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5. Interdisziplinäres Symposium Familienforschung ...

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R. PROKSCH: MEDIATION (VERMITTLUNG) IM SCHEIDUNGSVERFAHREN …<br />

Erste praktische Erfahrungen mit Vermittlungsverfahren in familiengerichtlichen Verfahren konnten<br />

in der Bundesrepublik Deutschland (alt) mit dem abgeschlossenen Pilotprojekt „Praxiserprobung<br />

und Bewertung von Vermittlung (Mediation) in streitigen Familiensachen“ gewonnen werden. Vom<br />

1.12.1990 bis 31.10.1991 führte Proksch dieses Projekt am Jugendamt Erlangen durch. In diesem<br />

Projekt wurden erstmals im vereinigten Deutschland Vermittlungsverfahren versuchsweise in der<br />

jugendhilferechtlichen Familienhilfe als Standardangebot eingesetzt. Dies knüpfte an Überlegungen<br />

und Erfahrungen zu „Alternativen in der Ziviljustiz an“, die seit Anfang der 80er Jahre in der<br />

Bundesrepublik Deutschland verstärkt diskutiert worden sind (Blankenburg, Gottwald & Strempel,<br />

1982). Das Pilotprojekt wurde vom Bundesjustizministerium und vom Bundesfamilienministerium<br />

gefördert.<br />

Das Vorhaben bezweckte die pilotmäßige Praxiserprobung und Bewertung von Vermittlung in<br />

streitigen Familiensachen mit Sorgerechtsbezug nach Ablauf, Dauer, Ergebnis, Kosten und Zufriedenheit<br />

der Betroffenen im Vergleich zu einer nicht vermittelnden Kontrollgruppe. Das Pilotprojekt<br />

brachte Informationen darüber, daß Vermittlungsverfahren<br />

➤ sich im Rahmen des geltenden Rechts und der vorhandenen gerichtlichen Verfahrensstruktur<br />

organisatorisch realisieren lassen und<br />

➤ daß sie als alternative Konfliktregelungsverfahren auch in Deutschland effektive Hilfen zur<br />

Selbsthilfe für Scheidungseltern darstellen können.<br />

Während in der Kontrollgruppe die Entscheidungen allein im Wege der Familiengerichtsbarkeit und<br />

der Familiengerichtshilfe des Jugendamtes herbeigeführt (also mit den klassischen Jugendamtsberichten<br />

mit Entscheidungsvorschlägen praktiziert) wurden, wurde für die Vermittlungsgruppe Vermittlung<br />

als zusätzliche Leistung des Jugendamtes angeboten. Zur Bewertung der Ergebnisse von Vermittlungs-<br />

und Kontrolleltern wurden in beiden Gruppen entsprechende Daten zu Beginn und nach<br />

Abschluß der Mitwirkung des Jugendamtes gemäß § 50 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG)<br />

vom 26.6.1990 (in Kraft seit 1.1.1991) erhoben. Die Ergebnisse der Auswertung und die Bewertung<br />

der erhobenen Daten bildeten die Grundlage für die Beantwortung der gestellten Forschungsfragen.<br />

In der im Pilotprojekt vorgesehenen Praxisphase vom April 1991 bis Oktober 1991 konnten 27<br />

nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Elternpaare beobachtet werden, deren streitige Sorge- und<br />

Umgangsrechtsverfahren in diesem Zeitraum am Familiengericht anhängig wurden und denen<br />

Vermittlung als alternatives Konfliktregelungsverfahren angeboten wurde (Vermittlungsgruppe).<br />

Parallel dazu wurden – ebenso nach dem Zufallsprinzip erhobene – 24 Elternpaare beobachtet, die<br />

ihre streitigen Sorge- und Umgangsrechtsverfahren ohne Vermittlung, also im klassischen Verfahren,<br />

verfolgten (Kontrollgruppe). Die Eltern beider Gruppen waren demografisch wie gesamtstatistisch<br />

vergleichbar.<br />

Die Praxiserprobung hat gezeigt, daß Vermittlungsverfahren im Rahmen der geltenden Rechtsordnung<br />

und der organisatorischen Jugendhilfestruktur praktikabel und effektiv sind.<br />

Überraschend, weil in diesem Ausmaß nicht erwartet, war die hohe Akzeptanz des – freiwilligen<br />

– Vermittlungsangebotes des Jugendamtes Erlangen durch die „Vermittlungs-Eltern“. Ca. 90 % der<br />

nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Scheidungseltern willigten spontan ein, „Vermittlung“ in<br />

ihrem eigenen Sorgerechts- bzw. Umgangsrechtsverfahren zu praktizieren.<br />

Bezogen auf die Gesamtzahl der 27 Elternpaare erreichten knapp 50 % (13 Elternpaare) eine einvernehmliche<br />

Vereinbarung, 18.5 % (5 Elternpaare) brachen das Vermittlungsverfahren ab und 33 %<br />

(9 Elternpaare) stiegen nicht in das Vermittlungsverfahren ein. Bezogen auf die 70 % der in das Vermittlungsverfahren<br />

eingestiegenen Eltern erreichten 72 % eine Vereinbarung, während es bei 28 %<br />

zu einem Abbruch kam.<br />

MATERIALIENSAMMLUNG HEFT 1 21

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