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in Düsseldorf - Evangelische Kirche im Rheinland

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Über alle Grenzen<br />

E<strong>in</strong> Meditationslehrer und e<strong>in</strong> Astronaut<br />

über den S<strong>in</strong>n des Lebens und das Streben über sich selbst h<strong>in</strong>aus<br />

Gerhard Thiele, 57, arbeitet seit 2010<br />

am European Space Policy Institut <strong>in</strong><br />

Wien. Vorher leitete er die Astronautenausbildung<br />

am Europäischen Astro nautenzentrum<br />

der ESA <strong>in</strong> Köln. An Bord<br />

der Raumfähre „Endeavour“ umkreiste<br />

er <strong>im</strong> Februar 2000 elf Tage lang die<br />

Erde. Thiele ist Träger des Bundes verdienstkreuzes<br />

und hat vier K<strong>in</strong>der.<br />

Manfred Rompf, 74, ist Meditationsund<br />

Kontemplationslehrer. Von 1969 bis<br />

1999 war er Pfarrer <strong>in</strong> Essen-Kupferdreh<br />

und gründete den „Arbeits kreis Medi -<br />

ta tion <strong>in</strong> der <strong>Evangelische</strong>n <strong>Kirche</strong> <strong>im</strong><br />

Rhe<strong>in</strong>land“ mit. Manfred Rompf ist<br />

Mitglied <strong>im</strong> Beirat des Hauses der Stille<br />

<strong>in</strong> Rengsdorf und begleitet Menschen<br />

auf ihrem spirituellen Weg.<br />

Moderation: Thomas Becker und Wolfgang Beiderwieden<br />

Fotos: Markus Feger<br />

bei uns <strong>in</strong> Düsseldorf: Herr Thiele, ist Schweben schön?<br />

Gerhard Thiele: Me<strong>in</strong> Flug <strong>in</strong>s Weltall liegt ja jetzt schon e<strong>in</strong>e<br />

Weile zurück. Aber ich er<strong>in</strong>nere mich noch gut: Be<strong>im</strong><br />

Schweben spürt man die unbeschwerte Leichtigkeit des<br />

Se<strong>in</strong>s. Man gibt sich e<strong>in</strong>en Schubs, stößt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Richtung<br />

ab, schwebt durch den Raum – und wartet, bis man am<br />

gewünschten Ort ankommt. Dann fängt man sich ab und<br />

bremst. Anfangs wendet man noch zu viel Kraft auf, aber<br />

man lernt schnell dazu. Schöner als Schweben ist nur noch<br />

der Blick aus dem Shuttle auf die Erde.<br />

Wie sieht sie denn aus, die Erde, vom Universum aus<br />

betrachtet?<br />

Thiele: E<strong>in</strong>fach wunderschön! Zum Beispiel nachts, wenn<br />

die Wol kendecke über den erleuchteten Städten nicht zu<br />

dicht ist. Wie Perlmutt, e<strong>in</strong> traumhafter Anblick. Ganz<br />

anders ist es, wenn sich der Pazifische Ozean <strong>in</strong>s Blickfeld<br />

schiebt. Dann wird es absolut dunkel, ke<strong>in</strong> Licht ist zu sehen,<br />

nirgendwo. Die Erde ist buchstäblich weg. Man sieht nur<br />

e<strong>in</strong>en Ausschnitt, <strong>in</strong> dem die Sterne fehlen, und man schließt<br />

daraus: Da muss die Erde se<strong>in</strong>.<br />

Herr Rompf, wenn Sie meditieren, schauen Sie eher <strong>in</strong>s<br />

<strong>in</strong>nere Universum. Was geht dann <strong>in</strong> Ihnen vor?<br />

Manfred Rompf: Bei der Meditation geht es eher um Bodenhaftung,<br />

um Realität. Es geht darum, nicht abzuheben, sondern<br />

die eigene Haut zu spüren und die Matte, auf der man sitzt. In<br />

der Regel schaue ich mit halb geöffneten Augen vor e<strong>in</strong>e<br />

Wand und meditiere ohne Gegenstände, Wörter oder Symbole<br />

– wie <strong>in</strong> der Zen-Me ditation. Das entspricht der christlichen<br />

Kontemplation. Ich ver suche, alles, was an Gedanken und Bildern<br />

kommt, bewusst wahrzunehmen, aber mich nicht daran<br />

aufzuhalten. Ich schiebe alles beiseite und versuche es <strong>in</strong> die<br />

„Wo lke des Ver gessens“ fallen zu lassen. Ja, man sehnt sich<br />

danach, durch „die Wolke des Nicht wissens“ zu gelangen –<br />

und den Ursprung allen Lebens zu erfahren.<br />

Herr Thiele, meditieren Sie auch manchmal?<br />

Thiele: Diese Gedanken s<strong>in</strong>d mir nicht fremd, ich habe auch<br />

Vorträge von Zenmeistern gehört, die mich bee<strong>in</strong>druckt<br />

haben. Aber bewusst meditiert habe ich noch nie.<br />

Rompf: Meditation beg<strong>in</strong>nt für mich schon, wenn man <strong>in</strong><br />

sich geht und über den S<strong>in</strong>n des Lebens und die Welt nachdenkt.<br />

Wenn ich etwa <strong>in</strong> den Alpen oder am Meer b<strong>in</strong>, <strong>in</strong> die<br />

Natur schaue und überwältigt b<strong>in</strong>, dann meditiere ich.<br />

Thiele: Wenn man das Meditieren nennt – das Nachdenken<br />

über die Welt –, dann meditieren sicher die meisten<br />

Menschen. E<strong>in</strong>mal saß ich so gedankenverloren auf e<strong>in</strong>em<br />

Hochplateau des Grand Canyon, dass ich das Gefühl für Ort<br />

und Zeit verloren habe. Meist ist es bei mir aber gerade der<br />

Blick <strong>in</strong> den Sternenh<strong>im</strong>mel, der mich fasz<strong>in</strong>iert und zum<br />

Nachdenken anregt.<br />

Welche Fragen gehen Ihnen dann durch den Kopf?<br />

Thiele: Vieles geht e<strong>in</strong>em dann durch den Kopf, auch die<br />

großen Fragen kommen: Wer b<strong>in</strong> ich? Wo komme ich her?<br />

Wo geht es h<strong>in</strong>? Das s<strong>in</strong>d fundamentale Fragen, die jeden<br />

von uns <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er Form <strong>im</strong> Leben berühren.<br />

Rompf: Auch <strong>in</strong> der Meditation geht es letztlich um diese<br />

Fragen. Sichere Antworten f<strong>in</strong>den wir nicht. Aber es ist auch<br />

e<strong>in</strong>e Ant wort, genau das auszuhalten und e<strong>in</strong>en Weg zu<br />

f<strong>in</strong>den, damit umzugehen. Für mich stellt es sich so dar:<br />

Unsere Erde ist nur e<strong>in</strong> Sand körnchen <strong>im</strong> Weltall, ich b<strong>in</strong><br />

noch viel kle<strong>in</strong>er. Aber auch h<strong>in</strong>ter mir steht e<strong>in</strong>e Urkraft<br />

von Leben. Diese Kraft möchte sich <strong>in</strong> mir verwirklichen,<br />

und damit bekommt me<strong>in</strong> Leben e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n.<br />

W<strong>in</strong>ter 2010 | bei uns <strong>in</strong> Düsseldorf 11

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