Politisch-Kabarettistischen Aschermittwochs - Fabrik e.v.
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Stromseminar in Schönau<br />
Der Andrang zeigt: Der Widerstand gegen<br />
die Atomkraft formiert sich wieder<br />
Das 13. Stromseminar in Schönau bringt hochkarätige Referenten in das Städtchen der Stromrebellen<br />
Ökologisch-soziale Verantwortung ist ein wichtiger Baustein<br />
des ökonomischen Erfolgs. Das konnte Thomas Jorberg, der<br />
Chef der Bochumer GLS Gemeinschaftsbank, auf dem 13.<br />
Stromseminar in Schönau belegen. Denn er präsentierte für<br />
sein Unternehmen eine Erfolgsbilanz, die für eine Bank in<br />
diesen Zeiten ungewöhnlich ist: Allein in den letzten zwölf<br />
Monaten hatte das Unternehmen so viel Zulauf, dass die<br />
Bilanzsumme um 35 Prozent wuchs.<br />
Der Hintergrund ist offensichtlich: Die Bank hat keinerlei<br />
Verluste durch die Finanzmarktkrise zu verzeichnen, denn<br />
dubiose Derivatgeschäfte kamen für sie nie in Frage. Sie<br />
finanziert statt dessen ökologische und soziale Wohnprojekte,<br />
erneuerbare Energien, Kindergärten und Altenwohnheime<br />
- grundsolide Objekte, die nicht am Puls der Weltwirtschaft<br />
hängen und dementsprechend auch nicht mit dem<br />
amerikanischen Immobilienmarkt implodieren konnten.<br />
Und wer Jorberg in Schönau zuhörte, erhielt eine Ahnung,<br />
worin sich das Erfolgsrezept der GLS Bank begründet: „Die<br />
Frage, was mit dem Geld passiert, ist eine entscheidende<br />
Frage”, sagte der Banker. In den Anlageentscheidungen der<br />
konventionellen Banken, die sich an dem „magischen Dreieck”<br />
von Sicherheit, Rendite und Liquidität orientiert, fehle<br />
schlicht der Punkt „Sinnhaftigkeit der Anlage”. Von einem<br />
„tragischen Dreieck” sprach Jorberg daher.<br />
Wer zuhörte - und das muss man so deutlich sagen - hatte<br />
das Gefühl, einen Banker vor sich zu haben, der sein Metier<br />
wirklich versteht, der in Gesamtzusammenhängen denkt.<br />
So zeigte er auf, wie sich bei den Produktionsfaktoren Natur,<br />
Arbeitskraft und Kapital die Relationen verschoben haben:<br />
Früher war Natur scheinbar unbegrenzt verfügbar, Kapital<br />
und Arbeitskraft hingegen waren knapp. Heute ist die Natur<br />
die limitierende Ressource, während Arbeitskraft und Kapital<br />
ausreichend vorhanden sind. Da aber - zum Beispiel im<br />
Steuersystem - immer noch in den alten Strukturen gedacht<br />
wird, komme es zu Fehlallokationen. Denn besteuert werden<br />
muss aus ökonomischer Logik heraus das knappe Gut,<br />
heute also der Umweltverbrauch. Gleichwohl wird - was vor<br />
Jahrzehnten noch sinnvoll gewesen sein mag - auch heute<br />
noch vor allem die Arbeitskraft besteuert.<br />
Das Interesse war enorm<br />
Jorberg war nur einer von mehreren hochkarätigen Referenten<br />
beim Stromseminar in der Schönauer Kulturhalle.<br />
Entsprechend war der Andrang, zeitweise drängten sich<br />
mehr als 200 Zuhörer im Veranstaltungsraum der Elektrizi-<br />
1<br />
tätswerke. Zahlreichen Interessenten hatten die Veranstalter<br />
im Vorfeld sogar absagen müssen, weil die Räumlichkeiten<br />
den Ansturm ansonsten nicht verkraftet hätten. So war das<br />
große Interesse ein deutliches Zeichen für den wachsenden<br />
Widerstand gegen die Atomkraft, getrieben auch durch die<br />
so entscheidende Bundestagswahl im Herbst.<br />
Professor Peter Hennicke vom Wuppertal Institut hatte<br />
die Veranstaltung mit einem Vortrag zum Thema „Energiezukunft<br />
– das Ende der Verschwendung” eröffnet. Er<br />
präsentierte Szenarien, wie künftig eine klimagerechte<br />
Energiepolitik aussehen müsse, mit rapide wachsendem<br />
Anteil der erneuerbaren Energien und einer verbesserten<br />
Energieeffizienz. Regionalen Initiativen käme dabei eine<br />
besondere Bedeutung zu, sagte der Wissenschaftler, der<br />
auch die Gründung des Bürgerunternehmens Solarcomplex<br />
in Singen mit vorangetrieben hatte. Solarcomplex ist heute<br />
mit Solaranlagen, Wasserkraft und Biomasseprojekten ein<br />
erfolgreiches Musterbeispiel für regionale und ökologische<br />
Wertschöpfung.<br />
Totalschaden in Gundremmingen<br />
Ein weiterer Redner auf dem Podium war Raimund Kamm<br />
aus Augsburg vom Verein Forum. Dieser ging aus dem<br />
Widerstand gegen das Atomkraftwerk und gegen das Zwischenlager<br />
in Gundremmingen hervor. „Atomkraftwerke<br />
sind lebensgefährlich und landesgefährlich”, sagte Kamm<br />
und berichtete vom Totalschaden im Atomkraftwerk Gundremmingen<br />
A, der heute selbst unter Atomkraftgegnern<br />
kaum bekannt ist: 1977 gab es dort einen Störfall, der so<br />
heftig war, dass der Reaktor dauerhaft stillgelegt werden<br />
musste.<br />
Kamm kritisierte, dass jeder Pkw heute über eine höhere<br />
Haftpflichtversicherung verfüge als ein Atomkraftwerk. Er<br />
nannte die Krebsfälle in der Umgebung der Reaktoren als<br />
weiteres Argument gegen die Strahlentechnik. Und er erinnerte<br />
daran, dass von inzwischen 13 Millionen Kilogramm<br />
an abgebrannten Kernbrennstäben in Deutschland noch<br />
für kein einziges Kilo bislang eine Entsorgungsmöglichkeit<br />
geschaffen werden konnte.<br />
Gerd Rosenkranz von der Deutschen Umwelthilfe vertiefte<br />
anschließend einige Absurditäten der Atomwirtschaft: Dass<br />
die Atomkraft 50 Jahre nach ihrem Markteintritt nach wie vor<br />
nur mit finanzieller Hilfe des Staates überhaupt realisierbar<br />
ist, das sei „ein Unikat in der Energiewirtschaft”. Auch der<br />
neue Reaktor in Finnland, der von den Atomprotagonisten