CIMA 60 SchluÃredaktion
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Für eine genauere Rekonstruktion der Melodien sind wir allerdings immer noch auf<br />
Fassungen mit einer Notation auf Linien angewiesen. Hier eignet sich das Graduale<br />
Graz, Universitätsbibliothek 807, weil es ebenfalls im 12. Jahrhundert entstand,<br />
aber bereits auf Linien geschrieben wurde und auch aus dem österreichischen Raum<br />
stammt. 76 Bei Unstimmigkeiten werden die Editio Vaticana und andere geeignete<br />
Quellen wie das Moosburger Graduale aus dem Jahr 13<strong>60</strong> 77 zum Vergleich<br />
herangezogen.<br />
Der Introitus ‘Puer natus est’<br />
Anhand des Introitus der dritten Weihnachtsmesse ‘Puer natus est’ sei die<br />
Übertragung von adiastematischen Neumen des Petersfrauen-Graduales in eine<br />
lesbare Fassung demonstriert. Anhand des Vergleichs mit der Melodie auf Noten<br />
im Graduale Graz 807 14r f lassen sich die Neumen nun leicht entziffern und<br />
Unstimmigkeiten korrigieren. Das Notenbeispiel (s. Abb. S. 37) zeigt der<br />
Einfachheit halber bereits die korrigierte Fassung, darüber stehen die Neumen aus<br />
dem Petersfrauen-Graduale.<br />
Außer am Psalmvers ‘Cantate Domino’ kann man auch an der Stelle cuius im-(perium)<br />
gut erkennen, daß die reguläre Einzelneume die Virga ist. Nur der tiefste Ton über<br />
cu-(ius) wird als Tractulus geschrieben. Das gleiche gilt für die folgende Stelle<br />
(imperi)-um super (hume)-rum. Hier repräsentieren die Tractuli jeweils den gleichen Ton<br />
c, der zugleich der tiefste Ton in der unmittelbaren Umgebung ist. Über (humerum)<br />
ei-(us) steht zunächst eine Clivis c-a, dann eine Clivis mit Episem, die als Neume mit<br />
melodischer Zusatzbedeutung den Halbtonschritt c-h angibt, und zuletzt eine Clivis<br />
mit augmentativer Liqueszenz, d.h. mit einem zusätzlichen dritten Liqueszenzton.<br />
Der hinzugefügte Strich am rechten Ast der darauf folgenden Clivis über (ei)-us<br />
weist auf das Terzintervall und den dadurch erreichten Tiefton a am Ende des<br />
großen Melodiebogens hin. 78 Gleich der nächste Torculus über et ist wieder eine<br />
Neume mit melodischer Zusatzbedeutung. Die Handschrift Graz 807 gibt sie mit a-<br />
c-h wieder, tatsächlich ist also das zweite Intervall c-h ein Halbtonschritt. Die