31.10.2012 Aufrufe

Isabella von Ägypten - Universität Heidelberg

Isabella von Ägypten - Universität Heidelberg

Isabella von Ägypten - Universität Heidelberg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

der Toten, zu denen der Bärnhäuter gehört, zum Bereich der Lebenden.<br />

Die Fortentwicklung des Bärnhäuters ist aufschlussreich: Arnim lässt ihn eine ‚Doppelnatur‘<br />

entwickeln. Indem er sich in der neuen Realität, der Welt der Lebenden, bewegt und Nahrung<br />

zu sich nimmt – also sich einen Teil <strong>von</strong> ihr anverwandelt – entwickelt sich ein „Streit zwischen<br />

dem lebenden und verstorbenen Körper in ihm [...]: sein verstorbener Leib rechnete sich zu<br />

Herrn Cornelius, sein neulebender war ganz der Frau Braka und der schönen Bella ergeben<br />

[...].“ (IÄ, S. 672) Seine lebendige Umgebung bzw. das neue Realitätssystem, in dem er sich be-<br />

wegt, färbt also auf ihn ab und integriert ihn – allerdings nur unvollständig. Diese Teilintegra-<br />

tion, die hier besonders bildlich vorgeführt wird, lässt sich genauso bei den beiden anderen Fi-<br />

guren, Alraun und Golem, feststellen. Die Zuordnung des Alrauns zum Tod und die Brakas und<br />

Bellas zum Leben zeigt den grundlegenden Unterschied, den Arnim zwischen den Zigeunerfi-<br />

guren und der phantastischen Figur macht. Allerdings steht bei der Unterscheidung nicht der<br />

Realitätsstatus, sondern die Bewertung im Vordergrund – weder <strong>Isabella</strong> noch der Alraun sind<br />

ganz ‚realistisch‘, <strong>Isabella</strong> verkörpert jedoch ein positives, lebensspendendes Prinzip, der Al-<br />

raun dagegen ein negatives, lebensfeindliches. Der Bärnhäuter gehört, als toter Mensch, eigent-<br />

lich derselben Domäne an wie der Alraun, doch gewinnt er die oben beschriebene Ambivalenz,<br />

die soweit geht, dass die Wesensteile sogar mit verschiedenen Stimmen sprechen (siehe IÄ, S.<br />

728). Seine Loyalitäten negieren sich gegenseitig, so dass vor Gericht „sein Zeugnis [...] in Null<br />

aufging“ (IÄ, S. 728). Damit wird der Bärnhäuter auch zur Mittlerfigur zwischen der Normrea-<br />

lität, zu der auch <strong>Isabella</strong> gehört, und der Ebene der phantastischen Figuren. Es ist typisch für<br />

die Erzählung, dass dabei nicht der Widerstreit verschiedener Realitäten, sondern der verschie-<br />

dener Prinzipien in den Vordergrund gestellt wird.<br />

Eine weitere Funktion der Bärnhäuterfigur ist die der Spiegelung. Wie es nicht ungewöhnlich<br />

ist für eine Dienerfigur, kann auch der Bärnhäuter als das Zerrbild eines Herrn gesehen werden,<br />

und zwar Karls, mit dem er als einzige phantastische Figur keinen direkten Kontakt hat. Die<br />

Doppelnatur des Bärnhäuters spiegelt Karls Unentschlossenheit, der sich mehrmals <strong>Isabella</strong> an-<br />

nähert, um sich dann doch wieder zu entfernen. Karl flieht vor <strong>Isabella</strong> als Gespenst, will sie<br />

dann aber wieder sehen, erliegt der Täuschung durch den Golem und überwindet sie, verfällt<br />

aber letztendlich dem Alraun: ein Schwanken zwischen Leben und Poesie einerseits und Tod<br />

und Geld andererseits. Die Ruhelosigkeit des Bärnhäuters, zu der er am Ende der Erzählung<br />

vom Alraun verdammt wird (siehe IÄ, S. 728), und die an das Schicksal des ‚Ewigen Juden‘ er-<br />

innert, ist eine Parallele zu Karls Unrast, die diesen in seinem späteren Leben plagt. Sogar im<br />

lauten, polternden Auftreten sind sich Karl und der Bärnhäuter ähnlich. 90<br />

Die Bärhäutersage selbst kann ebenfalls als Kommentar zur Gesamterzählung gelesen werden.<br />

90. Siehe Neumann: Legende, Sage und Geschichte, S. 308.<br />

- 38 -

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!