Isabella von Ägypten - Universität Heidelberg
Isabella von Ägypten - Universität Heidelberg
Isabella von Ägypten - Universität Heidelberg
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
‚Welt, die durchaus die unsre ist‘, in Zweifel (genauer gesagt: deren Naturgesetze), setzt sie tat-<br />
sächlich eine innerliterarische Normrealität in Zweifel, die zumeist realistischer Konventions-<br />
prägung ist [...].“ 11 Diese realistische Konventionsprägung muss die Normrealität aber nicht<br />
zwangsläufig besitzen – es ist ausreichend, dass sie innerhalb des Textes als Norm und Bezugs-<br />
system gilt. Das Übernatürliche – die Abweichung <strong>von</strong> der fiktionsexternen Welt – ist folglich<br />
nach Dursts Theorie nicht genredefinierend für das Phantastische.<br />
Trotzdem kann auch Durst nicht ohne einen Realitätsbegriff auskommen, denn an etwas muss<br />
auch die Qualität der innerliterarischen Normrealität gemessen werden. Aufgrund seiner Ableh-<br />
nung fiktionsexterner Kriterien kann dessen Definition nur ex negativo geschehen: „Als realis-<br />
tisch sei fürderhin ein Text bezeichnet, der die immanente Wunderbarkeit seiner Verfahren ver-<br />
birgt.“ 12 Das Wunderbare selbst sei nämlich „stets eine parodistische Bloßlegung künstlerischer<br />
Verfahren.“ 13 Übernatürliche Elemente versteht Durst als explizit gemachte Entsprechungen li-<br />
terarischer Techniken, deren „immanente Wunderbarkeit durch Traditionsbildung unkenntlich<br />
geworden ist.“ 14 Gedankenlesen z.B. mache das Verfahren der auktorialen Erzählhaltung expli-<br />
zit und das Vorhersagen der Zukunft die Technik der Vorausdeutung. 15<br />
Nach dieser Betrachtung des Realitätsbegriffs aus Dursts strukturalistischer, fiktionsinterner<br />
Perspektive sollen zusätzlich Peter Blumes Überlegungen zur Phantastik dargestellt werden, die<br />
<strong>von</strong> kognitionswissenschaftlichen Erkenntnissen ausgehen.<br />
Laut der kognitiven Linguistik referieren sprachliche Konzepte nicht direkt auf Objekte in der<br />
Welt, sondern auf das, was im menschlichen Geist an Vorstellungen vorhanden ist. Für Sprache<br />
und Kommunikation ist es unabdingbar, dass zwischen den Gesprächspartnern eine deutliche<br />
Überschneidung vorliegt, was diese Vorstellungen (oder Konzepte) angeht, da der Sprecher bei<br />
jeder Äußerung Wissen beim Hörer voraussetzt. Insofern kann man auch <strong>von</strong> einer Menge <strong>von</strong><br />
Vorstellungen und Konzepten ausgehen, die <strong>von</strong> den Individuen einer Sprachgemeinschaft<br />
(oder bei größerer Spezialisierung einer Untergruppe der Sprachgemeinschaft) geteilt werden,<br />
dem so genannten belief system. 16 Vor dem Hintergrund des belief systems, das zur Entstehungs-<br />
zeit eines literarischen Textes herrscht, kann entschieden werden, wo Konzepte aktiviert wer-<br />
den, die ein Abbild der vertrauten Realität hervorrufen und wo sich Widersprüche ergeben.<br />
Ausgehend <strong>von</strong> dieser Überlegung definiert Blume den realistisch-fiktionalen Diskurs sowie<br />
zwei Arten des phantastischen Diskurses, den phantastisch-fiktionalen Diskurs im engeren Sin-<br />
ne und den kontrafaktisch-phantastischen Diskurs. 17 Es ist zu beachten, dass hier nicht Gattun-<br />
11. Durst: Theorie der phantastischen Literatur, S. 87.<br />
12. Durst: Theorie der phantastischen Literatur, S. 96f.<br />
13. Durst: Theorie der phantastischen Literatur, S. 97.<br />
14. Durst: Theorie der phantastischen Literatur, S. 241.<br />
15. Siehe Durst: Theorie der phantastischen Literatur, S. 70 und S. 75.<br />
16. Siehe Blume: Fiktion und Weltwissen, S. 58-62.<br />
17. Siehe Blume: Fiktion und Weltwissen, S. 138-144.<br />
- 8 -