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Politisch-Kabarettistischen Aschermittwochs - Fabrik e.v.

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Energie in Bürgerhand:<br />

„Wir stellen alles auf den Kopf“<br />

Werbung mit halben Wahrheiten<br />

Energie in Bürgerhand<br />

„Bürger brechen Monopole“ war das Thema einer gemeinsamen Veranstaltung der Katholischen Akademie und des<br />

Vorderhaus, unterstützt von der Volksbank Freiburg.<br />

Gut 200 Gäste ließen sich mitreißen vom „Schönauer Gefühl“, einem Film, der die faszinierende Geschichte erzählt,<br />

wie aus einer kleinen, aufmüpfigen Elterninitiative ein bundesweiter Ökostromversorger wurde. Eine Idee gärte schon<br />

länger in verschiedenen Köpfen, doch an diesem 15. März war die Zeit reif.<br />

... wie ein ansteckendes Lachen<br />

Das Schönauer Gefühl, die Idee, der Übermacht des Geldes<br />

der mächtigen Konzerne tatsächlich etwas entgegen setzen<br />

zu können, wirkte wie ein ansteckendes Lachen. Es lag in<br />

der Luft an diesem Frühlingssonntag: immer mehr Menschen<br />

wurden infiziert von der Vision, eine weitere Energierebellische<br />

David-gegen-Goliath-Geschichte in die Wege zu<br />

leiten. Und schließlich stand einer auf und stellte die Frage<br />

in den Raum: „Können auch wir in Freiburg den Energieriesen<br />

den Zugriff auf unser Geld entreißen?“ Es war der Stadtrat<br />

Walter Krögner. Elektrisiert von der Schönauer Erfolgsgeschichte,<br />

hatte er Lust auf mehr: mehr gemeinschaftliches<br />

Engagement, mehr von unten bewegen, mehr Undenkbares<br />

möglich machen. Im Auditorium signalisierten die ersten:<br />

„Hier geht was und ich packe mit an!“ Gleich anschließend<br />

fand sich vor der Tür ein kleines Häuflein Unerschrockener<br />

zusammen. Die Weichen wurden gestellt. Dann ging alles<br />

Schlag auf Schlag. Ein paar Telefonate und klare Ansagen:<br />

„Das Zeitfenster ist klein. Ich will morgen eine Gesellschaft<br />

gründen!“<br />

Am nächsten Tag saßen rund 25 Tatendurstige in einem<br />

Freiburger Café, darunter Anwälte, Genossenschaftler, Energieexperten<br />

und Bankmitarbeiter. Sie legten den Grundstein<br />

für eine neu zu gründende Genossenschaft, die „Energie<br />

in Bürgerhand“. Michael Sladek, Arzt und Stromrebell aus<br />

Schönau, erinnert sich: „Das war toll, als es ans Arbeit-Verteilen<br />

ging, hat keiner nein gesagt, sondern ,Gib’s her, ich<br />

mach’s!‘.“<br />

Energieriesen in Freiburg<br />

Auch in Freiburg sind die Energieriesen aktiv, diskret aber<br />

effektiv. Neben dem badenova-Vorlieferanten EnBW fließen<br />

auch zu e-on Gelder ab, die in Südbaden erwirtschaftet<br />

werden: Über ihre 100%-ige Tochterfirma Thüga verschafft<br />

sich e-on Einfluss in 110 Unternehmen, überwiegend kommunalen<br />

Energieversorgern. An der badenova ist die Thüga<br />

zu 47,3 % beteiligt. So fließt von jedem Euro Gewinn<br />

knapp die Hälfte zu e-on. Wer hätte es für möglich gehalten,<br />

dass sich ausgerechnet ein fossil-nuklearer Konzern in der<br />

„Greencity“ Freiburg einen solchen Einfluss verschafft und<br />

diesen über Jahre sichert? 60 Millionen Euro Gewinn pro Jahr<br />

werden erwirtschaftet, rund 30 Millionen Euro gehen der<br />

Region Jahr für Jahr über die Minderheitsbeteiligung verloren.<br />

Anstatt zentralistische Machtstrukturen zu zementieren<br />

und den Profit eines Quasi-Monopolisten zu mehren, könnte<br />

dieses Geld doch besser vor Ort Gutes bewirken, denn nicht<br />

nur auf den Strom, auch auf die Geldströme kommt es an.<br />

Die Fließrichtung der Geldströme war den Schönauer Energieinitiativen<br />

schon immer ein zentrales Anliegen. Hier<br />

liegen die Ursprünge einer infektiösen Idee, mit der Michael<br />

Sladek, im Advent 2007 erstmals für Furore sorgte. Die<br />

badenova präsentierte seinerzeit in einer aufwändigen PR-<br />

Aktion ihr Weihnachtsgeschenk: „Alle Privatkunden bekommen<br />

ökologischen Strom“. Das klingt gut, ist aber nur die<br />

halbe Wahrheit, da nur eine Hälfte des Stromkontingents an<br />

Privatkunden verkauft wird. Die zweite Hälfte geht an Großkunden.<br />

Letztere bekommen einen besonders atom- und<br />

kohlelastigen Mix und unterm Strich unterscheidet sich das<br />

gesamte Angebot nicht wirklich von dem eines beliebigen<br />

Stromversorgers (badenova-Mix 2007: 19 % atomar, 19 %<br />

regenerativ und 62 % fossil). Von diesem Nullsummenspiel<br />

wenig beeindruckt, diktierte Sladek wenige Tage später<br />

einer staunenden Journalistenschar den entscheidenden<br />

Satz in Blöcke und Mikrofone: „Wir wollen die badenova von<br />

ihrer e-on-Sünde befreien.“ Damit war der Stein ins Wasser<br />

geworfen und die Wellen breiteten sich unaufhaltsam aus.<br />

Keine Angst vor großen Zahlen<br />

Wie sollte das gehen, mit der Befreiung von der e-on-Sünde?<br />

Der badenova-Anteil, den die Thüga hält, hat einen<br />

geschätzten Wert von 400 Millionen Euro. Wer keine Angst<br />

vor großen Zahlen hat, spielt in Gedanken durch, wie eine<br />

Gruppierung aussehen kann, die 400 Millionen Euro einsammelt.<br />

Die Sache hat allerdings einen Haken: freiwillig gibt die Thüga<br />

AG ihren Goldesel nicht wieder her. Und findige Strategen<br />

haben den Gesellschaftervertrag der badenova so gestrickt,<br />

dass die Thüga in diesem Punkt nicht bezwingbar ist. Doch<br />

die Utopie, einmal ausgesprochen, hat das ständige Bestreben,<br />

Wirklichkeit zu werden.<br />

Den Utopisten kamen unerwartet die Behörden zur Hilfe.<br />

Beim Bundeskartellamt und der EU-Monopolkommission<br />

erkannte man, dass der hohe Verflechtungsgrad im Energiegeschäft<br />

Ausmaße erreicht hat, die nicht mehr hinnehmbar<br />

sind. Der Durchgriff der großen Energiekonzerne über ihre<br />

Stadtwerkebeteiligungen bis hinunter zum Endkundengeschäft<br />

hat zu bedenklichen Wettbewerbsverzerrungen<br />

geführt. Deshalb wurde in der EU-Monopolkommission<br />

schließlich laut über eine „Zerschlagung der Energiemultis“<br />

nachgedacht. E-on beugte sich dem Druck und bestätigte<br />

im November 2008 erstmals öffentlich Überlegungen, die<br />

Thüga zu veräußern. Da in Freiburg der Geist bereits aus<br />

der Flasche war, erkannte man die Chance, die sich hier bot:<br />

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