CIMA 60 SchluÃredaktion
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Manchmal stimmt die Fassung von Graz 807 nicht mit den Neumen des<br />
Petersfrauen-Graduales überein. Der eben erwähnte Quilisma-Torculus (3 Töne,<br />
aufsteigend-absteigend) mit melodischer Zusatzbedeutung wird in der Editio<br />
Vaticana mit den vier Tönen d-e-f-d geschrieben. In der Handschrift Graz 807<br />
steht jedoch nur eine Virga strata für e-fol. Aus diesen Informationen kann für das<br />
Petersfrauen-Graduale ohne Schwierigkeiten die Folge e-f-e rekonstruiert werden.<br />
Über (nomen) ei-(us) heißt die Liqueszenzneume in Graz 807 d-c-h-a. Im<br />
Petersfrauen-Graduale besteht die Neume aus nur drei Tönen, die nach der Editio<br />
Vaticana und Moosburg, die beide c-h-a schreiben, zu übertragen ist.<br />
Die Melodien im Petersfrauen-Graduale sind in der sogenannten Germanischen<br />
Melodiefassung notiert. Darunter versteht man, daß Töne der Tonskala, die über<br />
sich einen Halbtonschritt haben, nämlich e, h und a unter b, oft um diesen<br />
Halbtonschritt nach oben zu f, c und b angehoben werden. Die Melodien erhalten<br />
durch diese Tonveränderungen einen gewissen pentatonischen Charakter. Das<br />
Verbreitungsgebiet ist der deutschsprachige Raum, Lothringen und Osteuropa.<br />
Diese Lesarten werden aber weder konsequent noch einheitlich durchgeführt. Es<br />
gibt keine einheitliche germanische Melodiefassung. Daher bereitet die<br />
Rekonstruktion des Torculus über na-(tus) und fi-(lius) Schwierigkeiten. Graz 807<br />
schreibt hier d-f-d, während die Moosburger Handschrift die sonst übliche Lesart<br />
d-e-d wählt. Da aber die Germanische Fassung im Petersfrauen-Graduale auch an<br />
anderer Stelle überwiegt, kann man sich für d-f-d entscheiden. In ähnlicher Weise<br />
erfolgt die Rekonstruktion über (hu)-me-(rum). Der übliche Tonschritt c-h wird in<br />
der Germanischen Lesart auf einen Tractulus c verkürzt. Über (im)-pe-(rium) stehen<br />
in Graz 807 die Töne c-d-e-f, im Petersfrauen-Graduale aber ein Pes mit einer<br />
Distropha. Da Strophici in der Regel unter sich ein Halbtonintervall haben und<br />
unter Beachtung der germanischen Melodiefassung können wir die Tonfolge c-d-f-f<br />
rekonstruieren. Zweifelhaft ist auch der Pes über can-(ticum) im Psalmvers. Graz 807<br />
schreibt in der Psalmodie des 7. Modus, der Tonart, in welcher ‘Puer natus est’<br />
steht, regelmäßig d-e, während die anderen Handschriften d-f haben. Die im<br />
Petersfrauen-Graduale folgenden Virgen sprechen nicht gegen e, sind aber auch<br />
kein Beweis für f. Dennoch wurde f der Vorzug gegeben.<br />
Verschiedene Möglichkeiten der Neumierung<br />
Aus der Neumentabelle geht hervor, daß den Schreibern oder Schreiberinnen zur<br />
Aufzeichnung eines Gesanges oft mehrere gleichwertige Möglichkeiten zur<br />
Verfügung standen. 79 Deutlich wird dies durch Vergleiche von Melodien, die im<br />
Petersfrauen-Graduale mehrmals neumiert wurden. So kommt das Incipit Egregia<br />
gleich dreimal vor, nämlich auf fol. 46v, 152r und 158v.