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5. Interdisziplinäres Symposium Familienforschung ...

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J. BARTHELMES: DER UNERLÖSTE EROS, ODER DIE TRÄNEN DER ERKENNTNIS …<br />

➤ den Partnern einer Paarbeziehung vermitteln, daß es vielfältige(re) Möglichkeiten als die bisher<br />

selbst gelebten und erlebten gibt, wobei zugleich Möglichkeiten und Grenzen des Zusammenlebens<br />

aufgezeigt werden;<br />

➤ die Partner einer Paarbeziehung auf ungelebte Aspekte der jeweiligen Persönlichkeitsentwicklung<br />

hinweisen sowie tabuisierte Themen und Aspekte ansprechen und dafür eine Sprache finden;<br />

➤ mit den Frauen und Männern die eigenen Bilder vom Frau-Sein sowie Mann-Sein aufdecken<br />

und damit auch die marmorierten Skulpturen und Statuen enthüllen, was auch bedeutet, den<br />

Mythos der Partnerwahl zu durchschauen.<br />

Neben diesen allgemeinen Zielvorstellungen sollten Bildungsangebote ferner dazu anregen, das Zuhören<br />

und das Streiten zu lernen, sich der eigenen Lebensgeschichte zu erinnern, über Paar-Mythen<br />

hinaus weiterzudenken und weiterzuleben.<br />

<strong>5.</strong>2 Das Zuhören und Streiten lernen<br />

„Du hörst mir ja gar nicht zu!“, „Du verstehst mich einfach nicht!“ – das sind häufige Hilferufe bzw.<br />

Vorwürfe von Partnern. In vielen Paarbeziehungen herrscht Schweigen allenthalben; Mann und Frau<br />

hören einander wenig zu, und oft fehlt zur Verlebendigung der Paarbeziehung einfach nur der offene<br />

Streit, die direkte Auseinandersetzung, die Mischung aus liebevoller Zuwendung und aggressiver Abgrenzung.<br />

Es fehlt das „Nein in der Liebe“ (Schellenbaum) sowie das Zulassen von Haß-Gefühlen.<br />

Es fehlt insgesamt eine „Streit-Kultur“: Streiten lernen, sich auseinanderfädeln und dennoch in<br />

Kontakt bleiben, also von Angesicht zu Angesicht sich streiten, einander verzeihen, sich miteinander<br />

versöhnen, sich ineinander umarmen. Streiten muß nicht verletzen oder dem anderen den Boden<br />

unter den Füßen wegziehen. Streiten ist Sich-Auseinandersetzen; das bedeutet: sich vom anderen abgrenzen,<br />

dem anderen die eigenen Ängste und Aggressionen mitteilen, sich selbst dem anderen zumuten,<br />

ohne dabei den anderen zu vereinnahmen und niederzumachen. Streiten heißt aber nicht<br />

nur, sich auseinander zu setzen, sondern auch, sich zusammen zu setzen, um Gemeinsamkeiten zu<br />

finden.<br />

Streiten kann Abkühlungen erwärmen, denn Streiten läßt die Partner einander erkennen, was sie<br />

jeweils denken, was sie fühlen, wo sie stehen und wie sie zueinander stehen. Das Streiten kann bei<br />

Paaren auch zur Voraussetzung, zum Vorspiel, zum situativen Anlaß für Intimität werden. Intim sein<br />

heißt, die innersten Geheimnisse miteinander teilen. Intimare: den Anderen kennen, den Anderen<br />

erkennen. Das bedeutet auch: die eigenen Schwächen zeigen, die Rollen und Masken fallen lassen<br />

und dies nicht nur erotisch-sexuell, sondern auch seelisch. Intim-sein heißt dann auch und vor allem:<br />

sich mit seinen Verletzlichkeiten, aber auch Wünschen und Sehnsüchten dem anderen offenbaren<br />

und diese ihm mitteilen, ihn gleichsam um seine Wünsche bitten.<br />

<strong>5.</strong>3 Erinnern der eigenen Lebensgeschichte<br />

Partner wiederholen in ihrer Paarbeziehung alte Erfahrungen, wiederholen Szenen der Kindheit. Die<br />

eigene Vergangenheit begleitet die Partner in der Paarbeziehung (vor allem das ängstliche, scheue,<br />

gedemütigte Kind taucht immer wieder auf, sucht immer wieder Geborgenheit).<br />

Für das Herstellen von Intimität und damit auch von Erotik und Sexualität ist es demnach notwendig,<br />

sich von der Vergangenheit zu befreien, um Vergangenheit zu bewältigen. Das Kind in sich<br />

hervorbringen bedeutet, die Vergangenheit wiederzubeleben, aber nur, um sich von diesen Erfahrungen<br />

und damit verbundenen Zwängen zu befreien. Es gibt Teile der Vergangenheit, mit denen man<br />

MATERIALIENSAMMLUNG HEFT 1 45

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