufhört, muss<br />
der Mensch immer wieder mit der<br />
Arbeit aufhören – zumindest im Urlaub<br />
und am Sonntag. Deshalb fordern wir<br />
eine „Kultur der Unerreichbarkeit“ als<br />
Teil einer <strong>neue</strong>n Arbeitsphilosophie.<br />
Wir appellieren deshalb an Arbeitgeber<br />
und Vorgesetzte, ihre Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter vor allem im Urlaub<br />
wirklich abschalten zu lassen. Jeder hat<br />
ein Recht auf Unerreichbarkeit – und<br />
das muss man auch akzeptieren. Nur so<br />
können die Mitarbeiter im Urlaub Zeit<br />
für sich und die Familie finden – und<br />
nach wenigen Wochen wieder richtig<br />
durchstarten. Das ist ein Gebot der<br />
Menschlichkeit und letztlich auch im<br />
Sinne der Arbeitgeber: Denn nur erholte<br />
Mitarbeiter sind auf Dauer leistungsfähig.<br />
Wir werben damit gleichzeitig für<br />
eine <strong>neue</strong> Arbeitseinstellung, die den<br />
Menschen in den Mittelpunkt stellt.<br />
Schließlich gibt es auch noch ein Leben<br />
jenseits der Arbeit! Im Rahmen unserer<br />
bundesweit angestoßenen Kampagne<br />
www.<strong>neue</strong>-arbeitskultur.de diskutieren<br />
wir auch darüber. Mit einem eigenen<br />
Plakatmotiv wirbt der Verband bereits<br />
seit längerem via facebook für die „Kultur<br />
der Unerreichbarkeit“.<br />
„In der Hektik der Zeit und in der Entfremdung<br />
von der Natur haben viele<br />
Menschen verlernt, Stille ‚auszuhalten’,<br />
geschweige denn sie zu genießen. In<br />
jeder kleinsten Wartepause werden sie<br />
zappelig, nervös, setzen sich Kopfhörer<br />
auf, lassen sich berieseln oder telefonieren<br />
miteinander“, so die Psychotherapeutin<br />
Dr. habil. Elisabeth Lukas.<br />
Dabei kommt das Bedürfnis nach<br />
Ruhe nicht von ungefähr. Nach dem<br />
Stressreport Deutschland 2012, den die<br />
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und<br />
Arbeitsmedizin erstellt hat, leiden gut<br />
die Hälfte der Befragten unter starkem<br />
Termin- und Leistungsdruck. Jeder<br />
Vierte hat Schlafstörungen und jeder<br />
Fünfte fühlt sich körperlich und emotional<br />
erschöpft.<br />
Auf das Wesentliche besinnen<br />
Gerade als Christen sollten wir uns auf<br />
das Wesentliche besinnen. In Abwandlung<br />
eines Werbeslogans könnten wir<br />
daher die Frage stellen: „Arbeitest Du<br />
noch, oder lebst Du schon?“ Es geht<br />
hier nicht um die Alternative Hängematte<br />
oder Schreibtisch, sondern um<br />
das rechte Maß. Wir leben nicht um zu<br />
arbeiten, sondern wir arbeiten um zu<br />
leben.<br />
Papst Franziskus hat es in seiner Begegnung<br />
mit den Bischöfen Brasiliens<br />
am 27. Juli auf den Punkt gebracht, als<br />
er sagte: „Die Suche nach dem immer<br />
Schnelleren zieht den Menschen von<br />
heute an: schnelles Internet, schnelle<br />
Autos, schnelle Flugzeuge, schnelle<br />
Beziehungen… Und doch spürt man<br />
ein verzweifeltes Bedürfnis nach Ruhe,<br />
ich möchte sagen nach Langsamkeit.<br />
Versteht die Kirche noch, langsam zu<br />
sein: in der Zeit, zuzuhören, in der<br />
<strong>neue</strong> <strong>mitte</strong> 03/13<br />
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