REVIEWS - Webseite von Thomas Neumann
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<strong>REVIEWS</strong><br />
hänger die 1665 in England wütende Pest sowie die Londoner<br />
Feuersbrunst <strong>von</strong> 1666 sind. Leider liegen mir die<br />
Texte nicht vor, sonst würde ich den historischen Gehalt<br />
des Albums näher unter die Lupe nehmen. Musikalisch rocken<br />
ORANGE GOBLIN gewohnt dahin, ohne allzu große<br />
Verwunderung auszulösen: ein gutes Stück Riff-Rock,<br />
nicht mehr und nicht weniger. (43:46) (6) Simon Loidl<br />
O’DEATH<br />
Head Home CD<br />
cityslang.com | Wer sagt denn, dass urbane Musik aus einem<br />
Großstadtmoloch kommen muss und folky Tunes aus<br />
einer staubigen Scheune am Arsch der Welt? Die Wahrscheinlichkeitsrechnung?<br />
Okay, stimmt, die<br />
Chance, dass Banjo, Fiedel,<br />
Ukulele, Schellenkranz<br />
und Co. eher <strong>von</strong><br />
eher <strong>von</strong> bärtigen Latzhosenträgern<br />
eingesetzt<br />
werden als <strong>von</strong> schnieken<br />
Latte macchiato-<br />
Trinkern aus Brooklyn<br />
mit Powerbook in der<br />
Umhängetasche, ist ungleich<br />
größer, aber im<br />
Falle <strong>von</strong> O’DEATH ist<br />
es genau so: Aus der Nachbarschaft <strong>von</strong> THE WORLD/IN-<br />
FERNO FRIENDSHIP SOCIETY und GOGOL BORDELLO<br />
kommt ein Fünfer, der auf „Head Home“ auf sehr angenehme<br />
Weise und total unfakeig ein großstädtisches Country-Folk-Album<br />
eingespielt hat, das Nick Cave mit den VI-<br />
OLENT FEMMES, Shane MacGowan mit Neil Young, Punkrock<br />
mit Polka verbindet. Mag ja sein, dass die Idee nicht<br />
neu, die Kombination auf der Hand liegend ist, doch die<br />
Umsetzung macht’s, und die ist hier so frisch und mitreißend,<br />
wie ich es schon lange nicht mehr gehört habe. Alles<br />
weitere ist wohl eine Sache des persönlichen Erlebens<br />
– Musik jenes Kalibers lebt <strong>von</strong> der Menge Bier, die man<br />
am einem Wochenende anlässlich eines Konzertes in einem<br />
gemütlichen Club (der nicht notwendigerweise mit<br />
Stroh ausgestreut sein muss) in sich rein kippt. (44:18) (8)<br />
Joachim Hiller<br />
ONE STARVING DAY<br />
Broken Wings Lead Arms To The Sun CD<br />
Planaria | Großartiges Material aus Italien! Fünf wunderbar<br />
komponierte, sehr lange Stücke. Songs wie Magma:<br />
langsam, bedrohlich, erbarmungslos. Tief in der Hardcore-Szene<br />
verwurzelt, wandelt die Band mittlerweile, musikalisch<br />
gereift, auf Post-Rock-, Doom- und Ambient-<br />
Pfaden. Düster-meditativ werden mit Streichern, Gitarre,<br />
Bass, Synthesizer, Soundeffekten, Schlagwerk und rarem<br />
Stimmeinsatz dichte, repitative, oft hypnotische Soundgewebe<br />
geknüpft. Die Wucht <strong>von</strong> ISIS, die Trägheit und Tiefe<br />
<strong>von</strong> GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR, die Fragilität<br />
<strong>von</strong> NEIL ON IMPRESSION – ohne direkte Assoziationen<br />
an die genannten auszulösen, wissen OSD irgendwo in<br />
dieser Schnittmenge zu überzeugen. Auch tolles Artwork.<br />
Sehr, sehr gelungenes Gesamtwerk. Definitiv eine der aufregendsten<br />
Bands dieser Richtung derzeit. (47:29)<br />
Konstantin Hanke<br />
ODD PROJECT<br />
Lovers, Fighters, Sinners, Saints CD<br />
Indianola | Irgendwie wird’s immer schwieriger, etwas<br />
über Alben zu schreiben, die zwar sehr gut gemacht sind,<br />
einen aber nicht vom Hocker reißen. Soll ich schreiben,<br />
dass die Musik eigentlich langweilig ist? Werde ich da den<br />
Musikern gerecht, die ihr Herzblut in ihre Songs stecken?<br />
Schwierig, schwierig. Diesen Monat hat es ODD PROJECT<br />
erwischt, die in letzter Zeit wohl sehr viel AVENGED SE-<br />
VENFOLD und UNEARTH gehört haben müssen. Ihr Album<br />
„Lovers, Fighters, Sinners, Saints“ das auf dem Christenlabel<br />
Indianola erschienen ist, hat fast alles, was die Alben<br />
<strong>von</strong> oben genannten Bands auch haben: Schnelle Thrashriffs,<br />
heftige Breaks und einen keifenden Sänger. Dieser<br />
ist es auch, der beim durchgängigen Hören <strong>von</strong> „Lovers,<br />
Fighters, Sinners, Saints“ mit seiner Stimme gehörig auf die<br />
Nerven geht. Das war zu viel Axl Rose für mich ... Mal ganz<br />
abgesehen vom religiösen Hintergrund. Sebastian Wahle<br />
PPP<br />
PENITRAITORS<br />
Operation Rape CD<br />
ehcrecords.blogspot.com | Nein, hier handelt es sich nicht<br />
um die PENETRATORS, weder die New Yorker Protopunks<br />
noch die Surf-Kapelle aus Atlanta, und auch nicht, wie ich<br />
ja zuerst dachte, um die PENETRAITORS, die Streetpunks<br />
aus Erlangen. Nein, hier geht es um die PENITRAITORS –<br />
mit zweimal I wie Inselreich. Zu Hause in den West Midlands<br />
des Vereinigten Königreichs, sind sie dem lokalen<br />
Underground zutiefst verbunden. In den sechs Jahren seit<br />
Gründung der Band spielten sie dort Hunderte Gigs, ihre<br />
bisher einzige Tour führte sie für drei Shows nach Nord-Irland.<br />
„Operation Rape“ ist bereits ihr zweites Full-Length-<br />
Album, aufgenommen in der Wohnung ihres Sängers, was<br />
man leider auch hören kann. Trotzdem oder vielleicht<br />
auch deshalb besitzt ihre Mischung aus Oldschool-Punk,<br />
Ska und Metal jede Menge Charme, Energie – und Ohrwurmqualitäten:<br />
Irgendwann erwische ich mich nämlich,<br />
wie ich ihren Refrain „Let’s start a war / Let’s start a war!“<br />
vor mich hinsinge, na hoffentlich nimmt mich jetzt keiner<br />
beim Wort ... (32:08)<br />
Ute Borchardt<br />
PURE SOUND<br />
Submarine CD<br />
euphoniumrecords.com | „Submarine“ ist nach „Yukon“<br />
das zweite Werk des Ambient/Experimental-Projektes<br />
PURE SOUND, das sich unter der Leitung <strong>von</strong> Bassist<br />
Vince Hunt daran gemacht hat, atmosphärische Sounds zu<br />
einem bestimmten Thema zu erzeugen, über die (teils historische<br />
Aufnahmen <strong>von</strong>) Spoken-Word-Passagen gelegt<br />
werden. Dabei ist das Konzept eigentlich schön angelegt:<br />
Die Vertonung <strong>von</strong> Texten, die alle um U-Boote kreisen,<br />
soll natürlich im Kopf die entsprechenden Bilder erzeugen,<br />
das viel beschworene Kopfkino. Nun gelingt das dieses<br />
Mal wesentlich besser als im ersten Teil, auch wenn ich<br />
immer noch finde, dass bei diesem Hybrid aus Soundtrack<br />
und Hörspiel Musik und Text nicht wirklich gut harmonieren,<br />
für eine reine Instrumentalplatte ist die Musik aber<br />
auch zu unaufregend, obwohl man merkt, dass die Musiker<br />
es schon drauf hätten. Irgendwie wirkt das einfach reiflich<br />
unausgegoren. (28:07) (4)<br />
Chris Wilpert<br />
PERFECT RAT<br />
Endangered Languages CD<br />
Alone/Cargo | Die Zeiten, wo man versucht war, Musiker-<br />
Konstellationen <strong>von</strong> Leuten wie Greg Ginn und Jack Brewer<br />
als „Supergroup“ zu bezeichnen, dürften schon lange<br />
vorbei sein, es sei denn man ist unverbesserlicher SST-Nostalgiker.<br />
Die beiden haben sich hier mit drei Leuten <strong>von</strong><br />
TEN EAST und BAZOOKA-Saxophonist Tony Atherton zusammengetan<br />
und man ist nicht wirklich überrascht, dass<br />
das Endergebnis an die späten, vertrackten BLACK FLAG<br />
oder Ginns Solo-Projekte beziehungsweise den sperrigen<br />
Jazzrock <strong>von</strong> Brewers Band SACCHARINE TRUST erinnert.<br />
Schön, mal wieder was <strong>von</strong> Ginn und Brewer zu hören,<br />
die hier rauhen Improvisationsrock mit starken Jazz-<br />
Anleihen spielen, wo Brewer seinen markanten Sprechgesang<br />
beisteuert. Wer nicht zum ersten Mal etwas <strong>von</strong> Brewer<br />
und Ginn hört und bereits Platten dieser Herren sein<br />
Eigen nennt, bekommt hier nichts wirklich Neues geboten,<br />
wobei THE PERFECT RAT diese Art <strong>von</strong> Sound gekonnt auf<br />
den Punkt bringen. „Endangered Languages“ erinnert angenehm<br />
an Zeiten, in denen der Ruf <strong>von</strong> SST noch weniger<br />
<strong>von</strong> den Querelen mit ihren Bands überschattet war, wobei<br />
der Platte nichts wirklich Nostalgisches anhaftet, denn dieser<br />
Form <strong>von</strong> Jazzrock besitzt etwas Zeitloses und lässt sich<br />
nach wie gut goutieren, und kommt dem Gedanken <strong>von</strong><br />
Punk immer noch weitaus näher, als so vieles andere, was<br />
einem heutzutage unter diesem Etikett verkauft wird. (7)<br />
<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
PIG DESTROYER<br />
Phantom Limb CD<br />
relapse.com | Das Trio Infernale kehrt zurück und beschert<br />
der frenetischen Krachgemeinde mit einem neuen<br />
Strauß an kranken Melodien und kuriosen, vokalischen<br />
Ergüssen. PIG DE-<br />
STROYER sind sich ihrem<br />
doch recht einzigartigen<br />
Sound treu geblieben,<br />
wobei man sich hier<br />
doch ein wenig mehr in<br />
eher rockigere Gefilde<br />
gerne zu verirren scheint,<br />
was den Sound an sich<br />
aber keinen Abbruch tut,<br />
sondern für eine willkommene<br />
Abwechslung<br />
sorgt. Wo PIG DESTRO-<br />
YER draufsteht, ist nun<br />
mal auch PIG DESTROYER drin, und mit „Phantom Limb“<br />
stellen die Herren erneut ihren Ausnahmestatus im Wust<br />
der Grind-/Noise-Kapellen eindrucksvoll unter Beweis.<br />
Für mich die Platte dieser Ausgabe! Uwe Kubassa<br />
PINK TURNS BLUE<br />
Ghost CD<br />
Stroblight/Alive | PINK TURNS BLUE – benannt nach<br />
dem HÜSKER DÜ-Song „Pink turns to blue“ – schaffen<br />
es seit geraumer Zeit ihren an britischen Postpunk-Bands<br />
wie THE CHAMELEONS und THE SOUND angelehnten Stil<br />
auf hohem Niveau zu kultivieren, ohne Gefahr zu laufen<br />
als simple Kopisten stigmatisiert werden: das eint sie unter<br />
anderem mit IKON. „Ghost“ ist in vielerlei Hinsicht aktuellen<br />
Bands wie den EDITORS (unter anderem bei „Living<br />
your life“, „Break it“) oder INTERPOL („Ghosts“)<br />
nicht unähnlich, jedoch mit dem zentralen Unterschied,<br />
dass sich PINK TURNS BLUE die markante Ursprünglichkeit<br />
mit dem immer wieder durchblitzenden schneidenden<br />
Gitarren-Sound der erst genannten frühen Achtziger-<br />
Jahre-Bands bewahrt haben und auf jedwede zeitgemäße<br />
Glättung und Verwässerung verzichtet haben. Das unterscheidet<br />
sie extrem positiv vom teilweise überelaborierten<br />
Sound des neuen EDITORS Album. „Ghost“ ist eine schöne<br />
Mischung aus Balladen, ohne in die sonst übliche groteske<br />
und plakative Düstertristesse vieler Gothic-Bands zu verfallen,<br />
und sehr geradlinigen Rocksongs. Allerdings wird<br />
man einen hymnischen Song wie ihr großartiges „Walking<br />
on both sides“ vermissen. Das Album überspringt den<br />
Sommer problemlos und leitet den Herbst in Moll ein –<br />
all jenen empfohlen, denen das neue Album der EDITORS<br />
vielleicht zu glatt ist. (46:17) (9) Markus Kolodziej<br />
PALM SPRINGS<br />
No Hurt Like A Broken Heart CD<br />
Randomacts/Cargo | In den Augen vieler Leute waren<br />
GALAXIE 500 eine extrem langweilige Band, was die wohl<br />
über PALM SPRINGS denken mögen, die mit ihrem halbakustischen<br />
„Dreampop“ durchaus in eine ähnliche Kerbe<br />
schlagen. „No Hurt Like A Broken Heart“ ist jedenfalls<br />
eine dieser Platten, der man durchaus bescheinigen<br />
kann, an sich sehr schöne atmosphärische Popmusik englischer<br />
Prägung zu beinhalten, etwa wie AIR mit stärkerem<br />
Indierock-Bezug, ohne dass die Songs allerdings ihre etwas<br />
behäbige Nettigkeit überwinden könnten. Sieht man<br />
mal vom etwas markanteren vierten Song „Softly to fallen“<br />
ab, bleibt es bei allzu neutralem lautmalerischen Wohlklang,<br />
dem allerdings etwas irgendwie Sympathisches anhaftet,<br />
ohne dass man das genauer benennen könnte. Vielleicht<br />
würde PALM SPRINGS auch einfach nur eine gehörige<br />
Prise Exzentrizität à la FLAMING LIPS gut tun, um sie<br />
aus der Durchschnittlichkeit herauszukatapultieren. (6)<br />
<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
ANDREW PEKLER<br />
Cue CD<br />
Kranky/Cargo | Nach Platten auf Scape und Staubgold das<br />
erste Album <strong>von</strong> Andrew Pekler auf Kranky, der in Projekten<br />
wie SAD ROCKETS, BERGHEIM34 und MUCUS2 aktiv<br />
ist. Der in Usbekistan geborene, in Kalifornien aufgewachsene<br />
und nun in Berlin lebende Multi-Instrumentalist<br />
produziert hier ebenfalls in Home Recording-Tradition<br />
instrumentale Elektronik-Landschaften, die analoges<br />
mit digitalem Feeling verbinden, denn die Gitarre<br />
spielt hier nach wie vor eine große Rolle, und die sich damit<br />
noch irgendwie in eine Schublade wie Postrock stopfen<br />
lassen. „Cue“ ist dabei ein sehr chilliges, abwechslungsreiches<br />
Album zwischen Elektronik und Independent geworden,<br />
bei dem Pekler trotz eines experimentellen Ansatzes<br />
erstaunlich poppige Klänge erzeugt, die sich innerhalb<br />
der vibrierenden, verspielten Arrangements finden lassen.<br />
Das ist letztendlich nicht weit da<strong>von</strong> entfernt, was in den<br />
70ern deutsche Bands wie ASH RA TEMPEL, TANGERINE<br />
DREAM, NEU!, CLUSTER oder HARMONIA im Kontext<br />
<strong>von</strong> Krautrock aus ihren analogen Synthesizern herausholten,<br />
was „Cue“ aber nicht zu einer weniger charmanten<br />
Angelegenheit macht. Das liegt sicher auch an dem grundsätzlich<br />
lockeren, wenig kopflastigen Umgang <strong>von</strong> Pekler<br />
mit dieser Art <strong>von</strong> Musik, die einen nicht mit einem verkrampften<br />
akademischen Anspruch <strong>von</strong> ihrer Cleverness<br />
überzeugen will, sondern, wie schon gesagt, vor allem eines<br />
ist: Popmusik der etwas anderen Art. (9) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
POTTY UMBRELLA<br />
Forte Furioso CD<br />
Wet Music | POTTY UMBRELLA tourten kürzlich mit<br />
NOMEANSNO durch Polen, Deutschland und die Niederlande.<br />
Dabei reihen sie sich fabelhaft in die Riege der großen<br />
instrumentalen Support-Bands der Hardcore-Kanadier<br />
ein, denn schon REMOVAL, ebenfalls aus Kanada, und<br />
ZU aus Italien hatten das Vergnügen die Bühne mit NMN<br />
für einige Auftritte zu teilen. Sawek Szudrowicz an der Gitarre,<br />
Maciej Szymborski für Elekro-Piano und andere<br />
elektronische Klänge verantwortlich, Artur Makowiak am<br />
Keyboard, Lukasz Przycki am Bass, sowie Piotr Waliszewski<br />
am Schlagzeug waren vorher mit den Bands SOMETHING<br />
LIKE ELVIS und TISSURA ANI unterwegs (der Split-CD<br />
/DVDS<br />
DINOSAUR JR.<br />
Live In The Middle East DVD<br />
SonyBMG | J Mascis’ Schwager, der Berliner Filmemacher<br />
Philipp Virus, ergriff nach der Reunion <strong>von</strong> DINOSAUR JR<br />
die Gelegenheit, eine Live-Doku über die Familienband(e)<br />
zu drehen. Und so wurden<br />
im Dezember 2005<br />
im heimischen Boston<br />
der Auftritt im „The<br />
Middle East“ (daher der<br />
Titel; nein, J, Lou und<br />
Murph waren nicht in<br />
Arabien auf Tour) sowie<br />
der im New Yorker Irving<br />
Plaza gefilmt, und<br />
was soll ich sagen, so als<br />
Fan, die DVD ist überwältigend.<br />
Philipp Virus<br />
und seinem Film ist<br />
es durch nah an der Band<br />
dranbleibende Kameras<br />
und einen exzellenten<br />
Tonmann gelungen,<br />
den unfassbar brachialen<br />
Livesound <strong>von</strong> DINOSAUR JR lebensnah einzufangen,<br />
so dass man ein ums andere Mal vor seiner Glotze hängt<br />
und denkt „Fuck, was für eine unglaubliche Band, was für<br />
ein monströser, pervers lauter Gitarrensound!“. Mit „Gargoyle“<br />
geht es los, „Forget the swan“, „The wagon“, „Freak<br />
scene“, „Repulsion“, „Just like heaven“ und viele andere<br />
folgen, die Hits sind alle dabei, und so lässt einen diese DVD<br />
sehr glücklich zurück, ist sie quasi ein Best Of mit Bildern,<br />
und im Bonusteil gibt es dann unter anderem noch Interviewparts,<br />
wo etwa Kim Gordon, Mike Watt, Steve Albini<br />
oder Matt Dillon über ihr Verhältnis zu Mascis und Co. erzählen.<br />
Höhepunkt ist aber auf jeden Fall Thurston Moores<br />
Beschreibung seines ersten DINOSAUR JR-Konzertes, bei<br />
dem sich die Besucher eines New Yorker Konzertes <strong>von</strong> den<br />
anfangs leisen Tönen der Band täuschen ließen und <strong>von</strong><br />
Mascis erster Gitarrenattacke dann beinahe <strong>von</strong> den Füßen<br />
gerissen, ja sprachlos zurückgelassen wurden. Sehr schön.<br />
(9) Joachim Hiller<br />
DESTROY ALL MONSTERS<br />
Grow Live Monsters DVD<br />
mvdvisual.com | Durch das Interview mit Ron Asheton<br />
<strong>von</strong> den STOOGES stieß ich mal wieder auf den Namen<br />
dieser mysteriösen Formation, die 1973 <strong>von</strong> Frontfrau Niagara<br />
gegründet wurde und bei der Ron Asheton nach den<br />
STOOGES nicht nur eine Weile spielte, nein, er war auch<br />
mit Niagara liiert. Und interessanterweise war auch Michael<br />
Davis <strong>von</strong> der anderen wichtigen Proto-Punkband<br />
MC5 eine Zeit lang bei DAM. Die schafften es in den Jahren<br />
ihrer Existenz <strong>von</strong> 1973 bis 1985 (1995 gab es eine Reunion)<br />
nicht, eine einzige LP aufzunehmen, erst Jahre später<br />
wurde ihr Schaffen <strong>von</strong> Thurston Moore auf seinem Label<br />
mittels einer Dreier-CD-Box dokumentiert. Diese DVD ist<br />
nun sowas wie die visuelle Ergänzung der CD-Box und ist<br />
in Teilen eine Neuveröffentlichung eines Mitte der Neunziger<br />
erschienenen VHS-Tapes – und mitnichten Material<br />
für Leute, die hierüber die wirklich vorzügliche Psychedelic-Noiserock-Band<br />
mit betörender Sängerin kennen<br />
lernen wollen. DAM waren wohl immer auch eine Art<br />
Künstlerkollektiv, drehten reihenweise No-Budget-Filme<br />
mit 8- und 16mm-Material und wirrer Monster-Thematik,<br />
und diese sind hier dokumentiert, untermalt <strong>von</strong> dronigen<br />
Soundscapes. Ergänzt wird das Ganze durch diverse<br />
Bildergalerien und andere Extras, für ausgesprochen Fans<br />
also eine Fundgrube, für die Mehrheit jedoch sollte es bei<br />
dieser Band Audiomaterial tun. Joachim Hiller<br />
MENTORS<br />
El Duce Vita DVD<br />
mvdvisual.com | Vor ein paar Ausgaben frischte Dave Dictor<br />
<strong>von</strong> M.D.C. die Erinnerung an El Duce und die MEN-<br />
TORS durch eine nette Anekdote auf, und wer damals<br />
auf die 1977 in Los Angeles<br />
gegründete Band<br />
stieß und sich bislang<br />
nicht so recht vorstellen<br />
kann, was es mit diesen<br />
Meistern des Scum-<br />
Rocks so auf sich hat,<br />
der ist hier genau richtig<br />
– wie auch alle alten<br />
Fans des schmutzigen<br />
Mannes, gegen den die<br />
Phantasien eine Charles<br />
Bukowski <strong>von</strong> blütenweißer<br />
Reinheit waren.<br />
Die MENTORS, das waren<br />
Gitarrist Sickie Wifebeater,<br />
Bassist Dr. Heathen<br />
Scum (in den letzten<br />
Jahre zusammen mit<br />
KILL ALLEN WRENCH in ähnlicher Mission unterwegs)<br />
und Sänger Eldon Hoke alias El Duce. Die MENTORS waren<br />
vor GG Allin, DWARVES, KILL ALLEN WRENCH und GWAR<br />
die schmuddeligste Perversion der Rockmusik, die je existierte,<br />
und auch nach dem Betrachten dieser DVD (ich bin<br />
so froh, dass ausnahmsweise mal die Post den Umschlag<br />
nicht geöffnet hat ...) ist man nicht ganz sicher, wie sich<br />
hier echtes Asitum und ironisches Spiel mit Klischees proportional<br />
verhalten. Ganz klar: Das hier ist nichts für Menschen<br />
unter 18. Und statt des vom Label angegebenen Genres<br />
„Rock/Metal“ sollte da besser stehen „Rock/Mental“.<br />
Über die Hälfte der rund 50 Minuten laufenden DVD wird<br />
ausgemacht <strong>von</strong> einer Art Doku (in mieser NTSC-Qualität)<br />
über die MENTORS, faktisch einer Aneinanderreihung<br />
<strong>von</strong> trashigen Videoclips mit schmuddeligen Überleitungen<br />
und jeder Menge nackter Frauen und kleinschwänziger<br />
Männer. Wer die sexistischen Sprüche der Band, die<br />
Gewaltphantasien freilich bierernst nimmt, ist selbst ein<br />
Schwein, denn so derb El Duce in echt wohl drauf war, so<br />
ist/war diese Band (Punkrock!) ein mit Blut, Sperma und<br />
Kot verschmierter Spiegel der Gesellschaft, und wer angesichts<br />
<strong>von</strong> El Duces Name und seinem KKK-Spitzhut einen<br />
Nazi-Verdacht aufwärmen will, hat sicher sonst keine<br />
Probleme. Und sowieso ist El Duce längst tot: Vor 10 Jahren<br />
besoffen vom Zug überfahren, angeblich zum Schweigen<br />
gebracht, weil er der <strong>von</strong> Courtney Love gedungene Mörder<br />
ihres Gatten war ... Als Bonus gibt’s neben den Clips zu<br />
Songs wie „Golden showers“ und „All women are insane“<br />
noch Live-Schnipsel. (8)<br />
Joachim Hiller<br />
QUEERS<br />
Are Here DVD<br />
mvdvisual.com | Es ist inzwischen zwanzig Jahre her, dass<br />
die QUEERS ihre erste Single veröffentlichten. Es folgten in<br />
den Jahren darauf Unmengen an Plattenveröffentlichungen<br />
und noch mehr Tourneen und Konzerte, die QUEERS<br />
wurden einer der besten und populärsten Pop-Punk-<br />
Bands der Welt. Nun ist es an der Zeit, Jubiläum zu feiern.<br />
Und heutzutage macht man das gerne mal mit einer DVD,<br />
zumal es eine solche bisher <strong>von</strong> der Band noch gar nicht<br />
gab. So haben Joe Queer und seine Mitstreiter ihre Archive<br />
durchwühlt und Konzertmitschnitte aus den Jahren 1993-<br />
2005 zusammengetragen, das Ganze mit einigen Interview-<br />
und Backstage-Sequenzen garniert sowie ihre bisherigen<br />
Videoclips mit eingestreut. Herausgekommen ist ein<br />
guter Überblick über das Schaffen dieser Band. Zu bemängeln<br />
ist aber die arg schwankende Bild- und Tonqualität,<br />
die bei einigen Stücken nur noch erahnen lässt, um welches<br />
Lied es sich im Endeffekt gerade handelt. Doch Fans<br />
der Band, und für diese ist die DVD hier ja nun einmal auch<br />
gedacht, werden damit keine Probleme haben und können<br />
sich somit an Hits wie „Hi Mom, it is me“, Dont back<br />
down“, „Granola head“ oder „Sidewalk surfer girl“ erfreuen.<br />
(7)<br />
Abel Gebhardt<br />
SIOUXSIE<br />
Dreamshow DVD<br />
Warner | Für Siouxsie Sioux erfüllte sich ein Traum: Unterstützt<br />
<strong>von</strong> dem 15-köpfigen Orchester Millennia Ensemble,<br />
trat sie am 15. und 16. Oktober 2004 zusammen<br />
mit alten Weggefährten wie Ehemann und Schlagzeuger<br />
Budgie, dem BANSHEES-Gitarristen Knox Chandler sowie<br />
dem japanischen Taiko-Drummer Leonard Eto in der Royal<br />
Festival Hall auf. Musikalisch ging es durch die fast dreißig<br />
Jahre Bandgeschichte BANSHEES, inklusive der CRE-<br />
ATURES. Neben den üblichen Verdächtigen wie „Christine“<br />
(zum Ende mit einem etwas merkwürdig anmutenden<br />
Orgeleinsatz) „Dear Prudence“, „Happy house“ und „Cities<br />
in dust“ wird auch, wie schon erwähnt, den CREATURES<br />
etwa mit „Seven years“, „Godzilla!“, „2nd floor“ oder „Miss<br />
the girl“ ausgiebig Tribut gezollt. Lediglich die Kameraführung<br />
wirkt etwas distanziert und steril, aber schließlich<br />
spielte Siouxsie seit je her mit dem Bild der unerreichbaren<br />
Diva. Leider stehen die Streicher etwas im Hintergrund<br />
und dadurch entfalten die Songs nicht die Tiefe wie<br />
auf der EP „The Thorn“. Stimmlich hat Siousxie über die<br />
Jahre sicherlich auch einiges eingebüßt und nach über zwei<br />
Stunden Spieldauer hält sich meine Begeisterung in Grenzen.<br />
Es bleibt eher die stille Freude darüber, dass sich jetzt<br />
für Siouxsie ein so alter Wunsch erfüllt hat. Etwas mehr Atmosphäre<br />
entwickeln da die drei Warm-up-Auftritte, ohne<br />
Orchester, einige Tage vorher im legendären 100 Club. Fünf<br />
Tracks wurden als Bonus auf die DVD gepackt, natürlich<br />
auch „Hongkong Garden“. Noch persönlicher wird es im<br />
angehängten Interview mit Siouxsie und Budgie. Mit Konzert<br />
und den Extras (Interview, Soundcheck, Rehearsal, Gig<br />
im 100 Club) kommt die DVD so auf 187 Minuten Spieldauer,<br />
ist aber doch eher den echten Fans zu empfehlen.<br />
(7) Kay Wedel<br />
TÜREN<br />
Krieg der Dialektik DVD<br />
Staatsakt | Manchmal braucht es ein wenig Distanz, um die<br />
Dinge in ihrer richtigen Qualität zu erkennen. Keine große<br />
Weisheit, könnte aber stimmen. Mitten in den Aufnahmen<br />
zur dritten Platte haben sich die TÜREN zur Festplattenbesichtigung<br />
getroffen, um das Material <strong>von</strong> der letzten Session<br />
zu sichten. Zwei Jahre ist das her und anscheinend sind<br />
die Songs, die damals nicht „Unterwegs mit Mother Earth“<br />
waren, doch so okay, um sie der Welt nicht vorzuenthal-<br />
ten. Damit das Ganze nicht wie ein Restposten <strong>von</strong> Staatsakts<br />
Resterampe aussieht, wurde ein buntes Spiel-Spaß-<br />
Spannungspaket zusammengeschnürt, samt ausführlichen<br />
Linernotes, Memory zum Selberbasteln und natürlich mit<br />
den bisher unveröffentlichten Schätzen aus der TÜREN-<br />
Schatzkammer. 12 Songs sind drauf, als normale Sounddateien<br />
und als Videos, und fast klingt es, als hätten sich die<br />
GOLDENEN ZITRONEN mit BRUCE & BONGO zur Dada-<br />
Disco getroffen. Natürlich gibt es bei den Songs teilweise<br />
dicke qualitative Unterschiede und fast verwette ich meine<br />
F.R.-David-Sonnenbrille darauf, dass sich das auch in<br />
der Aufteilung der Tracks niederschlägt. Die Songs in den<br />
Kapiteln „Haushalt“ und „Trickkiste¡“ hätten eigentlich<br />
auch auf den normalen TÜREN-Alben ihren Platz finden<br />
können – „Kein Kopf“, „Ja zur Affirmation“ und „Gucken<br />
macht Spaß“ sind echte Hits, auch optisch. In der Abteilung<br />
„LoFi-Zen“ findet man dann noch einige kleine, sehr<br />
seltsame Video/Songminiaturen, die teilweise nicht zu<br />
Unrecht unter den Tisch gefallen sind. Macht aber insgesamt<br />
nichts, „Krieg der Dialektik“ ist trotzdem eine gute<br />
Zusammenstellung hübscher absurd-bunter Videos. Und<br />
wer keinen Bock drauf hat, soll bitteschön Memory spielen<br />
gehen.<br />
Tim Kegler<br />
V.A. Back To Future Festival –<br />
Freaks On Parade 2006 DVD<br />
Schellemedia/Broken Silence | Seit einigen Jahren wird<br />
im tiefen Osten Deutschlands, in Glaubitz, das Zwei-Tage-<br />
Festival in Sachen Punk, Oi!, Psychobilly und Ska, „Back To<br />
Future“, durchgeführt – mit wachsendem Erfolg. Fast dreißig<br />
Bands werden vorgestellt. Knappe drei Stunden bekommt<br />
man einen Einblick vor, auf und hinter die Festivalbühne<br />
2006. Wimi vom Label Vinyl Junkies führt über das<br />
Festivalgelände. Dabei werden in erster Linie die beteiligten<br />
Bands interviewt, bevor oder nachdem ein (Live-)Beitrag<br />
vom Festivalauftritt erfolgt. Leider ist Wimi selten gut<br />
auf eine Band vorbereitet, zu spontan erscheint das Ganze,<br />
so dass leider immer wieder die gleichen Fragen und dementsprechend<br />
auch ähnliche (belanglose) Antworten auftauchen.<br />
Die Festivalimpressionen mit musikalischer Untermalung<br />
sind ganz amüsant, allerdings langweilen irgendwann<br />
die besoffenen Fressen und vor allem deren<br />
doofes Gequatsche. Reduziert auf das Wesentliche, würden<br />
knackig-kompakte zwei Stunden daraus werden. Unterm<br />
Strich denke ich, dass diese DVD für die gut 2.000 Besucher<br />
des Festivals produziert wurde und für seine Hardcore-Fans,<br />
die es 2006 verpasst haben. Ansonsten empfehle<br />
ich allen Trinkfesten unter euch, „Back To Future“ 2007<br />
nicht zu verpassen, auf die Gefahr hin, dass ihr euch trotzdem<br />
nicht mehr daran erinnern werdet, was letztendlich<br />
bedeutet, dass es ein geiles Wochenende war mit viel Alkohol,<br />
noch mehr Punk, Oi!, Psychobilly, Rock’n’Roll und Ska<br />
und vielleicht etwas Sex. (177:00) Simon Brunner<br />
V.A. Metal’s Darkside II DVD<br />
magickrecords.com | Nachdem die erste DVD schon<br />
mit untergrundmäßigen Interviews <strong>von</strong> Jasmin St. Claire<br />
für biergetränkte Unterhaltung sorgte, wappnete ich<br />
mich vorsichtshalber vor dem Einlegen der zweiten Ausgabe<br />
mit genügend Gerstensaft, um mein Niveau schon mal<br />
erheblich runter zu saufen. Extrem trashig und ein wenig<br />
fremdschämend geht Miss Gangbang auch wieder an Interviews<br />
mit unter anderem SHADOWS FALL, EXODUS,<br />
BLACK DAHLIA MURDER, ARCH ENEMY und SUFFOCA-<br />
TION ran. Sehr kurzweilig und definitiv nicht nüchtern<br />
OX-FANZINE 82