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Isabella von Ägypten - Universität Heidelberg

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ergibt sich „eine Art Sakralkönigtum“ 60 als ideale Verwirklichung eines feudal-monarchisti-<br />

schen Systems, wie es Arnim vorschwebte. Das Volk ist <strong>Isabella</strong> treu ergeben und sie wendet<br />

sich im Gegenzug am Ende ganz der Aufgabe als Herrscherin zu und verzichtet auf persönli-<br />

ches Glück.<br />

Ein Aspekt, der sich aus dem Ideal der Feudalgesellschaft und des Christentums ableitet und der<br />

besonders hervorgehoben wird, sind die antikapitalistischen Züge der Zigeunergesellschaft. Ar-<br />

nim stützt sich hier auf die verbreitete Auffassung <strong>von</strong> den Zigeunern als Vertretern einer anti-<br />

bürgerlichen Lebensart. Diese Antibürgerlichkeit wird jedoch positiv gewertet und fungiert als<br />

Gegenbild zur materialistischen und kapitalistischen Gesellschaft, die Arnim kritisiert. Deutlich<br />

wird diese Idealisierung in der Charakterisierung <strong>Isabella</strong>s im Gegensatz zu Karl: „Was galt ihr<br />

seine Klugheit, wie er den Reichtum sich verbinden und benutzen wollte; sie kannte nur die<br />

Herrlichkeit der Armut, die alles besitzt, weil sie alles verschmähen kann: sie kannte nur ihr<br />

Volk, das jede Bezahlung <strong>von</strong> ihren Herrschern verschmähte und jede Tat für sie als höchsten<br />

Gewinn achtete.“ (IÄ, S. 734) Nicht nur <strong>Isabella</strong> selbst, sondern das ganze Volk der Zigeuner<br />

ist über den Materialismus erhaben.<br />

Arnim legt also bei der Darstellung der Zigeuner deutlich weniger Wert auf historische Korrekt-<br />

heit als bei der Beschreibung <strong>von</strong> Karls Welt. Obgleich er historische Zeugnisse verwendet,<br />

übernimmt er nur die Aspekte, die zur Stilisierung der Zigeuner zum Idealvolk und zur Ge-<br />

gengesellschaft geeignet sind. 61 Insbesondere die Ursprungssage hat durch die direkte Ver-<br />

knüpfung mit der biblischen Geschichte Merkmale einer Legende. Sie steht fast unmittelbar am<br />

Anfang der Erzählung und liefert die grundlegende Charakterisierung des Volkes. So ist <strong>von</strong><br />

vornherein ein legendenhafter, nicht realistischer Status für das Volk der Zigeuner geschaffen.<br />

Gleichzeitig werden die Zigeuner mit der Poesie in Bezug gesetzt, was sich schon im Vorwort<br />

der Novellensammlung, der „Anrede an meine Zuhörer“, zeigt: Der Erzähler berichtet dort, wie<br />

er, <strong>von</strong> Pegasus auf einen Berggipfel getragen, die „märchenhaften Geschichten“, die er erzäh-<br />

len wird, „droben im Gebirge einem Zigeuner abhörte.“ 62<br />

60. Kugler: Kunst-Zigeuner, S. 123.<br />

61. Die Zigeuner, wie Arnim sie darstellt, haben einiges mit einer anderen Randgruppe gemeinsam,<br />

den Juden: Status als altes, heimatloses Volk, Wandern aus religiöser Schuld (Ahasver-Mythos)<br />

und Messiasgedanke. Das Volk der Juden jedoch wird in der Erzählung konsequent als negativer<br />

Gegenpol zum Idealvolk der Zigeuner aufgebaut. Den Juden wird Mitschuld an der Versündigung<br />

und späteren Verfolgung der Zigeuner zugeschoben (siehe IÄ, S. 624) und die antisemitischen<br />

Züge lassen sich auch im weiteren Verlauf der Erzählung nicht übersehen. Am offensichtlichsten<br />

sind sie bei der Schöpfung des Golems, dessen negative Eigenschaften „Hochmut, Wollust und<br />

Geiz“ (IÄ, S. 689) auf seinen jüdischen Schöpfer zurückgeführt werden. Durch ihre Religionszugehörigkeit<br />

sind die Juden vom Christentum, das in der Erzählung als entscheidende moralische Instanz<br />

gilt, am weitesten entfernt. Geldgier und Materialismus werden als typisch jüdische Eigenschaften<br />

bezeichnet, womit Arnim die bekannten Klischees bedient. Beide Minderheiten, die Zigeuner<br />

wie die Juden, werden also nicht als ‚normale‘ Menschen behandelt, sondern zu Prinzipien<br />

stilisiert (siehe hierzu auch Kugler: Kunst-Zigeuner, S. 136-141).<br />

62. Arnim: Werke in 6 Bänden (Bd. 3), S. 619.<br />

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