Isabella von Ägypten - Universität Heidelberg
Isabella von Ägypten - Universität Heidelberg
Isabella von Ägypten - Universität Heidelberg
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
einzufügen, wozu er eine besondere Begabung hat: „Es war, als habe er schon einmal gelebt, so<br />
schnell wurde er durch eine kurze Erinnerung mit allen menschlichen Verhältnissen bekannt.“<br />
(IÄ, S. 649) Im Gegensatz zum Golem, der sich hinter der Identität <strong>Isabella</strong>s verbirgt, muss der<br />
Alraun jedoch als ‚er selbst‘ auftreten. Seine körperlichen Merkmale widersprechen der Men-<br />
schenrolle und sind der sichtbare Ausdruck für seine Doppelnatur. Er ist nur „etwa drei einen<br />
halben Fuß hoch“ (IÄ, S. 648) und hat eine „eingekerbte Wurzelhaut“, <strong>von</strong> der er vorgibt, sie<br />
sei „vernarbt“ (IÄ, S. 667). Zu seinem Versuch, sich in die Gesellschaft einzufügen, gehört<br />
auch das Anlegen menschlicher Kleidung. Seine erste Verkleidung, die er beim Treffen mit<br />
Braka trägt, ist noch nur nach Pracht, ohne Beachtung der gesellschaftlichen Bekleidungskon-<br />
ventionen ausgewählt: Er trägt „ein silbergesticktes altes Faltenkleid <strong>von</strong> Bellas Mutter“ (IÄ, S.<br />
648). Bei Frau Nietken wird er dann wie der Rest der Gruppe verkleidet, um als Adliger aufzu-<br />
treten – was allerdings bei ihm am wenigsten überzeugend gelingt (siehe IÄ, S. 664). Das Klei-<br />
dertragen bleibt für ihn immer eine Verkleidung, er wirkt wie „ein menschlich angezogener<br />
Affe“ (IÄ, S. 660).<br />
Neben der tatsächlichen Verkleidung vollzieht der Alraun auch eine ‚geistige‘ Verkleidung, in-<br />
dem er gemäß der gesellschaftlichen Regeln ausgebildet wird. In Gent durchläuft er eine ‚Bil-<br />
dungsphase‘, ebenso wie sein Heranwachsen ein Zerrbild der menschlichen Entwicklung und<br />
Erziehung, um in die Rolle eines Adligen eintreten zu können und lernt die obligatorischen<br />
Künste Fechten, Reiten und Rhetorik. Dabei liegen seine Defizite vor allem im körperlichen<br />
Bereich. „Der Herr Cornelius befand sich am schlechtesten bei seinem neuen Stande, die enge<br />
Kleidung wollte ihm gar nicht behagen und das Fechtenlernen machte ihn zum Umsinken<br />
müde.“ (IÄ, S. 666) Auch das Reiten macht ihm Mühe, während er sich in der Rhetorik beson-<br />
ders hervortut. Die Sprache sind für ihn ebenfalls eine Verkleidung und wie der Golem ahmt er<br />
sie nach ohne dahinter liegende Substanz: „Er konnte den meisten Leuten geschickt in ihrer<br />
Sprache nachreden, hatte aber keine eigene Sprache [...].“ (IÄ, S. 666) Gerade seine negativen<br />
Charakterzüge helfen ihm – genau wie dem Golem – bei der Integration in die Gesellschaft. Er<br />
besitzt Rücksichtslosigkeit, Schlagfertigkeit und Manipulationskraft, sowie die Macht, Geheim-<br />
nisse zu ergründen und nutzbar zu machen: „[S]ein boshafter Wille, der manches Versteckte mit<br />
ahndendem Auge auffassen konnte, [machte ihm] eine Menge Bekannte, die ihn in Schutz<br />
nahmen und alle Leute auf den Fuß mit ihm setzten, daß dem Kleinen nichts übel zunehmen sei<br />
[...].“ (IÄ, S. 666) Er gleicht also seine verräterischen Defizite zum Teil aus, doch seine Akzep-<br />
tanz ist nie so vollständig wie die des Doppelgänger-Golems. Auch wenn er sich nicht bewusst<br />
zu sein scheint, dass sein Aussehen ihn lächerlich erscheinen lässt („Ach, seufzte Braka heim-<br />
lich, der ist auch einer <strong>von</strong> den Bucklichten, die nicht begreifen können, womit sie ihre Hemden<br />
zerreiben [...].“ IÄ, S. 650f.), empfindet er doch, dass etwas in seiner Natur ihn in seinem Stre-<br />
ben nach Erfolg in der menschlichen Gesellschaft hemmt: „[O]ft kommt es mir vor, als wenn<br />
böse Zauberer der wahren Verwandlung meines Lebens entgegenstreben.“ (IÄ, S. 682)<br />
- 50 -