REVIEWS - Webseite von Thomas Neumann
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<strong>REVIEWS</strong><br />
beispielsweise ist die ersten 90 Sekunden richtig gut. Aber<br />
dann kommt wieder dieses Gejaule und das geht einem<br />
spätestens nach dem zweiten Hören der Platte tierisch auf<br />
den Keks. Allerdings bekommt die Band circa siebenundzwanzig<br />
aufblasbare Gummipunkte für das geniale Nebenprojekt<br />
<strong>von</strong> ihrem Schlagzeuger und zwei ihrer Bläser, die<br />
SKANALINTRUDER (siehe Live-Bericht in dieser Ausgabe).<br />
Immerhin. (42:34) (6)<br />
Claudia Luck<br />
BROKEN BEATS<br />
In The Ruin For The Perfect CD<br />
Buback | Eine Band, die ihrem Sound und ihrer ursprünglichen<br />
Vision des Beatbrechens Album für Album treu<br />
bleibt. Schon bevor meine Anlage überhaupt eingestöpselt<br />
war, bestand kein Zweifel<br />
, dass die 11 Lieder absolut<br />
in sich harmonisch,<br />
poppig, mit Wortspielen<br />
beschmückt sein und<br />
einen gut portionierten<br />
Löffel Rock’n’Roll haben<br />
würde. Ich erwarte<br />
<strong>von</strong> meiner kleinen Liste<br />
an Lieblingsbands nur<br />
eins, nämlich dass ich<br />
mir keine Sorgen machen<br />
brauche, dass mir<br />
am nächsten Album etwas<br />
nicht gefallen könnte. Die BROKEN BEATS scheinen<br />
dies problemlos erfüllen zu können. Trotz des typischen<br />
Sounds schaffen sie es auch immer ein bisschen Neues<br />
<strong>von</strong> hier und ein bisschen Neues <strong>von</strong> da aufzugreifen und<br />
für sich in ihrem Stil umzuformen. Jede BROKEN BEATS-<br />
Platte spiegelt also auch ein wenig den momentanen Musikgeists<br />
wieder, was einen auch animiert, sich mit neuer<br />
Musik zu befassen, um die tollen neuen Einflüsse zu erkunden.<br />
Der Titel des Albums ist ebenfalls sehr viel sagend. Man<br />
bedenke nur wie viel Zeit es kostet, ein musikalisches Essay<br />
der Pop- und Rock’n’Roll-Gegenwart darzulegen. (9)<br />
Martha Biadun<br />
BIRCH BOOK<br />
Fortune & Folly CD<br />
Helmet Room | Ach, ist das schwierig mit diesen Neofolk-<br />
Barden! Da explodiert das überstrapazierte Label „Folk“<br />
in den letzten Jahren förmlich in so zahlreiche wie kreative<br />
Facetten wie Anti, Weird oder Free, findet sich namentlich<br />
in so tollen Künstlern wie Calvin Johnson, Kimya<br />
Dawson, DUFUS, HYPERJINX TRICYCLE, GRAVEN-<br />
HUSRT oder meinetwegen auch Elliot Smith verkörpert.<br />
Und was macht BIRCH BOOK aka B’eirth (der auch unter<br />
dem Namen GOWAN RING schon zahlreiche Neofolk-<br />
Releases vorzuweisen hat) auf diesem Album? Er klingt wie<br />
Cat Stevens oder Don McLean, mit dem Unterschied, dass<br />
die in ihrer Zeit eine gewisse Berechtigung hatten. Klar, die<br />
Songs sind schön, heimelig, man möchte fast ein Lagerfeuer<br />
im Zimmer anzünden, aber wer braucht das denn? Das<br />
Album gibt es limitiert auch in einer aufwändig gestalteten<br />
Box – da ich aber nur die popelige Promoversion vor<br />
mir habe, habe ich keine Ahnung, was da<strong>von</strong> zu halten ist.<br />
(45:55) (4) Chris Wilpert<br />
und Druck (ohne Bass, geht gar nicht!) vorgetragen, aber<br />
irgendwie ist es so inspirierend wie der letzte Todesfurz eines<br />
verglimmenden Joints. (5) Gereon Helmer<br />
LIGHTNING BEAT-MAN Baby Obsession 7“<br />
squoodge.de | Vier Songs aus dem umfangreichen Archiv<br />
des Beat-Mans rund um das Thema Baby (erwachsen und<br />
prä-adoleszent) aus den Jahren 1989 bis 1992 (wobei ich<br />
die Angabe 1889 bei „My baby’s child“ unter Tippfehler abhaken<br />
würde). Überraschungen gibt es zumindest musikalisch<br />
keine, der Lightning Beat-Man ist der Lightning Beat-<br />
Man und er bleibt der Lightning Beat-Man, so einfach ist<br />
das. One-Man-Band-Trash vom Feinsten, verzerrt, garageig<br />
und eben das Original. Wie immer bei diesem Label<br />
gilt: Zugreifen, solange es geht, die Auflage ist begrenzt und<br />
bisher hat dieses Label nicht wie andere nach einer ausverkauften<br />
Limitierung eine zweite, „ebenfalls streng limitierte“<br />
nachgeschoben. Aus ist aus! Für die ganz harten gibt es<br />
77 Stück der EP auf weißem Vinyl, das heute schon „gestern“<br />
war. (7)<br />
kalle stille<br />
MAD HILDA Fuck Tonight 7“<br />
madhilda.com | Haha, „Straps & Röll“ steht bei diesem<br />
Siebenzöller auf der Auslaufrille und das beschreibt die vier<br />
Songs dieser fünf aufgetakelten jungen Herren auch ganz<br />
gut. Tuntenrockiger, leicht rumpliger Glampunk fiele mir<br />
als Kategorisierung noch spontan ein, die Wahrheit liegt<br />
aber wohl irgendwo dazwischen. Jedermanns Sache sind<br />
MAD HILDA damit wahrscheinlich nicht, aber ich gebe<br />
zu, dass ich letztens noch total besoffen mit Wunderkerzen<br />
Purzelbäume auf der Bühne einer ähnlich aufgedonnerten<br />
Poser-Metalcombo geschlagen habe, deshalb kann<br />
ich mein Amüsement über diese Scheibe nicht verbergen.<br />
Macht Spaß!<br />
Bernd Fischer<br />
PATTI PALLADIN & JOHNNY THUNDERS<br />
Crawfish 7“<br />
Jungle | Jungle Records hat ganz tief in die Trickkiste gegriffen<br />
und ein unschätzbares Zeitdokument wieder neu<br />
auf Vinyl herausgebracht: Patti Palladin und Johnny Thunders<br />
im Duett sind mit „Crawfish“ einfach großartig und<br />
voller Seele und werden vielleicht nur noch <strong>von</strong> Lydia<br />
Lunch & Rowland S. Howard mit ihrer Interpretation des<br />
Lee Hazelwood-Klassikers (im Duett mit Nancy Sinatra)<br />
„Some velvet morning“ übertroffen. Großes Kino: a honeymoon<br />
in red. (9)<br />
Markus Kolodziej<br />
PROJEKT KOTELETT Ab und Schaum 7“<br />
klartext-rec.de | „Die deutschen SCORPIONS! Nur kultiger!“<br />
Mit dieser rechtlich womöglich nicht haltbaren Aussage<br />
auf dem Cover gehen die Hamburger Karnivoren-<br />
Punks an den Start, holzen sich virtuos durch drei neue,<br />
leichtfüßige Scumpunk-Klopper. Auf der A-Seite der Titelsong<br />
„Ab und Schaum“, der Band-Security gleichen Namens<br />
gewidmet, auf der Flipside die beidem eingedeutschten<br />
Cover-Nummern „Du machst den Abwasch“ und „Ich<br />
will zurück“, im Original <strong>von</strong> den QUEERS respektive<br />
NINE POUND HAMMER. Wie man sieht, die Herren haben<br />
Geschmack. Guten Appetit und Prost! (7) Joachim Hiller<br />
PAWNSHOP ORCHESTRA<br />
Fantaundkotze 7“<br />
lolila.de | So der Name der <strong>Webseite</strong>, deren Besuch ich<br />
unbedingt empfehlen soll ... Und möchte! Denn nicht nur<br />
die mir vorliegende, sehr schöne 7“ <strong>von</strong> Knuddel-Singer/<br />
Songwriter Daniel Decker aka PAWNSHOP ORCHESTRA<br />
ist dort zu bestaunen als auch zu bestellen, sondern noch<br />
ein paar andere Kleinode mehr ... Die Single als sexy Superlativ<br />
der Indiependent-Szene, so wollen das viele sehen<br />
und dieser Ansicht sind wohl auch die Damen und Herren<br />
<strong>von</strong> LoLiLa Records aus Kaarst (nahe Düsseldorf gelegen).<br />
Recht haben sie! Die vorliegende Single mit dem Titel<br />
„Fantaundkotze“ ist mit zwei wunderschönen, charmanten,<br />
folkigen Indiesongs in deutscher Sprache bespielt<br />
und lohnt die Anschaffung. Kommt bunt instrumentiert<br />
BISH<br />
s/t CD<br />
Little Teddy/Broken Silence | Hinter der Band BISH steht<br />
Darryl Hunt, der den meisten wohl durch seine Mitwirkung<br />
bei den POGUES bekannt sei dürfte. Aber im Gegensatz<br />
zu den POGUES bieten die 10 Titel auf „Bish“ ruhige<br />
entspannte Popmelodien ohne Schnörkel im Raum zwischen<br />
VELVET UNDERGROUND und den GO-BETWEENS.<br />
Gitarre, Bass, Schlagzeug und eine scheinbar endlos dahin<br />
fließende Orgel entfalten einen wunderbaren Klangteppich<br />
– so klingt zeitlose Popmusik. Nur die Zeiten, dass so<br />
etwas auch im Radio läuft sind wohl vorbei, dabei gibt es<br />
gleich zu Beginn mit „Clever girl“, „Tell me“ und „Hey, you<br />
don’t have to say it“ drei herrliche Ohrwürmer. Aber halt,<br />
stop! Eigentlich hat jeder Song dieses gewisse Etwas, eben<br />
diesen Kick der dafür sorgt, dass eine Strophe oder ein Gitarrenriff<br />
im Ohr hängen bleibt. (45:26) (7) Kay Wedel<br />
CCC<br />
CAREER SOLDIERS<br />
Loss Of Words CD<br />
punkcore.com | Oh Mann, wieder nix fürs Essen mit Kerzenschein<br />
und anschließender Fummelaktion mit der<br />
Liebsten. CAREER SOLDIERS aus San Diego machen hoch<br />
energetischen Punk. Eine Fast-forward-Band, die <strong>von</strong><br />
Mark, dem Fronttypen <strong>von</strong> UNSEEN, entdeckt wurde. Dieser<br />
hat dann auch das erste CAREER SOLDIERS-Album auf<br />
seinem Label A.D.D. veröffentlicht. Nun ist ihr zweites Werk<br />
am Start und zwar erscheint das diesmal auf Punkcore. Für<br />
Freunde <strong>von</strong> VIRUS, CHEAP SEX und den CASUALTIES ein<br />
feiner Happen. 12 Songs in 30 Minuten. (7) Dennis Bruns<br />
CALIBAN<br />
The Awakening CD<br />
roadrunnerrecords.de | „The Undying Darkness“ liegt erst<br />
ein Jahr zurück und schon legen CALIBAN mit „The Awakening“<br />
direkt nach. Geboten wird hierbei das, was geneigter<br />
Fan der Band serviert haben möchte – eingängige<br />
melodischer, doublebass- und moshlastiger Death Metal<br />
mit dicker Produktion und einer Träne im Knopfloch.<br />
Auch wenn CALIBAN hier im Vergleich zu den beiden Vorgängern<br />
wieder eine etwas härtere Gangart eingelegt haben<br />
(was ihnen durchaus steht) und so mancher Track im Kreise<br />
Nichtvolljähriger wahren Hitcharakter entfalten mag,<br />
erfinden die Jungs ihren Sound nicht neu. Das muss ja auch<br />
nicht sein, da eine nahezu völlig ausverkaufte Tour und<br />
entsprechende Verkaufszahlen eben andere Worte sprechen<br />
mögen, als diese vom Gesamtergebnis doch etwas gelangweilte<br />
Rezension. (44:17) (6)<br />
Carsten Hanke<br />
BILL CALLAHAN<br />
Woke On A Whaleheart CD<br />
Drag City/Rough Trade | Ähnlich wie auch Kollege Will<br />
Oldham hatte man bei Bill Callahan und seiner Band<br />
SMOG häufiger in den letzten Jahren mal das Gefühl, die<br />
Herren würden sich in einer elegisch-depressiven Abwärtsspirale<br />
befinden, was manchmal wirklich zu viel des<br />
Guten war. Insofern nimmt man erfreut zur Kenntnis, dass<br />
„Woke On A Whaleheart“, Callahans erstes Album unter eigenem<br />
Namen, eine erstaunlich lebendige Angelegenheit<br />
und mit liebenswertem Schrammelcharakter um die Ecke.<br />
Denn Singles sind sexy und machen dich zum crazy Typen<br />
in der großen Pause auf dem Bolzplatz! Also los, go for it,<br />
Platten-Nerd!<br />
JörKK Mechenbier<br />
PINK FITS Don’t Ask Why 7“<br />
myspace.com/outbackrnr | Den „Crowdpleaser“ „Don’t<br />
ask why“ kennt man bereits vom unlängst erschienenen<br />
Debütalbum der aus Wollongong nahe Sydney stammenden<br />
arschtretenden Rock’n’Roller, doch die B-Seite<br />
der Single ist unveröffentlicht – und ein Cover: „Just one<br />
more dance“ <strong>von</strong> den MUMMIES wurde nachgespielt, und<br />
die Band ist der Meinung: „This rips the bandages off those<br />
motherfuckers“. Mumienschändung oder was? Von wegen,<br />
die PINK FITS dürfen wegen überschäumender Spielfreude<br />
fast alles. Freunde raunchy Aussie-Punks greifen auch<br />
hier wieder zu. (7)<br />
Joachim Hiller<br />
RIPPERS / TURBONEGO Split-7“<br />
Satan | Bei diesen RIPPERS hier handelt es sich um die<br />
spanische Band, die schon seit 1995 existiert und sehr angenehmen,<br />
dunklen Punkrock spielt, der bei „One blue circle“<br />
verblüffend an die WIPERS erinnert. Mit denen sollte<br />
man sich auf jeden Fall mal eingehender beschäftigen,<br />
während das bei den Herren <strong>von</strong> der B-Seite als bereits geschehen<br />
vorausgesetzt werden kann. Wie allerdings deren<br />
uraltes EBBA GRÖN-Cover „Staten och kapitalet“ (sowie<br />
„I don’t care about you“) seinen Weg auf diese 7“ gefunden<br />
hat, ist rätselhaft. Die Tatsache, dass die Katalognummer auf<br />
der einen Seite des Vinyls ausgekratzt ist, kann da freilich<br />
einen Hinweis geben ... Sammlerstück! (8) Joachim Hiller<br />
RADAR War Out There 7“<br />
EMI | RADAR bringen ihre zweite stark Ska- und Dub-insprierte<br />
Single heraus (unter der Obhut der GORILLAZ-<br />
Produzenten) und schaffen einen wirklich perfekten Hybrid<br />
aus THE STREETS, mit ausgeprägter Ähnlickeit zu Mike<br />
Skinners Stimme, und THE SPECIALS. Rotes Vinyl mit 80er<br />
Jahre inspirierter D.I.Y.-Coverästhetik und „additional vocals“<br />
die stilgerecht <strong>von</strong> den „people and police of Brixton“<br />
stammen. Bitte mehr da<strong>von</strong>. (8) Markus Kolodziej<br />
ROCK’N’ROLL ADVENTURE KIDS<br />
Hot Dog 7“<br />
Bachelor | Waaaaaahnsinn! Der absolut obergeilste und<br />
durchgedrehteste Scheiß, den ich seit langem gehört habe!<br />
Bis gerade eben lag ich noch ekstatisch zuckend auf dem<br />
Boden. Ich kann es nur vermuten, aber wahrscheinlich<br />
wurden die zwei Songs <strong>von</strong> hyperaktiven Punkrock-Cowboys<br />
auf dem geistigen Niveau <strong>von</strong> Sechsjährigen aufgenommen.<br />
Das ist verdammt nah an der Grenze zum perfekten<br />
Rock’n’Roll-Wahnsinn und damit auch verdammt<br />
nah an der Grenze zur Genialität! Ich stelle jetzt erstmal<br />
Nachforschungen an, welchem kranken Hirn diese Scheibe<br />
entsprungen ist, alle anderen kaufen sich in der Zwischenzeit<br />
dieses göttliche Stück Vinyl! (10) Bernd Fischer<br />
SUSPICIONS First Love 7“<br />
Bachelor | Das Album der SUSPICIONS auf Rip Off Records<br />
fand ich ja nur eher durchschnittlich, aber auf Singlelänge<br />
relativiert sich sowas natürlich ein bisschen. Zwei<br />
hübsche, leicht sentimentale Songs finden sich auf diesem<br />
Siebenzöller, die sich im altbekannten Powerpop-meets-<br />
Budgetrock-Gewand präsentieren und mich einmal mehr<br />
an die EXCESSORIES und ähnlich gelagerte Bands denken<br />
lassen. Sympathische Scheibe. (7) Bernd Fischer<br />
STAGGERS s/t 7“<br />
Bachelor | Es hat nicht lange gedauert, obwohl es eigentlich<br />
längst überfällig war: Die Grazer STAGGERS, mit Sicherheit<br />
die beste Garagetrash-Combo aus der Ostmark,<br />
hat endlich mal die Intensität eines ihrer berüchtigten<br />
Gastspiele in Vinyl ritzen lassen. Und Bachelor Records hat<br />
die feine, qualmende Performance der STAGGERS, vergangenen<br />
Mai im Berliner Club „Lovelite“ aufgenommen, nun<br />
geworden ist, sicher nicht zuletzt durch die Mitarbeit <strong>von</strong><br />
Neil Michael Hagerty (PUSSY GALORE, ROYAL TRUX),<br />
der maßgeblich an den Arrangements und der Produktion<br />
beteiligt war. Das merkt man den ersten Songs „From<br />
the rivers to the ocean“, „Footprints“ und „Diamond dancer“<br />
auch sofort an, die für Callahan-Verhältnisse opulent<br />
instrumentiert sind und fast als Popsongs durchgehen<br />
könnten – so was hat man <strong>von</strong> dem Mann in dieser<br />
Form schon lange nicht mehr gehört. „Woke On A Whaleheart“<br />
hält sich mit LoFi-Homerecording-Ästhetik angenehm<br />
zurück, ohne dass sich etwas am grundsätzlichen<br />
Feeling des Callahan’schen Songwritings geändert hätte,<br />
nur ist dessen Melancholie diesmal eingebettet in einen<br />
fetten, erstaunlich rockigen Bandsound, der sich plakativer<br />
als sonst bei Einflüssen aus Country oder Soul bedient,<br />
was die Platte eventuell tatsächlich zum Beginn einer neuen<br />
Phase in Callahans Schaffen machen könnte. Zumindest<br />
könnte man tatsächlich auch mal an einem dunklen, verregneten<br />
Tag Lust verspüren, „Woke On A Whaleheart“ aufzulegen.<br />
(8)<br />
<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
CRIPPLED BLACK PHOENIX<br />
A Love Of Shared Disasters CD<br />
invada.co.uk /Cargo | Das Fabelwesen im Namen haben<br />
CRIPPLED BLACK PHOENIX, bei denen unter anderem<br />
Musiker <strong>von</strong> ELECTRIC WIZARD und MOGWAI spielen,<br />
durchaus mit Bedacht ausgewählt. Denn so wie der Phönix<br />
immer wieder aus seiner eigenen Asche neu ersteht, scheinen<br />
sich die Engländer mit jedem Song neu zu definieren.<br />
Mit dem löchrigen Netzt aus Worten einer einzigen Rezension<br />
lässt sich diese Band jedenfalls nicht einfangen. Zwar<br />
meint man, aus der Vogelperspektive der Band manchmal<br />
markante geografische Besonderheiten wie den OKKERVIL<br />
RIVER oder den Saddle Creek auszumachen, richtig sicher<br />
ist man sich aber nie. Letztendlich ist es auch gar nicht so<br />
wichtig, wo genau auf der musikalischen Landkarte man<br />
sich gerade befindet, denn runter kommen sie schließlich<br />
alle. Im Falle <strong>von</strong> CRIPPLED BLACK PHOENIX dank der<br />
„200 tons of bad luck“, die ihre beispielsweise mit Harmonium,<br />
Violine, Trompete oder Akkordeon instrumentierten<br />
„endtime ballads“ mit sich herumschleppen. Und wer sich<br />
<strong>von</strong> ihnen runterziehen lässt, wird erschrocken feststellen,<br />
wie groß die Probleme <strong>von</strong> Menschen sein können, die<br />
<strong>von</strong> oben betrachtet winzig klein aussahen. Früher glaubte<br />
man, dass die Tränen des Phönix Wunden heilen können.<br />
CRIPPLED BLACK PHOENIX funktionieren nach einem<br />
ähnlichen Prinzip: Ihre Lieder helfen beim Weinen,<br />
dem ältesten Schmerzmittel der Welt. <strong>Thomas</strong> Renz<br />
COLD BLEAK HEAT<br />
Simitu CD<br />
family-vineyard.com | Das zweite Album dieses Quartetts<br />
ist ein reines Free-Jazz-Werk, das in seiner uferlosen Kakophonie<br />
und scheinbaren Strukturlosigkeit an große Vorbilder<br />
wie Albert Ayler oder Ornette Coleman gemahnt. Hätte<br />
ich noch vor wenigen Jahren, jeden, der mir mit einer<br />
Platte wie dieser gekommen wäre, auf der sich keine Gitarren,<br />
stattdessen Saxophon und Trompete zum Krachmachen<br />
finden, mit wüsten Flüchen, wenn nicht sogar hangreiflich<br />
in die Flucht geschlagen, würde ich Musiker wie<br />
diese mittlerweile auf eine Stufe mit THE FLYING LUT-<br />
TENBACHERS, ARAB ON RADAR, ONEIDA oder AIDS<br />
endlich in einer knallhart auf 800 Exemplare limitierten<br />
Auflage auf den Markt gebracht. Es gibt vier schöne Songs,<br />
alles Cover (Don & Deweys „Justine“, Bo Diddleys „Roadrunner“,<br />
„Howlin’ for my darling“ der SYNDICATS sowie<br />
den Arthur Lee-Song „My flash on you“), Frontmann Wild<br />
Evel krächzt sich die Seele aus der ramponierten Kehle, die<br />
Band platzt vor Spielfreude und eigentlich ist alles gut. Jedenfalls<br />
gefallen mir die STAGGERS live immer schon besser<br />
als im Studio, und mit dieser EP können sich auch die<br />
bemitleidenswerten Kreaturen, die niemals eine STAG-<br />
GERS-Show mit eigenen Augen und Ohren erleben durften,<br />
da<strong>von</strong> überzeugen, dass man es hier mit einer der talentiertesten<br />
Showtruppe Mitteleuropas zu tun hat. (8)<br />
Gereon Helmer<br />
SATANIC PUNK INTERNATIONAL<br />
CONSPIRACY Fireballs! 7“<br />
indierecs.com | Ich mag es, wenn man über die zu reviewende<br />
Band einfach keine einzige Information auftun kann.<br />
Die „Fireballs!“-EP <strong>von</strong> SATANIC PUNK INTERNATIONAL<br />
CONSPIRACY enthält ein paar gepixelte Fotos, die Nahaufnahme<br />
einer Flamme als Cover, hinten drauf eine kleine<br />
gekritzelte Bombe mit der Unterschrift „West Texas Uber<br />
Alles“ – könnte das Label sein – und, ach ja, innen scheint<br />
eine Kontaktadresse zu stehen, aber die kann man beim<br />
besten Willen nicht lesen. Von einem Infoblatt natürlich<br />
keine Spur. Es zählt also allein die Musik und der Gedanke<br />
an eine entweder sehr dumme oder extrem coole Band,<br />
denen der Bekanntheitsgrad schlicht egal ist. Doch sich<br />
musikalisch für gut oder schlecht zu entscheiden, fällt mir<br />
bei drei Songs dieses Kalibers schwer. Die Adjektive „krachig“,<br />
„dilettantisch“ und „übertrieben ausgelassen“ müssen<br />
auf jeden Fall auftauchen. Die passende Schublade gibt<br />
es noch nicht, dafür müsste erstmal jemand eine mit dem<br />
Schildchen „77er Heavy Hardcore Deathpunk Metal“ oder<br />
so versehen. Ah, ich finde gerade die MySpace-Seite. Die<br />
Infos: Auf dem Cover verbrennt gerade Skeletor („justice<br />
is served ...“), die Jungs kommen aus Texas, das Label ist das<br />
alles andere als kleine und nur auf Punk beschränkte Independent<br />
Records (indierecs.com) und der positive Eindruck<br />
<strong>von</strong> S.P.I.C. erhärtet sich: dumm und extrem cool!<br />
(8) Mario Turiaux<br />
SHOCKS Endsieg 7“<br />
pukenvomitrecords.com | Parallel zur Veröffentlichung<br />
des neuen SHOCKS-Albums „Brace ... Brace ...“ erscheint<br />
auf dem US-Label Puke And Vomit noch eine Single der<br />
Berliner. Auf der A-Seite „Endsieg“ vom Album (mit beigelegter<br />
englischer Übersetzung), auf der B-Seite das kompetent<br />
umgesetzte LOS REACTORS-Cover „Just another<br />
unit“. Abermals beeindruckend, wie das Trio seinen ganz<br />
eigenen und extrem kompakten Stil pflegt, der irgendwo<br />
zwischen 77er UK-Punkrock und dem Zeug angesiedelt<br />
ist, das deutsche Bands zu einem Zeitpunkt spielten, kurz<br />
bevor der Begriff „New Wave“ eine ganz furchtbare Eindeutschung<br />
erfuhr. (7)<br />
André Bohnensack<br />
WOLF stellen und kann jedem, der die genannten Bands<br />
schätzt, COLD BLEAK HEAT nur empfehlen. Überhaupt<br />
ist es faszinierend, den Ideenreichtum und die Vielfältigkeit<br />
dieser Band zu hören, die diese sechs mal unsäglich<br />
lauten, mal atmosphärisch dichten Songs einfach so mir<br />
nichts, dir nichts an einem Tag aufgenommen haben. Wenn<br />
mehr Punk/HC-Bands es schaffen würden, ihre zu Genüge<br />
zur Schau gestellte Virtuosität auf ähnliche Weise mit soviel<br />
Spontaneität und Abwechslung zu paaren, anstatt an<br />
den langweiligen Strukturen des Rock festzuhalten, könnte<br />
ich diesem Genre vielleicht auch wieder mehr abgewinnen.<br />
So halte ich es mit <strong>Thomas</strong> (aus seiner Review zu der<br />
großartigen FREQUENCY-Platte): Jazz ist eben nicht gleich<br />
Jazz. (69:52) (8)<br />
Sir Hc Chris Wilpert<br />
CHILD ABUSE<br />
s/t CD<br />
lovepumpunited.com | Der Name dieses aus Brooklyn<br />
stammenden Trios, das zuvor eine Split mit MIRACLE OF<br />
BIRTH aufgenommen hatte, verweist durchaus treffend auf<br />
den kranken Sound dieser Platte, die ein Bild <strong>von</strong> Albert<br />
Oehlen mit dem Titel „Chucky“ schmückt, wo tatsächlich<br />
das Konterfei der Horrorpuppe auftaucht. Nicht überraschend,<br />
dass dieser hektische Jazz-Core ausgerechnet aus<br />
New York kommt, der in diesem Fall auch noch mit Death<br />
Metal gekreuzt zu sein scheint. Wer also auf Sänger steht,<br />
die sich auf Urschreitherapie verstehen, Keyboarder, die<br />
mit der Faust direkt mehrere Tasten anschlagen, und deren<br />
Umgang mit generell allen Instrumenten wenig zartbesaitet<br />
ist, kann hier auf eigene Gefahr mal ein Ohr riskieren.<br />
Im Gegensatz zu Bands wie ALBOTH!, BOREDOMS, RUINS<br />
oder auch LOCUST läuft dieser hyperaktive Geräuschangriff<br />
aber mehr oder weniger an mir vorbei, ohne wirklich<br />
Eindruck zu machen. CHILD ABUSE lassen zwar beherzt<br />
die musikalische Sau raus und gehen einem gekonnt<br />
auf die Nerven, aber man legt keinen großen Wert darauf,<br />
sich ein weiteres Mal mit dieser Platte auseinander zu setzen,<br />
was wohlmöglich auch Sinn der Übung war. (4)<br />
<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />
COCKTAIL SLIPPERS<br />
Mastermind CD<br />
Wicked Cool | Amerikanische Neuauflage dieses Albums<br />
der norwegischen COCKTAIL SLIPPERS, zu dem Kollege<br />
Ritchie Apple bereits im Ox #58 folgende <strong>von</strong> mir nur<br />
zu unterstreichende Worte fand: Die vier äußerst aparten<br />
„Party-Treterchen“, die vor Jahren bereits unter dem<br />
Namen BARBARELLAS versuchten die europäische Garagen-Szene<br />
mehr oder minder erfolgreich aufzumischen,<br />
haben mit „Mastermind“ einen weiteren Schritt in die<br />
richtige Richtung getan, denn ihre vorzügliche Mischung<br />
aus Powerpop, Garage und R’n’R hat mittlerweile ein extrem<br />
hohes Qualitätslevel erreicht und macht sie zusammen<br />
mit den wunderbaren ULTRA BIMBOOS zu Alleinherrscherinnen<br />
ihrer Zunft. Neben der Eingängigkeit der<br />
Songs und der nahezu perfekt auf ihren Sound abgestimmten<br />
Produktion, fällt vor allem der hohe Pop-Appeal auf,<br />
der über jedem einzelnen der zehn Tracks, wie auch immer<br />
er geartet sein mag, schwebt. Leider spielt Lisa Farfisas<br />
Orgel auf „Mastermind“ eine weniger dominante Rolle als<br />
auf ihrem Vorgänger, dafür aber bewegt sich der Ausschlag<br />
der Nadel des durchgetretenen Distortion-Pedals <strong>von</strong> Madame<br />
Rocket Queen konstant im roten Bereich. Das Ergebnis<br />
einer Symbiose der GO-GO’S und der DONNAS würde<br />
wohl den Namen COCKTAIL SLIPPERS tragen. (29:41) (8)<br />
Bernd Fischer<br />
CUBA MISSOURI<br />
Things I Wish I Had Not Called Just Things CD<br />
Make My Day/Alive | Der Zweitling des Münster-Osnabrücker<br />
Quartetts hat unbestritten seine Höhen. Der deklamierende<br />
Schluss <strong>von</strong> „Slow ground“ und verschiedene<br />
Gitarreneinsätze fallen da schnell ein. Überhaupt scheinen<br />
sich heute kaum noch Leute zu trauen, diese ohne Fachbegriffe<br />
schwer zu umschreibenden, geöffneten, halbdissonanten<br />
aber trotzdem harmonischen NOTWIST-Riffs<br />
mit so einer Lust zu spielen. Vom Sound ist da alles in Butter,<br />
die Zutaten stimmen und „Things I Wish ...“ führt den<br />
Weilheimer 90er-Indierock zeitgemäß weiter. CUBA MIS-<br />
SOURI bleiben dabei der Gitarrenbasis wesentlich treuer<br />
als ihre hörbaren Vorbilder, was nicht heißen soll, dass sie<br />
nicht auch offen für neue Sounds wären. Aber wie schon<br />
beim Erstling vermisse ich auch diesmal das Quäntchen,<br />
das die Musik zwingend macht, die letzte Konsequenz oder<br />
Brillanz, die es unvermeidbar machen, ihr zu verfallen.<br />
Gut. (41:16) (6)<br />
Christian Maiwald<br />
CEPHALIC CARNAGE<br />
Xenosapien CD<br />
relapse.com | Ziemlich verwundert war ich, als mir auf<br />
einmal ein neues Album der Musiker mit dem grünen<br />
Daumen auf dem Tisch geflogen ist. Wie nicht anders zu erwarten,<br />
wird der Durchschnittsmetaller außen vor gelassen<br />
und dürfte an sich auch mit diesem hybriden Bastard aus<br />
Metal, Grind und jazzig vertrackten Hyperparts vollkommen<br />
überfordert sein. Wie selbstverständlich vermischen<br />
die werten Musiker unterschiedliche Stile sehr gekonnt<br />
miteinander und ziehen dabei noch mächtig das Tempo an.<br />
Solche musikalische Präzisionsarbeit wird umso Ehrfurcht<br />
gebietender, wenn man die Band livehaftig auf der Bühne<br />
erleben durfte. Wahnsinnige Band, geiles Album: Pflicht!<br />
Uwe Kubassa<br />
CRESTLERS<br />
Silicon Confidence MCD<br />
Zorch | Na gut, inzwischen haben wir auch alle mitbekommen,<br />
dass es im schwedischen Örebro eine höchst aktive<br />
Musikszene gibt. Bereits seit rund zwanzig Jahren sind<br />
auch die CRESTLERS ein Bestandteil derselben. Und wer<br />
so lange zusammen musiziert, der bleibt selten stehen und<br />
schaut hier und da mal über seinen Tellerrand, der in diesem<br />
Fall Rockabilly heißt. Doch dazu gesellen sich auf dieser<br />
Mini-CD zahlreiche Einflüsse, die <strong>von</strong> Country, Bluegrass,<br />
Blues und Rock’n’Roll bis hin zum Punk reichen.<br />
Also einmal querbeet durch die letzten 50 Jahre Musikgeschichte.<br />
Das klingt stimmig und läuft gut rein, ohne allerdings<br />
neue Maßstäbe zu setzen und sonderlich aufzufallen.<br />
Und ehe man sich versieht, sind die sieben Stücke auf „Silicon<br />
Confidence“ schon wieder vorbei. Das lässt den Hörspaß<br />
ein wenig mau ausfallen. (21:18) (6) Abel Gebhardt<br />
CHERRY OVERDRIVE<br />
Clear Light CD<br />
heptownrecords.com | Vier adrette junge Damen in mit<br />
psychedelischen Müsterchen dekorierten Minikleidchen<br />
spielen auf ihrem Debütalbum „Clear Light“ ziemlich<br />
straighten Biker-Rock, klebrig wie Kettenfett und schmierig<br />
wie eine Dose Motoröl. Erinnert mich vom rauhen Gesang<br />
her gelegentlich an L7, doch die Gitarren braten nicht<br />
so undifferenziert wie bei den Grunge-Gören, und die<br />
Bandbreite ist auch etwas größer. Sie bedienen sich gleichermaßen<br />
an Stoner-Klischees wie 60s Girl-Group-Elementen,<br />
man stelle sich die SHANGRI-LAs auf einer wilden<br />
Dosenbierparty mit anschließender Session mit den<br />
GIRLSCHOOL-Damen vor. Schwedens Psych-Rock-Titanen<br />
THE SOUNDTRACK OF OUR LIVES mit weiblichem<br />
Gesang könnten so ähnlich klingen. Insgesamt kein wirklich<br />
großer Wurf, dieses Album, doch wenn die Damen<br />
mal das Tempo und den Druck etwas reduzieren, kommt<br />
manchmal eine feine kleine Surf-Instro-Ballade wie „The<br />
OX-FANZINE 65