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Isabella von Ägypten - Universität Heidelberg

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‚Welt, die durchaus die unsre ist‘, in Zweifel (genauer gesagt: deren Naturgesetze), setzt sie tat-<br />

sächlich eine innerliterarische Normrealität in Zweifel, die zumeist realistischer Konventions-<br />

prägung ist [...].“ 11 Diese realistische Konventionsprägung muss die Normrealität aber nicht<br />

zwangsläufig besitzen – es ist ausreichend, dass sie innerhalb des Textes als Norm und Bezugs-<br />

system gilt. Das Übernatürliche – die Abweichung <strong>von</strong> der fiktionsexternen Welt – ist folglich<br />

nach Dursts Theorie nicht genredefinierend für das Phantastische.<br />

Trotzdem kann auch Durst nicht ohne einen Realitätsbegriff auskommen, denn an etwas muss<br />

auch die Qualität der innerliterarischen Normrealität gemessen werden. Aufgrund seiner Ableh-<br />

nung fiktionsexterner Kriterien kann dessen Definition nur ex negativo geschehen: „Als realis-<br />

tisch sei fürderhin ein Text bezeichnet, der die immanente Wunderbarkeit seiner Verfahren ver-<br />

birgt.“ 12 Das Wunderbare selbst sei nämlich „stets eine parodistische Bloßlegung künstlerischer<br />

Verfahren.“ 13 Übernatürliche Elemente versteht Durst als explizit gemachte Entsprechungen li-<br />

terarischer Techniken, deren „immanente Wunderbarkeit durch Traditionsbildung unkenntlich<br />

geworden ist.“ 14 Gedankenlesen z.B. mache das Verfahren der auktorialen Erzählhaltung expli-<br />

zit und das Vorhersagen der Zukunft die Technik der Vorausdeutung. 15<br />

Nach dieser Betrachtung des Realitätsbegriffs aus Dursts strukturalistischer, fiktionsinterner<br />

Perspektive sollen zusätzlich Peter Blumes Überlegungen zur Phantastik dargestellt werden, die<br />

<strong>von</strong> kognitionswissenschaftlichen Erkenntnissen ausgehen.<br />

Laut der kognitiven Linguistik referieren sprachliche Konzepte nicht direkt auf Objekte in der<br />

Welt, sondern auf das, was im menschlichen Geist an Vorstellungen vorhanden ist. Für Sprache<br />

und Kommunikation ist es unabdingbar, dass zwischen den Gesprächspartnern eine deutliche<br />

Überschneidung vorliegt, was diese Vorstellungen (oder Konzepte) angeht, da der Sprecher bei<br />

jeder Äußerung Wissen beim Hörer voraussetzt. Insofern kann man auch <strong>von</strong> einer Menge <strong>von</strong><br />

Vorstellungen und Konzepten ausgehen, die <strong>von</strong> den Individuen einer Sprachgemeinschaft<br />

(oder bei größerer Spezialisierung einer Untergruppe der Sprachgemeinschaft) geteilt werden,<br />

dem so genannten belief system. 16 Vor dem Hintergrund des belief systems, das zur Entstehungs-<br />

zeit eines literarischen Textes herrscht, kann entschieden werden, wo Konzepte aktiviert wer-<br />

den, die ein Abbild der vertrauten Realität hervorrufen und wo sich Widersprüche ergeben.<br />

Ausgehend <strong>von</strong> dieser Überlegung definiert Blume den realistisch-fiktionalen Diskurs sowie<br />

zwei Arten des phantastischen Diskurses, den phantastisch-fiktionalen Diskurs im engeren Sin-<br />

ne und den kontrafaktisch-phantastischen Diskurs. 17 Es ist zu beachten, dass hier nicht Gattun-<br />

11. Durst: Theorie der phantastischen Literatur, S. 87.<br />

12. Durst: Theorie der phantastischen Literatur, S. 96f.<br />

13. Durst: Theorie der phantastischen Literatur, S. 97.<br />

14. Durst: Theorie der phantastischen Literatur, S. 241.<br />

15. Siehe Durst: Theorie der phantastischen Literatur, S. 70 und S. 75.<br />

16. Siehe Blume: Fiktion und Weltwissen, S. 58-62.<br />

17. Siehe Blume: Fiktion und Weltwissen, S. 138-144.<br />

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