neue mitte - KKV Bundesverband
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Kirche und Gesellschaft<br />
Was hält Europa zusammen?<br />
Die Sozialethischen Gespräche der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle in<br />
Mönchengladbach analysierten das europäische Gesellschaftsmodell: Das Christentum bleibt<br />
die Grundlage des Zusammenlebens auf dem alten Kontinent.<br />
D<br />
ie Gedanken, dass der<br />
weitere Ausbau des Hauses<br />
Europa nur gemeinschaftlich<br />
bewältigt werden kann, dass die<br />
Solidarität für Europa essentiell ist<br />
und die Diskussion über die Rolle des<br />
Christentums in einem zunehmend<br />
säkularisierten Europa standen bei<br />
den Sozialethischen Gesprächen der<br />
Katholischen Sozialwissenschaftlichen<br />
Zentralstelle (KSZ) Mönchengladbach<br />
in Kooperation mit der Kommission der<br />
Bischofskonferenzen der Europäischen<br />
Gemeinschaft (COMECE) am 14. und<br />
15. Juni im Fokus. „Was hält Europa zusammen?“<br />
lautete der Titel dieser mit<br />
hochkarätigen Referenten besetzten<br />
Veranstaltung, bei der das europäische<br />
Gesellschaftsmodell in sehr differenzierter<br />
Weise analysiert wurde.<br />
Für den <strong>KKV</strong> nahmen neben dem<br />
Geistlichen Beirat als Veranstalter auch<br />
Bundesvorsitzender Bernd-M. Wehner<br />
und Bundesgeschäftsführer Joachim<br />
Hüpkes sowie der Münsteraner <strong>KKV</strong>-<br />
Geschäftsführer Norbert Gebker und<br />
der Monheimer Vorsitzende Heribert<br />
Süß und seine Frau teil.<br />
Europa ist unteilbar<br />
Monsignore Professor Dr. Peter Schallenberg,<br />
Direktor der KSZ, stellte in<br />
seiner Begrüßung fest, dass der Zusammenhalt<br />
Europas ein langer Prozess sei.<br />
Dabei sind zentrale Fragen entscheidend:<br />
„Welche Geschichten und Mentalitäten<br />
formen Europa?“ und „Was ist<br />
mit dem Projekt, wie es die Gründerväter<br />
Europas, wie Schuman, de Gasperi<br />
und Adenauer einst ins Werk gesetzt<br />
haben, gemeint?“. Sehr berühmt sei<br />
die vielfach zitierte Forderung Papst<br />
Johannes Pauls II. „Europa muss mit<br />
zwei Lungenflügeln atmen“, womit dieser<br />
zum Ausdruck gebracht habe, dass<br />
Osteuropa und Westeuropa untrennbar<br />
zusammengehörten. „Wir müssen als<br />
Zeugen Christi unsere Verantwortung<br />
in Europa wahrnehmen“, forderte der<br />
Apostolische Nuntius in Deutschland,<br />
Jean-Claude Périsset, mit Vehemenz.<br />
Er hob die Bedeutung der Einheit der<br />
Universalkirche hervor.<br />
Die Christliche Sozialethik habe<br />
einen erheblichen Teil ihrer Wurzeln<br />
in Deutschland. So hätten die Enzykliken<br />
„Rerum novarum“ Papst Leos<br />
XIII. (1891), die richtungsweisend<br />
gewesen sei und der christlich-sozialen<br />
Bewegung eine enorme Schubkraft<br />
gegeben habe, und die „Caritas in<br />
veritate“ (2009) Papst Benedikt XVI.,<br />
eine herausragende Bedeutung erlangt.<br />
Wichtig sei für jeden Christen die<br />
Erfüllung der irdischen Pflichten – und<br />
dies im Geiste des Evangeliums. Daher<br />
seien der Würde von Ehe und Familie,<br />
die Menschenwürde, die Förderung von<br />
Kultur, Wirtschaft und der politischen<br />
Gemeinschaft besonders wichtig.<br />
Jeder Menscht hat ein Gespür<br />
dafür, was für ihn gut ist<br />
Professor Dr. Rémi Brague von der<br />
Sorbonne-Universität in Paris warnte<br />
vor dem Gebrauch des Begriffs „Werte“.<br />
Dieser Begriff werde seit einigen<br />
Jahren in katholischen Kreisen diskutiert,<br />
sei aber eigentlich von Friedrich<br />
Nietzsche aufgebracht worden. Einen<br />
Wert könne man beimessen oder auch<br />
wieder aberkennen. Man solle vielmehr<br />
von dem Guten sprechen. Jeder<br />
Mensch habe ein Gespür, was für ihn<br />
gut sei. „Gott gibt jedem Geschöpf je<br />
nach seiner Stufe auf der Leiter des<br />
Bestehenden, das, was es zu seinem<br />
Guten braucht“, so Brague.<br />
Der polnische Botschafter in Deutschland<br />
Dr. Marek Prawda beschrieb<br />
Europa als Wertegemeinschaft, wobei<br />
auch die Partnerschaft mit weiteren<br />
beitrittswilligen Ländern Osteuropas,<br />
wie der Moldawien, Georgien und der<br />
Ukraine wichtig sei. Schon 1965, so<br />
Prawda, hätten die katholische Kirche<br />
Polens und Deutschlands ihre Versöhnungsbotschaft<br />
besprochen. „Die ist<br />
ein Zeichen, dass es, wenn wir zu dieser<br />
Gemeinschaft gehören, auch möglich<br />
ist, solche Aufgaben zu bewältigen und<br />
bilaterale Krämpfe zu lösen.“ Durch die<br />
Mitgliedschaft in einer Wertegemeinschaft,<br />
so Prawda, gestalteten Länder<br />
ihre bilateralen Beziehungen anders<br />
und könnten so gemeinsame Interessen<br />
erreichen.<br />
Politik muss jetzt <strong>neue</strong><br />
Strukturen gestalten<br />
Henning vom Stein, Senior Manager<br />
des Programms Europas Zukunft der<br />
Bertelsmann-Stiftung, erklärt in einem<br />
Vortrag zum Thema „Das Projekt der<br />
europäischen Einigung am Scheideweg?“,<br />
dass die europäischen Märkte<br />
weiter seien als Politiker. So hätten sie<br />
den Zerfall des Euro schon eingepreist,<br />
und ein Finanzier habe ihm gegenüber<br />
erklärt „Was jetzt noch mit Griechenland<br />
passiert, ist nicht mehr so relevant.“<br />
Wichtig sei die Entflechtung der<br />
Politik vom Nationalen. Politik müsse<br />
jetzt <strong>neue</strong> Strukturen gestalten. Als<br />
Nachteil beschrieb er, dass es nur Parteien<br />
auf nationaler Ebene gebe, aber<br />
keine europäischen Parteien.<br />
Dr. Stephen Bartulica aus Kroatien<br />
verwies auf den englischen Kulturhistoriker<br />
Christopher Dawson, der bereits<br />
1932 in seinem Buch „The Making of<br />
Europe“ die Vision aufgestellt habe,<br />
dass Kultur und Religion zusammengehörten,<br />
dass Europa weder geographisch<br />
noch hinsichtlich Ethnie oder<br />
Sprache abgrenzbar sei und dass Europa<br />
auf dem Christentum gründe.<br />
<strong>KKV</strong>/C. Dick<br />
8 <strong>neue</strong> <strong>mitte</strong> 03/13