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„Wir sind<br />
wie sehr liberale Eltern...“<br />
Gabby Young lebt in ihrer eigenen Welt. Gleiches tun zwar so viele, dass<br />
dieser Ausdruck längst zur Floskel verkommen ist – aber Gabbys Welt<br />
ist schöner als die meisten anderen. Mit ihrem „Circus Swing“ verdreht<br />
sie uns auf nunmehr drei Alben den Kopf, legt einen facettenreichen<br />
Kosmos zwischen Cabaret, Zirkusmanege, Hippiekommune und einer<br />
Party auf dem Anwesen von Jay Gatsby vor. Wir sprachen mit der<br />
extravaganten Britin nach einer langen Nacht beim SXSW in Austin,<br />
Texas.<br />
<strong>Orkus</strong>: Dein neues Werk heißt One Foot In Front Of The Other. Ist das ein Titel,<br />
der auch auf deine Karriere zutrifft?<br />
Gabby Young: Jetzt, wo ich darüber nachdenke, trifft das tatsächlich zu, ja.<br />
Es heißt nicht deswegen so, doch oft beruhigte ich mich damit, stets einen Fuß<br />
vor den anderen zu setzen. Das war ohnehin eine der wichtigsten Lektionen, die<br />
ich als Künstlerin lernte: Alles mit der nötigen Ruhe sehen und eines nach dem<br />
anderen anpacken. Risiken einzugehen und ins kalte Wasser zu springen, gehört<br />
allerdings auch dazu.<br />
O: Ich könnte mir vorstellen, dass es einer umtriebigen Künstlerin wie dir relativ<br />
schwerfällt, alles mit der nötigen Ruhe zu betrachten...<br />
GY: Da liegst du nicht falsch. Man sagt mir ständig, ich soll mal Urlaub machen,<br />
doch ich glaube, ich würde es hassen. (lacht) Am glücklichsten bin ich eigentlich,<br />
wenn ich beschäftigt bin. Ich beginne mich sonst sehr schnell zu langweilen. Ab<br />
und an ist es aber ganz gut, dass es jemanden gibt, der mich daran erinnert, dass<br />
ich irgendwann auch schlafen oder essen muss.<br />
O: Worum geht es dann beim Titel des neuen Albums?<br />
GY: Das Album dreht sich darum, wie ich von einer verwundbaren Einzelgängerin<br />
zu jemandem heranreife, die viele enge Vertraute hat. Anfangs setze ich allein<br />
einen Fuß vor den anderen, nach und nach kommen weitere Füße hinzu, die<br />
diesen Weg gemeinsam mit mir gehen. Es gibt eine religiöse Geschichte, in der<br />
ein Mann durch die Wüste läuft. Nach einer besonders harten Zeit fragt er seinen<br />
Gott, warum er keine Fußspuren im Sand hinterlassen hat. Sein Gott sagt ihm,<br />
dass er dort keine Spuren sieht, weil er ihn getragen hat. Ich bin kein religiöser<br />
Mensch, doch genau darum geht es auf dem Album: füreinander da zu sein, sich<br />
umeinander zu kümmern. Nächstenliebe.<br />
O: Fiel es dir schwer, dich „tragen“ zu lassen, dir helfen zu lassen?<br />
GY: Anfangs sogar sehr. Ich war zu Beginn meiner Karriere sehr dickköpfig,<br />
wollte unbedingt alles alleine schaffen. Inzwischen habe ich jedoch eingesehen,<br />
18 - <strong>Orkus</strong>!