neue mitte - KKV Bundesverband
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Kirche und Gesellschaft<br />
Familienpolitik auf dem<br />
Prüfstand<br />
In Monheim sprach die Sozialetheikerin Prof. Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer über die Grundlagen<br />
einer Familienpolitik, die sich am Wohl der Familie und nicht an ihrer Funktionalität ausrichtet.<br />
Der nachstehende Beitrag ist eine Kurzfassung ihres Vortrages. Ihre kompletten Ausführungen<br />
finden Sie im Internet: www.kkv-bund.de unter der Rubrik „Zum Runterladen“.<br />
Fotos: privat<br />
F<br />
amilie hat einen Wert – ohne<br />
Zweifel. Kein Wahlkampf,<br />
kein Politikerstatement, keine<br />
ernstzunehmende unternehmensethische<br />
Überlegung ohne Verweis auf<br />
den Wert der Familie. Stichworte wie<br />
Humankapital, Eltern- und Betreuungsgeld<br />
sowie Kinderkrippe belegen<br />
es doch!<br />
Aber ist Familie auch ein Wert? Ist sie<br />
uns, ist sie der Gesellschaft wertvoll?<br />
Steht sie um ihres Selbstwertes oder<br />
um ihres ökonomischen Wertes willen<br />
im Mittelpunkt des Interesses?<br />
Aus christlich-theologischer Perspektive<br />
ist Familie die auf einer sakramental<br />
geschlossenen Ehe beruhende Lebensgemeinschaft<br />
von beiden Eltern mit<br />
ihren (heranwachsenden) Kindern. Das<br />
ist auch das normative Verständnis,<br />
das leitend ist für alle Überlegungen.<br />
Dabei muss natürlich auch das gesamte<br />
Spektrum dessen in den Blick genommen<br />
werden, was es in unserer pluralistischen<br />
Gesellschaft an vielfältigen<br />
Familienformen gibt, was bei einer<br />
Beschreibung der Realität in den Blick<br />
kommen muss.<br />
Man kann sich insgesamt des Eindrucks<br />
nicht erwehren, dass Familienpolitik,<br />
zu Beginn des 21. Jahrhunderts<br />
zum zentralen Punkt jedes politischen<br />
Programms geworden, in der Gefahr<br />
steht, aus Gründen der Opportunität<br />
und in Orientierung am herrschenden<br />
„Zeitgeist“ verzweckt und funktionalisiert<br />
zu werden (vgl. Genosko 1993).<br />
Zwar ist, so resümiert die Shell-Studie<br />
von 2010, Familie trotz aller Widrigkeiten<br />
immer noch die „Normalform“<br />
des Lebens, aber sie scheint durch die<br />
vielfältig zu beobachtenden Tendenzen<br />
in ihrer Substanz bedroht. Dabei meint<br />
Substanz ihren einmaligen Wert für<br />
die Gesellschaft, der sich eben nicht<br />
wirtschaftlich berechnen lässt, sondern<br />
vielmehr zu beschreiben ist mit Begriffen<br />
wie Liebe, Vertrauen, Rücksichtnahme,<br />
Hochherzigkeit und Großzügigkeit,<br />
Wärme und Hilfsbereitschaft.<br />
Hinsichtlich des Staates erklärt sich<br />
aus dieser Perspektive der unverzichtbaren<br />
Aufgabe, die die Familien für<br />
die Gesellschaft leisten, logisch der<br />
Schutzauftrag für Ehe und Familie<br />
Artikel 6 des Grundgesetzes, der den<br />
Staat verpflichtet, diese „Persongemeinschaften<br />
als Keimzellen jeder<br />
staatlichen Gemeinschaft zu achten<br />
und zu schützen und die Ehe und Familie<br />
durch geeignete Maßnahmen zu<br />
fördern sowie vor Beeinträchtigungen<br />
und Belastungen zu bewahren.“ (Kirchhof<br />
2003, 10)<br />
Familien brauchen Freiräume<br />
Die Familie darf also im Rahmen der<br />
Familienpolitik nicht zu einer ökonomisch<br />
oder politisch funktionalisierbaren<br />
oder funktionalisierten Größe<br />
werden. Familienpolitik kann es nur<br />
darum gehen, den Familien Freiräume<br />
zur Entscheidung zu eröffnen und Rahmenbedingungen<br />
so zu gestalten, dass<br />
Entscheidungen für Kinder ermöglicht<br />
werden.<br />
In der gegenwärtigen Debatte um den<br />
angemessenen Weg und die nachhaltige<br />
Gestaltung der Familienpolitik lassen<br />
sich zwei sehr gegensätzliche Antworten<br />
ausmachen: Die eine geht davon<br />
aus, dass Familie eine „reine Privatangelegenheit“<br />
ist, mit deren Gelingen<br />
und Gestalten die Gesellschaft nichts<br />
zu tun hat. Für die zweite Antwort lässt<br />
sich zusammenfassend die Aussage<br />
des früheren SPD-Generalsekretärs<br />
Olaf Scholz zitieren, der für den Staat<br />
die „Lufthoheit über den Kinderbetten“<br />
forderte, um die Familie dem<br />
politischen Kalkül des Staates und der<br />
Gesellschaft zu unterwerfen.<br />
Aus der Perspektive einer christlichen<br />
Soziallehre sind beide Positionen zu<br />
einseitig und so nicht haltbar. In diesem<br />
Kontext erweist sich das Subsidiaritätsprinzip<br />
als äußerst hilfreiches<br />
Instrument zur angemessenen Verhältnisbestimmung<br />
zwischen Familie,<br />
Gesellschaft und Staat und damit auch<br />
zur Bestimmung eines angemessenen<br />
Verständnisses von Familienpolitik.<br />
Subsidiärer Familienpolitik kann es<br />
mithin keinesfalls darum gehen, dass<br />
der Staat möglichst umfassend die<br />
Aufgaben, die genuine Aufgaben der<br />
Familie sind und die sie selber erledigen<br />
kann, für die Familie übernimmt<br />
und erledigt. Umfassende Aufgabe<br />
einer subsidiären Familienpolitik ist es<br />
vielmehr, das eigenständige Handeln<br />
der Familien durch angemessene Rahmenbedingungen<br />
zu ermöglichen und<br />
zu sichern. Demzufolge – und damit<br />
ist eine weitere sozialethische Vorgabe<br />
formuliert – kann es nicht Aufgabe<br />
staatlicher subsidiärer Familienpolitik<br />
sein, nur ein einziges Lösungsmodell<br />
der Vereinbarkeitsproblematik ausschließlich<br />
zu fördern und damit in<br />
logischer Konsequenz alle anderen<br />
Lösungen minder zu bewerten oder<br />
sogar zu bestrafen.<br />
<strong>neue</strong> <strong>mitte</strong> 03/13<br />
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