04.05.2014 Aufrufe

5. Interdisziplinäres Symposium Familienforschung ...

5. Interdisziplinäres Symposium Familienforschung ...

5. Interdisziplinäres Symposium Familienforschung ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

J. BARTHELMES: DER UNERLÖSTE EROS, ODER DIE TRÄNEN DER ERKENNTNIS …<br />

Es geht bei solchen Überlegungen weiß Gott um kein Plädoyer für Permissivität. Sondern es geht<br />

vielmehr um die elementare Frage: Kann ich Liebe an Bedingungen knüpfen? Welches Recht habe<br />

ich über den anderen Menschen und dessen Gefühle der Liebe, auch wenn (und gerade wenn) ich<br />

ihn liebe, auch wenn ich mich auf ihn beziehe, auch wenn ich mit ihm Ehe-Verträge schließe?<br />

Wir gelangen hier an den Grundwiderspruch der Liebe und des Eros. Das mag für viele ein heikles<br />

Thema sein und ist ja auch mit negativen Gefühlen besetzt (wie Eifersucht, Neid, Rachsucht<br />

u. ä.), doch es muß über den Begriff und das Konzept der Treue nachgedacht werden, hinausgedacht<br />

werden! Wenn Liebe frei ist, dann heißt das für einen erlösten Eros, daß die Menschen sich frei<br />

machen vom Normativen, vom Institutionellen, von der Macht der Sittenwächter und von der kollektiven<br />

Bewertung und Entwertung. Freie Liebe könnte zur erkennenden Liebe werden – eben frei<br />

von Kontrolle, Zwang, Forderung und Moral, aber verbunden mit Hingabe sowie Verantwortung<br />

sowohl für das körperliche und seelische Wohl von einem selbst als auch für das Wohl des Partners.<br />

➤ Freie Liebe ist erkennende Liebe<br />

Freie Liebe als erkennende Liebe wäre frei von Angst vor Trennung und Verlassenwerden. Traditionelle<br />

Konzepte der Liebe sind fast unauflöslich mit Trennungsangst verbunden: Angst, daß der Partner<br />

nicht da ist; Angst, daß der Partner sich von einem abwendet; Angst, daß der Partner sich einem<br />

Dritten zuwendet. Somit wird immer wieder Eifer-Sucht geboren. Eifersucht als die Tragödie unserer<br />

Kultur hat mit Liebe wenig zu tun, ist vielmehr deren Tod. Eifersucht, Trennungsangst, Liebeskummer<br />

und (damit verbunden) zerbrochene Herzen entstehen durch ein „falsches Bild der Liebe“,<br />

ein Bild, das sich voll auf den Partner stürzt (Projektion), den Partner vereinnahmt und den Partner<br />

für die eigenen Mängel und Nöte gebraucht. Eine freie Liebe legt den Partner nicht fest, sperrt ihn<br />

nicht in die eigenen Vorstellungen und Handlungen ein. Freie Liebe erkennt die Nähe zum eigenen<br />

Ich und die Verantwortung für sich selbst. Freie Liebe bürdet dem anderen nichts auf. Freie Liebe<br />

kann den anderen um Hilfe bitten oder dem anderen die eigenen Wünsche mitteilen, doch freie<br />

Liebe erzwingt weder Hilfe noch Wünsche.<br />

Wo aber liegt der Schlüssel für eine Lösung, für eine Erlösung des unerlösten Eros?<br />

Loewit weist darauf hin, daß der Begriff Sexualität oft ausschließlich „genital“ verstanden wird, d.<br />

h. unmittelbar auf die Geschlechtsorgane bezogen: „Diese eingeengte Sichtweise übersieht nicht nur<br />

die vielen sexuellen Verhaltens- und Erlebnismöglichkeiten außerhalb der Genitalregion – z. B. kann<br />

die Haut als ausgedehntes ‚Geschlechtsorgan‘ aufgefaßt werden“ (Loewit, 1992, S. 14).<br />

Die Zunahme der psychosomatischen Krankheiten beruht ja auch zum Teil auf der Tatsache, daß<br />

Menschen ihre innersten Wünsche und Sehnsüchte abspalten, abkapseln, sich ihrer nicht mehr<br />

bewußt sind – und was nicht bewußt ist und wird, rutscht in den Körper. Dann müssen Organe und<br />

deren Symptome sprechen. Fantasien, Bilder, Träume – das berührt doch auch das Spielerische, das<br />

Kindliche (auch im Erwachsenen). Dies gilt es auch für die Sexualität (wieder) zu entdecken. Es<br />

könnte hilfreich sein, „eine lustvoll(ere) Atmosphäre und mehr Intimität im weiten Sinn zu fördern,<br />

mehr Freude in und an der Beziehung, damit auch mehr ‚Zeit-Haben‘ füreinander“ (Loewit, 1992,<br />

S. 77).<br />

Für eine Paarbeziehung ist für den zu erlösenden Eros nicht nur der Tanz des Sexuellen sowie das<br />

Spiel des Erotischen ein Lebens-Elixier, sondern das Erotische einer Paarbeziehung kann sich auch in<br />

gemeinsamen Zielen und Aufgaben manifestieren: Jedes Paar kann „gemeinsam produktiv werden“!<br />

Das müssen nicht unbedingt Kinder sein: „Gemeinsames gesellschaftliches, soziales, künstlerisches<br />

oder politisches Engagement könnten vielen Paaren neue Dimensionen der Befriedigung und der<br />

Lebensqualität erschließen“ (Jellouschek, 1989, S. 181). So könnte sich ein Paar fragen: „Für welche<br />

MATERIALIENSAMMLUNG HEFT 1 47

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!