06.05.2014 Aufrufe

REVIEWS - Webseite von Thomas Neumann

REVIEWS - Webseite von Thomas Neumann

REVIEWS - Webseite von Thomas Neumann

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>REVIEWS</strong><br />

Typen genauer anzuhören. So warf ich feierlich mein Klischeedenken<br />

über Bord. Ein gerapptes Kauderwelsch schäkert<br />

gleich zu Beginn dieser CD erfolgreich mit jenen übrig<br />

gebliebenen Schema-Fs in meinem Kopf. Aber so einfach<br />

hat man es nicht, mit den vielen Schublädchen. Ein Meister<br />

des „Beatboxing“ ist er, Percussion, auch das wummernde<br />

Didgeridoo macht er selbst. Ein ungewohnt cleverer Ragga-<br />

Elektro-Folk-Punk-HipHop, gespickt mit Sound Samples,<br />

erheiternden, messerscharf kritischen Texten, eng umschlungen<br />

<strong>von</strong> einem unglaublichen Vibrato. „Use the media,<br />

confuse the media /Nutzt die Medien, verschmutzt die<br />

Medien.“, so stopft er hoffentlich noch sehr lange seine Gedanken<br />

in Worthülsen und feuert sie gen Himmel. Möge<br />

dir das daraus resultierende Feuerwerk den Weg bunt ausleuchten,<br />

auf dem schlammigen Pfad des schwachsinnigen<br />

Alltags. Amen. (10)<br />

JeNnY Kracht<br />

VORKUTA<br />

Into The Chasms Of Lunacy CD<br />

paragonrecords.net | Braucht man 2007 wirklich noch<br />

eine weitere Band, die DARK THRONE, die frühen BATHO-<br />

RY, CELTIC FROST und diese Ein-Mann-Band, deren Namen<br />

ich nicht nennen werde, weil da nur ein blöder Nazi<br />

hinter steckt, zu ihren größten Einflüssen zählt, es aber<br />

nicht mal ansatzweise schafft, deren Niveau zu erreichen?<br />

Eine innovative Bereicherung des Genres mag man ja gar<br />

nicht erst erwarten, aber die Ungarn VORKUTA hängen auf<br />

ihrem Debütalbum einfach alle musikalischen Klischees<br />

aneinander, die der Black Metal zu bieten hat, ohne eigene<br />

Akzente zu setzen oder zumindest mit ein paar guten<br />

Ideen zu überzeugen. Das ist zu wenig, da hilft auch kein<br />

mit zwei Fingern auf dem Rechner erstelltes, ödes Drone-<br />

Stück mehr. (4)<br />

André Bohnensack<br />

WWW<br />

FRIEDEMANN WEISE<br />

s/t MCD<br />

Comic Shop | Das hohe Singer/Songwriter-Aufkommen<br />

der letzten Jahre hat das Genre und die Nerven der Zuhörer<br />

gehörig strapaziert. Zu oft ging es um die innere Leere, die<br />

die unrasierten Herren mit Akustikgitarre vertonten und<br />

auf CD brannten. Traurigkeit, das Nichtfertigwerden mit<br />

dieser schrecklich kalten Welt oder der letzten zerbrochenen<br />

Beziehung. Zuviel da<strong>von</strong> tut auch dem Publikum weh.<br />

Heute tritt wieder einer an, der Titanic-Autor Friedemann<br />

Weise, und er macht es anders. Zwar hat auch er nur seine<br />

Gitarre, er bekommt etwas Rückendeckung vom Schlagzeug.<br />

Den wahren Unterschied aber macht die Leichtigkeit,<br />

mit der er seine Geschichten vorträgt. Sein Humor ist<br />

bissig, Selbstironie für ihn kein Fremdwort. Lieber mal ein<br />

Bier trinken und einen Song drüber schreiben. Mit Loriot<br />

ist er auch noch verwandt. Nicht schlecht. (13:37) (7)<br />

Arne Koepke<br />

WINTERS<br />

Black Clouds In Twin Galaxies CD<br />

riseaboverecords.com | Der Titel des Debüt-Longplayers<br />

sagt wohl schon recht deutlich, wo wir uns hier befinden:<br />

im schwer drogenverseuchten Space-Rock. Wo hier<br />

„Post-Mod-Rock“ zu hören ist, wie im Pressetext verkündet,<br />

weiß ich nicht, das Ganze klingt mir wie IRON BUT-<br />

TERFLY auf Doom getrimmt, sprich gaaanz langsame Riffs<br />

und darüber so typische Sixties-Psychedelic-Vocals. Tja, in<br />

dem Punkt hat der Beipackzettel wohl recht: die WINTERS<br />

brauchen sehr offene Ohren unter Sludge-, Doom- oder<br />

Stoner-FreundInnen, denn so richtig passen sie da nirgends<br />

rein, und so richtig überzeugt mich ihr Ausflug in die Sechziger<br />

nicht. Too fuzzy. (41:14) (6)<br />

Simon Loidl<br />

WOGGLES<br />

Rock And Roll Backlash LP/CD<br />

wickedcoolrecords.com | Der Wechsel zu Little Stevens<br />

(of E STREET BAND fame) Label Wicked Cool hat den in<br />

Deutschland gerne und oft gesehenen WOGGLES erstmal<br />

einen Rückschlag beschert: Obwohl ihr Album seit Monaten<br />

raus ist, ist es derzeit wohl nur via Soundflat zu bekommen<br />

– da muss am Vertrieb wohl noch gearbeitet werden.<br />

Aufmerksamkeit verdient haben die WOGGLES jedenfalls<br />

auch diesmal wieder, ist der Nachfolger des 2003 erschienenen<br />

„Ragged But Right“-Albums (noch mit dem<br />

kurz darauf verstorbenen Gitarristen Montague eingespielt)<br />

doch erneut ein vor allem und zuerst nach den<br />

WOGGLES selbst klingendes Rock’n’Roll-Manifest. Auch<br />

FROM RUSSIA WITH LOVE<br />

das wurde wieder <strong>von</strong> Rick Miller aufgenommen, Mighty<br />

Manfreds Stimme ist so prägnant wie eh und je, und Flesh<br />

Hammer, der neue Mann an der Gitarre, macht seine Sache<br />

ausgesprochen gut. Was jedoch auffällt: Die WOGGLES<br />

klingen 2007 eine Spur bedächtiger, nicht mehr so vorbehaltlos<br />

partytauglich wie zu „Ramadan romance“-Zeiten,<br />

doch hat man sich daran erstmal gewöhnt, gewinnt auch<br />

ein iberisch anmutender Schmuser wie „El toro“ mit jedem<br />

Hören. „Sayonara blues“ hingegen macht dann wieder<br />

alles klar, dazu schüttelt man gerne Haar und Hintern,<br />

und gecovert wird auch: „The world is falling“ <strong>von</strong><br />

den (deutschen) LORDS wurde auserkoren (und exzellent<br />

umgesetzt), sowie „I gotta go now“ <strong>von</strong> Rex Garvin. Alles<br />

in allem also ein weiteres feines Album einer Sympathenband,<br />

das hier und da aber etwas mehr Feuer haben könnte.<br />

(38:48) (7)<br />

Joachim Hiller<br />

WAXY<br />

s/t MCD<br />

Your Mom’s/Radar | Bei WAXY handelt es sich um vier<br />

Typen aus Palm Desert. Und was fällt einem natürlich bei<br />

Palm Desert ein? Genau, KYUSS, QOTSA und die Stoner/<br />

Desert Rock-Szene, und genau zu der zählen sich auch<br />

WAXY. Damit ist klar, wie der Hase läuft und durch welche<br />

Musik WAXY beeinflusst wurden. Jedoch handelt es<br />

sich bei WAXY mitnichten um eine Reproduktion <strong>von</strong> Desert<br />

Rock-Klischees, vielmehr hat die Band lediglich deren<br />

trockenen Groove übernommen und mit Anleihen<br />

aus klassischem Rock’n’Roll kombiniert. Uptempo-Stücke<br />

sucht man hier vergeblich, aber schöne Melodien und<br />

die stark an QOTSA erinnernde Stimme <strong>von</strong> Sänger Robert<br />

Owen wissen zu überzeugen. Zu bemängeln ist an dieser<br />

Stelle allerdings, dass dies alles dazu beiträgt, dass WAXY<br />

den Queens teilweise zum Verwechseln ähnlich ist, oft jedoch<br />

ohne an deren Abwechslungsreichtum heranzureichen<br />

(schön ist allerdings das Panflötensolo in „What we<br />

were“). Generell ist „Waxy“ eine gute EP, bleibt nun abzuwarten,<br />

ob das nächste Album noch etwas eigenständiger<br />

daherkommt oder ob die Band doch in Belanglosigkeit<br />

versinken wird. (17:36) (7)<br />

Nadine Maas<br />

SHANNON WRIGHT<br />

Let In The Light CD<br />

Unter Schafen/Alive | Shannon Wright erinnert an PJ<br />

Harvey und Tori Amos. Sie schreibt ruhige, zurückhaltende<br />

Songs mit Piano und pointiert eingesetzter E-Gitarre,<br />

die in den richtigen Momenten explodieren. Jedoch ist<br />

Wright nur die Light-Version der genannten Künstlerinnen.<br />

Die Frau kann nicht halb so abgefuckt wie Amos oder<br />

PJ Harvey sein. Leider wirkt sich das nachteilig auf ihre<br />

Musik aus. Nach einer Weile nervt das unzusammenhängende<br />

Geklimper ohne rechte Struktur ein wenig. Dann<br />

sucht man sich seine alten Tori-Amos-Alben heraus und<br />

hört lieber die. (4)<br />

Julia Gudzent<br />

W.A.S.P.<br />

Dominator CD<br />

demolitionrecords.com/Soulfood | Bisher dachte ich,<br />

Blackie Lawless sei eine auftoupierte und -gedunsene<br />

Transe, die seit schätzungsweise 25 Jahren einfältige Heavy<br />

Metal-Freaks mit pathetischem Gesülze und rohem<br />

Fleisch bewirft. Seit gestern hingegen weiß ich, dass es für<br />

Lawless und seine Band W.A.S.P. noch eine Zukunft gibt:<br />

Abgesehen <strong>von</strong> der Sache mit dem rohen Fleisch hätten sie<br />

mit den oben genannten Tugenden das Potenzial, den Eurovision<br />

Song Contest locker für sich zu entscheiden. Die<br />

Veranstaltung zeigte es: schlechte Kostüme, wallende Mähnen<br />

und seichter, gefühlsduseliger Heavy Rock liegen voll<br />

im europäischen Trend. Zu dumm, dass der gute Blackie<br />

kein Deutscher ist. Der hätte tatsächlich das Zeug, den osteuropäischen<br />

Riegel zu durchbrechen. Schließlich ist Heavy<br />

Metal der einzige musikalische Exportschlager Deutschlands<br />

in die Staaten jenseits der Oder-Neiße-Grenze. Vielleicht<br />

sollte man mal über eine Einbürgerung verhandeln.<br />

Dann würde es auch wieder mit der Vorherrschaft über<br />

Europa klappen. Und „Dominator“ trüge seinen Titel zu<br />

Recht. (43:28)<br />

Ingo Rothkehl<br />

WILDHEARTS<br />

s/t CD<br />

Round/Cargo | Letztens hatte ich noch eine Soloplatte des<br />

WILDHEARTS-Frontmannes Ginger verschmäht, da flattert<br />

mir eine neue Platte dieser Institution britischen Heavy<br />

Rocks auf den Tisch, und für viele knüpft diese Platte<br />

souverän an die früheren Glanzzeiten der Band an. An<br />

Wirklich fett und sauber produziert wurde das Debütalbum<br />

„Poslednaja Voina/Last War“ (ANR) der Moskauer<br />

Streetpunk-Band WHAT WE FEEL. Da gibt es<br />

wirklich nix zu meckern und die Band braucht den internationalen<br />

Vergleich überhaupt nicht zu scheuen. Mit ihrer<br />

rohen Wut und kompromisslosen Kraft blasen sie 90 Prozent<br />

aller Mittelstands-Hardcore-Bands weg, aber wahrscheinlich<br />

wird sich wieder niemand dafür interessieren,<br />

weil sie russisch singen. Das sollte aber auch kein Hinderungsgrund<br />

sein, denn im Booklet findet man die englischen<br />

Übersetzungen. Ich bin ja immer ein wenig konservativ,<br />

was russische Musik angeht, und der einzige Abstrich,<br />

den ich bei WHAT WE FEEL mache, ist, dass sie mir persönlich<br />

schon zu „verwestlich“ klingen.<br />

Wesentlich traditioneller im russischen Punkrock verwurzelt<br />

sind PHENIX (phenix1998@rambler.ru). Leider<br />

habe ich nicht viel mehr Infos über diese Band, da sich die<br />

Kontaktaufnahme sehr schwierig gestaltete, was ein allgemein<br />

russisches Problem ist. Neben der Sprache, Englisch<br />

ist Ausnahme, ist das russische Internet absolut konfus und<br />

die Adressen wechseln ständig, weil die Betreiber und Besitzer<br />

alles andere als zuverlässig sind. Zumindest, was die<br />

kostenlosen Anbieter angeht, das aber nur nebenbei. PHE-<br />

NIX spielen superschnellen Punkrock mit hörbar viel Spaß<br />

dabei, ohne dabei jemals in die Hardcore-Schiene abzugleiten.<br />

Teilweise hört sich das an wie absolut überdrehter<br />

77er-Style, und beim nächsten Mal werden sie wieder tieftraurig<br />

und verbreiten diese herzzerreißende Melancholie,<br />

die ich so mag.<br />

Fest zum russischen Underground gehören auch die diversen<br />

Folk-Bands, und PLETEN (wattle.narod.ru/<br />

anshukoff@mail.ru) ist eine da<strong>von</strong>. Sie haben sich nach<br />

diversen akustischen Aufnahmen dazu entschlossen, auch<br />

elektrische Instrumente zu benutzten, und neben den traditionellen<br />

Liedern aus Russland, Finnland und Irland<br />

(Alle auf Russisch gesungen!) haben sie angefangen, eigene<br />

Lieder zu komponieren. Meistens handelt es sich dabei<br />

um sehr getragene Songs, aber beseelt vom Wodka, artet das<br />

dann doch wesentlich öfter zu einem konstruktiven Chaos<br />

aus, wie es auch ELÄKELÄISET pflegen.<br />

Wer diese kleine Kolumne regelmäßig verfolgt, dem werden<br />

THE PAUKI (pauki.nm.ru/the _pauki@mail.ru)<br />

keine Unbekannten mehr sein! Es gibt wieder Neuigkeiten<br />

aus St. Petersburg, denn Sasha hat zwei neue Zusammenstellungen<br />

herausgebracht. Auf „a.r.e. freundschaft“<br />

findet man neben den aktuellen THE PAUKI-Aufnahmen<br />

noch Songs <strong>von</strong> SICK OF SOCIETY aus Amerika und<br />

THE VENDETTA aus Italien. Allesamt stehen sie für die<br />

härtere Gangart des derben Oi!/Streetpunk. Wobei ich finde,<br />

dass THE PAUKI eindeutig gewinnen, weil sie am besten<br />

produziert sind und auch die besten Songideen haben.<br />

„Punk Occupation“ geht in die 13. Runde, und dieses<br />

Mal sind auch Gäste aus anderen Ländern vertreten, doch<br />

den größten Teil bestreiten wie immer russische Bands. Geboten<br />

wird ein repräsentativer Querschnitt <strong>von</strong> Hardcore,<br />

Oi!, 77er Punk und anderen, teilweise sehr obskuren, aber<br />

immer sehr interessanten Musikrichtungen. Wenn ihr einen<br />

sehr guten Überblick über die aktuelle russische Szene<br />

haben wollt, dann ist hier ein Abo unerlässlich, denn näher<br />

heran kommt ihr nie!<br />

PLJUSCHI (plushi@list.ru), was übersetzt „Die Efeupflanzen“<br />

heißt, kommen aus Irkutsk und haben es nach<br />

sechs Jahren Bandexistenz geschafft, ihre erste selbstbetitelte<br />

CD aufzunehmen. Warum? Weil sie eben alles wirklich<br />

selber machen wollten und es so lange gedauert hat<br />

die Technik zu beherrschen. Abgesehen <strong>von</strong> den wirklich<br />

schrecklichsten Gitarrensoli, aber nur in den ersten Songs,<br />

die ich je gehört habe spielen PLJUSCHI sehr abwechslungsreichen<br />

und kritischen Punkrock. Die CD enthält<br />

auch eine englischsprachige Bandhistorie.<br />

Etwas hippiesker sind VERBA (karandash38@mail.ru),<br />

was soviel wie „Frühlingserwachen“ bedeutet und den damit<br />

beginnenden Aufbruch, das Hervorbrechen des Lebens<br />

meint. Dabei entwickeln sie aber eine Energie, die dem<br />

Punk nicht unähnlich ist. Alternative Rock oder Postpunk<br />

können dabei auch nur als grobe Richtung dienen, denn<br />

die Songs sind sehr gut strukturiert und lassen Freiräume<br />

für die einzelnen Stilrichtungen und Stimmungen. Insgesamt<br />

ein sehr abwechslungsreiches Album, das sich geschickt<br />

einer Kategorisierung entzieht.<br />

Vollkommen anders und vollkommen der D.I.Y.-Philosophie<br />

verschrieben haben sich VEGATIV. Derbe grunzend,<br />

dumpf und wirklich sehr kurzweilig bolzt die Band ihre<br />

Songs unspektakulär und extrem lustlos herunter. Sehr interessant<br />

ist, dass neben dem normalen Schlagzeug auch<br />

noch Stahl oder etwas Ähnliches zur Rhythmuserzeugung<br />

eingesetzt wird. Crust aus dem Schuhkarton.<br />

Hervorragend dagegen sind TUSHKA (independentsounds.ru)<br />

aus Moskau produziert. Der moderne Nu-Punk<br />

dieses Quartetts klingt zwar verdächtig nach MTV-Alternative-Charts,<br />

aber alleine die Songtitel würden schon<br />

ausreichen, um alle westlichen Kids zu schocken, und „Ich<br />

habe jedes Pferd gefickt“ ist da noch einer <strong>von</strong> der harmlosen<br />

Sorte. Die Jungs scheinen wirklich einen ausgesprochen<br />

angenehmen Humor zu haben und auch musikalisch<br />

sind sie absolut am Puls der Zeit, denn lässig integrieren sie<br />

Metal- und HipHop-Elemente in ihren Sound. Perfekt!<br />

Carsten Vollmer<br />

dem grundsätzlichen Rezept der WILDHEARTS, fetten<br />

Riff-Rock auf süßliche CHEAP TRICK-Harmonien treffen<br />

zu lassen, hat sich indes nichts geändert, allerdings ist<br />

das neunminütige Opus „Rooting for the bad guy“ direkt<br />

zu Beginn ein durchaus beeindruckender Opener, „The<br />

sweetest song“ danach erscheint allerdings eher wie eine<br />

reichlich schwache, kürzere Kopie. In Sachen Energie und<br />

Melodienreichtum machen wohl nur wenige Bands den<br />

WILDHEARTS etwas vor, allerdings kann man ihre allzu<br />

geradlinige Vorgehensweise auf dem neuen Album auch<br />

recht schnell als etwas langweilig und eintönig empfinden,<br />

und so machen die Einzelstücke oft mehr Spaß, als<br />

alle zwölf Tracks am Stück zu hören. Richtig gut sind die<br />

WILDHEARTS vor allem bei den unverschämt ausgewalzten<br />

Songs mit ihren virtuosen Prog-Hardrock-Instrumentalparts<br />

wie bei dem bereits angesprochenen Opener, dem<br />

ebenfalls knapp neunminütigen „Slaughtered authors“,<br />

wo man sich ein wenig bei der Basslinie <strong>von</strong> John Carpenters<br />

„Assault On Precinct 13“-Titelthema bedient hat, dem<br />

wuchtigen „The hard way“ und „Destroy all monsters“ am<br />

Schluss, das mit seiner Reduzierung auf Breaks und knochentrockene<br />

Riffs fast schon was <strong>von</strong> den MELVINS hat.<br />

Wem nach hemdsärmeligem, aber nicht doofem In-Your-<br />

Face-Rock ist, der ist bei den WILDHEARTS generell an der<br />

richtigen Adresse, und das gilt insbesondere für dieses neue<br />

Album. (7)<br />

<strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

WATCHERS<br />

Vampire Driver CD<br />

gernblandsten.com | Lange hat es gedauert, bis mir eingefallen<br />

ist, an wen mich die WATCHERS auf ihrem zweiten<br />

Album erinnern. Man nehme nur mal den Opener namens<br />

„Chess champion“: dünne, schranzige Gitarren, ein<br />

knackiges, penetrantes Schlagzeug, ungeahnt auftauchende<br />

Melodiefetzen, der Gesang mehr ein Gesprech – klar! Die<br />

<strong>von</strong> mir sehr geschätzten BEEHIVE & THE BARRACUDAS<br />

sind es, die hier womöglich Pate standen. Die Ähnlichkeiten<br />

im Sound liegen auf der Hand. Darüber hinaus haben<br />

beide gemein, dass man ihre Songs als sparsame, ansonsten<br />

aber normale Rocksongs missverstehen kann. Weit gefehlt:<br />

Da lauert etwas zwischen den Akkorden. Es sind die Kleinigkeiten<br />

im Sound, die Parts oder Riffs, die einmal zu oft<br />

wiederholt werden, die den Wahnsinn aufflackern lassen.<br />

Bei B&TB war ich mir sicher, dass die Jungs und das Madel<br />

bewusstseinserweiternde beziehungsweise verstandlähmende<br />

Mittelchen zu sich genommen haben. Den Eindruck<br />

habe ich hier nicht so stark, aber vielleicht ist nur<br />

die Dosis nicht so hoch. Törichterweise werden die WAT-<br />

CHERS immer wieder mit dem Neo-No-Wave in Verbindung<br />

gebracht, aber zum Glück ist das nicht so. Das hier ist<br />

viel cooler, Hipsters! (40:06) (8) Christian Meiners<br />

WINDMILL<br />

Puddle City Racing Lights CD<br />

Groenland | WINDMILL ist keine Band, sondern der Solokünstler<br />

Matthew <strong>Thomas</strong> Dillon, der sich vor allem am<br />

Piano hervortut. Die Songs sind ein Gemisch aus Folk und<br />

Indie, durchaus nett anzuhören. Über den Gesang kann<br />

man streiten. Die einen werden ihn lieben, zu den anderen<br />

gehöre ich. Der ist nicht nur schräg, sondern auch noch<br />

hoch, und damit wird das Album für mich komplett unhörbar,<br />

ohne Diskussion. Kennt jemand Daniel Johnston?<br />

Das ist ungefähr die gleiche Liga, nur dass Herr Dillon nicht<br />

auch noch lispelt. Mensch, da muss man doch was machen<br />

können. Man kann doch seine schönen Songideen nicht so<br />

leichtfertig wegschenken. (45:53) (4) Christian Meiners<br />

WE ARE SOLDIERS WE HAVE GUNS<br />

To Meet Is Murder CD<br />

Stereo Test Kit | Diese Namen! Pustekuchen, das sind nur<br />

falsche Fährten – weder das neuste, heiße, Indie-Ding,<br />

noch Screamo, sondern fünf lupenreine, behutsam instrumentierte<br />

LoFi-Indie-Pop-Perlen bietet einem dieses<br />

Mini-Album des Göteborger Duos. Unterlegt mit Piano,<br />

sanftem Schlagzeug, Tremolo-Gitarren oder auch mal<br />

„drums on a coffee mug with pencils“, werden die Songs<br />

vor allem <strong>von</strong> der klaren, lieblichen Stimme <strong>von</strong> Sängerin<br />

Malin Dahlberg getragen. Der sehr ausdrucksstarke Gesang<br />

sorgt für Intimität bei den Stücken, bindet den Hörer, lässt<br />

einen wohl fühlen und zugleich in Abgründe blicken. Man<br />

kann auf das Debütalbum gespannt sein, denn das sind keine<br />

„Songs that no one will hear.“ Eher: Musik für alle Jahreszeiten.<br />

(17:55) (8)<br />

Kevin Goonewardena<br />

JEREMY WARMSLEY<br />

The Art Of Fiction CD<br />

Transgressive | Jeremy Warmsley kommt aus England und<br />

hat französische Wurzeln. Vielleicht ist gerade das eine, ich<br />

sag mal, zu kuriose Mischung, wenn man sich als Singer/<br />

Songwriter versuchen will. Im Gegensatz zu anderen, die<br />

in dieser Sparte tätig sind, fehlt mir hier in vielen Stücken<br />

die Melodie. Ab und zu fallen die Instrumente mitten im<br />

Lied aus, was ja nicht so extraordinär ist, aber der alleinige<br />

Gesang, der dann im Vordergrund steht, bietet meist einen<br />

sehr faden, nichts sagenden Eindruck. Dieses Bild verschärft<br />

sich noch mehr, wenn man sich die Texte im fein<br />

säuberlich gestalteten Booklet durchliest. Ich schätze mal,<br />

dass der Typ jetzt Mitte 20 ist, trotzdem finde ich die meisten<br />

Texte sehr jungenhaft. Kann ich das so stehen lassen? Ich<br />

möchte damit sagen, dass mir viele Textzeilen zu verspielt<br />

sind und man sich noch teeniehafter fühlt, wenn man sie<br />

sich ins Deutsche übersetzt. Untermalt werden diese Zeilen<br />

<strong>von</strong> einer Gitarre oder auch mal <strong>von</strong> einer Ukulele. Daraus<br />

könnte man durchaus viel machen, aber irgendwie gehen<br />

die Instrumente völlig ihren eigenen Weg. Abgesehen da<strong>von</strong>,<br />

sind Alle Lieder sehr, sehr langsam. So langsam, dass<br />

man selber anfängt zu flüstern. Eine sehr komisch zusammengemixte<br />

Platte, ich frage mich, wie da Stimmung bei<br />

seinem Konzert aufkommt. Ziemlich experimentell, ein<br />

Chemiebaukasten sozusagen. Vielleicht ist das Album auch<br />

fantastisch und ich hab es nicht erkannt, weil mir die Freude<br />

und der „Booaaaaahhhhh“-Moment fehlt. Na ja. (6)<br />

Martha Biadun<br />

XXX<br />

XBXRX<br />

Wars CD<br />

polyvinylrecords.com/Cargo | Sollte irgendwer XBX-<br />

RX (angeblich der Name eines chinesischen Herstellers<br />

<strong>von</strong> Zahnarztbohrern) für ein kurzlebiges Novelty-Phänomen<br />

gehalten haben, so ist dieser Verdacht wohl schon<br />

seit dem letzten Album, vor zwei Jahren ebenfalls auf Polyvinyl<br />

erschienen, ausgeräumt. Davor hatte die 1998 gegründete<br />

Formation unter anderem auf 5RC und GSL veröffentlicht<br />

und war, oh wilde Flegeljahre, in der Tat noch<br />

etwas mehr out of control als heute. Der Gesang ist klarer<br />

und nicht mehr das stimmliche Äquivalent zu einer<br />

Maschinengewehrsalve, aber das als angepasst zu bezeichnen,<br />

würde bedeuten, Alec Empire Popmusik zu unterstellen,<br />

und die Band selbst lässt vermelden: „Never wishing<br />

to repeat themselves, the band has made a conscious effort<br />

to move beyond the non-stop blastbeat/screaming assault<br />

of previous releases“. Und das hört man. Ist „Wars“ also<br />

eine gezähmte Version <strong>von</strong> XBXRX, haben sie sich weichgespiel/spült?<br />

Mitnichten. Die Shock-Effekte, die Lärm-<br />

Attacken, die verquer-komplexe Rhythmik sind geblieben,<br />

aber mittlerweile hat das alles mehr Struktur, ist griffiger<br />

und zumindest für XBXRX-Verhältnisse auch zugänglicher.<br />

Freunde <strong>von</strong> NOMEANSNO, Alec Empire, MELT-BA-<br />

NANA und TOMAHAWK sollten spätestens jetzt zusteigen,<br />

nächster Halt ist Nirgendwo. (27:13) (7) Joachim Hiller<br />

YOUNOGODIE<br />

s/t CD<br />

stressedrecords.co.uk/Broken Silence | Käme dieser Vierer<br />

nicht aus Derby in England, ich hätte sie umgehend in<br />

meine Noise-Rock-aus-Deutschland-Kiste gepackt, die<br />

nur geöffnet wird, um etwas hineinzutun. So also ein neuer<br />

Ansatz: Die Band würde gern mit Post-Punk-Vorbildern<br />

in Verbindung gebracht, ist dafür aber nicht raffiniert<br />

genug. Im Gegenteil verbreitet sie viele der Klischees, die<br />

mich an den Bands aus meiner Kiste so langweilen – das<br />

Schlagzeug zu hampelig, der Gesang zu leidend, die Riffs zu<br />

stumpf. Nervt. (68:26) (4)<br />

Christian Meiners<br />

YYY<br />

YELLOW UMBRELLA<br />

Little Planet CD<br />

myspace.com/rainrecordsev | Sehr spannend wäre eine<br />

groß angelegte Umfrage nach der besten deutschen Ska-<br />

Band. Meiner Vermutung nach würden YELLOW UM-<br />

BRELLA nur knapp hinter den BUSTERS in der Spitzengruppe<br />

landen. Warum das zumindest wünschenswert und<br />

nachvollziehbar wäre, lässt sich an der neuen Platte sehr<br />

einfach (vielleicht besser als an allen vorherigen) aufzeigen.<br />

Viel Pop-Appeal wird da aufgefahren, während YEL-<br />

LOW UMBRELLA gleichzeitig gegen die Gefahr, dass aus<br />

Eingängigkeit Eintönigkeit werden könnte, ihre bewährten<br />

Waffen in Stellung bringen. Als da wären: 1. Das richtige<br />

Verhältnis <strong>von</strong> Ska- zu Rocksteady- und Reggae-Nummern.<br />

2. Ein Hauch <strong>von</strong> Melancholie 3. Angenehm umgesetzte<br />

osteuropäische Einflüsse 4. Gut gewählte Cover.<br />

5. Kritische Texte, die vermuten lassen, dass sich in Dresden<br />

wohl ein paar Stirne runzeln dürften, wenn ich so unpassend<br />

martialisch <strong>von</strong> „Waffen“ rede, um „Little Planet“<br />

zu loben. P.S. Ob man erwähnen sollte, dass Dr. Ring-Ding<br />

bei einem Song mitgewirkt hat, oder ist es mittlerweile geraten<br />

(durchaus auch international) eher die Ska-Platten<br />

hervorzuheben, an deren Entstehung er nicht beteiligt<br />

war? (8)<br />

Ferdinand Praxl<br />

ZZZ<br />

ZOMBIE GHOST TRAIN<br />

Dealing The Death Card CD<br />

fiendforce.de/Cargo | Ist Mika Kaurismäki in Australien<br />

bekannt? Haben sich ZOMBIE GHOST TRAIN womöglich<br />

nach seinem Film „Zombie And The Ghost Train“ benannt?<br />

Die Band aus Sydney hat nach einer EP auf Crazy Love und<br />

dem erst vor ein paar Monate hierzulande veröffentlichten<br />

Debüt „Glad Rags & Body Bags“ nun den neuen Longplayer<br />

am Start, und auch der gefällt wieder ausgesprochen gut:<br />

Psychobilly trifft auf MISFITS-liken Punkrock und coolen<br />

Greaser-Rock’n’Roll, und irgendwie erinnert mich das<br />

hier an eine sehr gelungene Kombination aus TURBO AC’S,<br />

STRAY CATS („Teddy boy boogie“) und TIGER ARMY. Die<br />

Thematik der Texte ist dabei überschaubar: Wolfsfrauen,<br />

Fledermäuse, Monster und Untote sind hier allgegenwärtig,<br />

doch mit einem Augenzwinkern macht das gleich noch<br />

mehr Spaß. Exzellent auch diesmal wieder die Produktion<br />

und die handwerkliche Umsetzung – ich werde mir bei<br />

dem Skelett mit der Schaffnermütze da drüben gleich mal<br />

eine Fahrkarte für einen kleinen Deathride im Zombiezug<br />

kaufen. (40:08) (8)<br />

Joachim Hiller<br />

Auf der Ox-CD zu hören.<br />

OX-FANZINE 92

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!