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CIMA 60 Schlußredaktion

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Antiphonar von St. Peter dokumentiert ist. Das Petersfrauen-Graduale ist aber<br />

keine Kopie des Antiphonars. Es ist eine eigenständige Handschrift, die auch als<br />

solche bewertet werden muß. Wenn Lori Krukenberg feststellt: „Das Antiphonar<br />

von St. Peter ..., als Manifestation der liturgischen Musikpraxis der Salzburger Abtei<br />

im hohen Mittelalter, ist geprägt von der Musikpraxis der Hirsauer Reform―, 86 so<br />

gilt dies auch für das Graduale der Petersfrauen. Auch die Notation der Neumen<br />

mit zahlreichen melodischen Zusatzbedeutungen scheint aus der Hirsauer Tradition<br />

abgeleitet. Jedoch kann weder die liturgische Ausgestaltung, etwa die Anlage des<br />

Kyriales, noch die Notenschrift dazu veranlassen, eine direkte Abhängigkeit vom<br />

Antiphonar von St. Peter abzuleiten. Von den restaurativen Tendenzen im<br />

Antiphonar ist im Graduale überhaupt nichts zu finden, so als ob sie nie dagewesen<br />

wären. Der Codex ist vom musikalisch-liturgischen Standpunkt aus ein ganz<br />

gewöhnliches Graduale in der Art, wie uns diese Bücher auch anderswo überliefert<br />

sind. Es ist fast so, als wäre das Petersfrauen-Graduale an einem ganz anderen Ort<br />

entstanden und hätte nur zufällig die liturgische Ordnung St. Peters übernommen.<br />

Die verschiedenen Schreiberhände könnten Zweifel aufkommen lassen, ob die<br />

gesamte Handschrift bei den Petersfrauen entstanden ist. Die liturgischen<br />

Übereinstimmungen mit dem Antiphonar lassen jedoch den Schluß zu, daß dieser<br />

Codex tatsächlich im Scriptorium der Nonnen geschrieben worden ist, wobei<br />

allerdings auswärtige Kräfte beziehungsweise Schreiber oder Schreiberinnen, die<br />

ihre Ausbildung außerhalb Salzburgs erhalten haben, herangezogen worden sein<br />

könnten. Obwohl die Handschrift im wesentlichen die Liturgie St. Peters<br />

wiedergibt, enthält das Petersfrauen-Graduale zahlreiche Ergänzungen, die sich<br />

teilweise an der Liturgie des Domes, und somit an der diözesanen Liturgie<br />

orientieren. Vergleicht man die Neumenschrift des Petersfrauen-Graduales mit der<br />

des Antiphonars von St. Peter, so ergeben sich auf der einen Seite zwei<br />

Übereinstimmungen: In beiden Handschriften ist die reguläre Einzelneume die<br />

Virga und nicht der Tractulus. In beiden Handschriften besteht die Denticulata des<br />

Quilismazeichens nur aus zwei Kurven, nicht aus zwei oder drei, wie sonst üblich. 87<br />

Doch ist sonst die Neumenschrift völlig unterschiedlich. So kennt das Antiphonar<br />

von St. Peter eine eigene Graphie für den Pes quassus und ein Trigon ohne<br />

Kommata. Auch die Zeichen mit melodischer Zusatzbedeutung sind andere. Die<br />

im Antiphonar von St. Peter so wichtigen Neumen wie Oriscus-Torculus und<br />

Oriscus-Pes gibt es im Petersfrauen-Graduale nicht.<br />

Es ist sicher nicht sinnvoll, das Petersfrauen-Graduale am Antiphonar zu messen<br />

und zu beurteilen, denn das Graduale ist rund vierzig Jahre – also über eine<br />

Generation – später entstanden und kommt aus einer ganz anderen Schule,<br />

beziehungsweise Tradition. Die Erforschung und Aufarbeitung dieser Handschrift<br />

ist längst nicht abgeschlossen.

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