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5. Interdisziplinäres Symposium Familienforschung ...

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P. VELIKAY: MEDIATION IN ÖSTERREICH<br />

für eine Mediation. Eine finanzielle Mitbeteiligung der Paare wäre durchaus zu überlegen. Man<br />

könnte ihre Höhe nach dem Einkommen staffeln. Ich kenne öffentlich geförderte Familienberatungsstellen<br />

in Deutschland, die Mediation nach diesem Finanzierungsmuster anbieten.<br />

Welche Rolle kann Mediation in Österreich in Zukunft spielen?<br />

Auf diese Frage möchte ich losgelöst vom Pilotversuch eingehen. Es ist eine äußerst spekulative Frage<br />

zu diesem frühen Zeitpunkt, trotzdem will ich eine Einschätzung versuchen.<br />

Österreich hat grundsätzlich eine große Vermittlungstradition. Nicht umsonst sind wir das Land<br />

der Sozialpartnerschaft. Das hat Vorteile und Nachteile zugleich. Der Vorteil: Wenn man Mediation<br />

mit „Vermittlung“ übersetzt, dann kann man sagen, sie müßte bei uns auf großes Interesse stoßen.<br />

Im Kontakt mit deutschen Mediationskollegen gewinne ich immer wieder den Eindruck, daß wir<br />

Österreicher weniger konfrontativ sind als die Deutschen. Seit ich das so empfinde, fällt mir auch im<br />

Fernsehen auf, daß deutsche Politiker in ihren öffentlichen Ansprachen laut und aggressiv in die Zuhörerschaft<br />

schreien, sie leisten sich einen „kämpferischen“ Redestil, der bei uns in Österreich<br />

undenkbar wäre. Mediation hat sich ja in den USA als Alternative zum „Kampf“, den zwei Anwälte<br />

vor Gericht ausfechten und in dem der Richter über Sieg und Niederlage entscheidet, entwickelt. In<br />

dieser Hinsicht könnte man sagen, daß den Österreichern die Mediation schon von vornherein in die<br />

Mentalität eingeschrieben ist.<br />

Außerdem haben wir einen guten gesetzlichen Rahmen, in dem Vermittlung à la Mediation stattfinden<br />

kann, nämlich die einvernehmliche Scheidung. Die gibt es in Deutschland zwar auch, aber<br />

bei uns ist sie billiger und einfacher durchzuführen. Deutsche Paare müssen auch für eine einvernehmliche<br />

Scheidung einen Anwalt zu Gericht mitnehmen und bezahlen. In Österreich ist das nicht<br />

so. Wenn die Rechtsfolgen einer Scheidung (Unterhalt, Ehewohnung, Sorgerecht etc.) klar sind (wie<br />

immer es dazu gekommen ist, ob alleine oder mit Hilfe von Anwälten), dann geht man zu Gericht<br />

und der Richter scheidet. Der gesetzliche Verhandlungsspielraum ist bei der einvernehmlichen Scheidung<br />

fast unbegrenzt. Da die Mediation diesen freien Spielraum in besonderer Art nutzen will, ergeben<br />

sich auch insofern gute gesetzliche Voraussetzungen für sie.<br />

Die Nachteile liegen auch auf der Hand: Es ist bei uns der Druck geringer, den das Gesetz im<br />

Ausland, vor allem auch in den USA, ausübt (der dort Mediation als alternativen Weg zur herkömmlichen<br />

Scheidungsprozedur über Anwälte oder das Gericht attraktiv macht).<br />

Ich glaube daher, daß die Frage, welche Rolle Mediation in Österreich spielen kann, zu einer Art<br />

kulturellen Frage werden wird, zur Frage eines neuen Konfliktlösungsstils. Lassen Sie mich darstellen,<br />

wie ich das meine: Was machen heute österreichische Paare, die sich im Scheidungsstadium befinden?<br />

In der Regel geht jeder zunächst zum Anwalt, zu Gericht oder zu einer Beratungsstelle und holt<br />

Rechtsauskunft ein. Wenn alles gut geht, schaffen es die Partner, die für die einvernehmliche Scheidung<br />

notwendigen Vereinbarungen alleine zu treffen. Je größer das Konfliktpotential, desto eher halten<br />

sie sich dabei an die „objektiven, vernünftigen“ Inhalte der Rechtsauskunft. Wenn Paare sich<br />

alleine nicht einigen können, dann trägt oft einer der beiden den Konflikt vor Gericht, oder es übernehmen<br />

Anwälte – womöglich sehr kriegerische – die Verhandlungen.<br />

In allen diesen Fällen, denke ich, könnte sich Mediation als neue Alternative in der Konflikt<br />

lösungskultur etablieren. Menschen wüßten dann, daß es verschiedene Möglichkeiten gibt, um<br />

Scheidungsstreitigkeiten zu lösen: Daß man entweder zu Gericht gehen und sich dort vehement<br />

bekriegen kann – oder daß man zu Anwälten gehen kann, auch zu Anwälten, die sehr kooperativ<br />

sind und einvernehmliche Lösungen anstreben. Oder daß man eben zum Mediator gehen kann und<br />

dort etwas anderes bekommt als sogar bei einem vermittelnden Anwalt.<br />

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