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REVIEWS - Webseite von Thomas Neumann

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<strong>REVIEWS</strong><br />

SCRAPS OF TAPE<br />

This Is A Copy Is This A Copy CD<br />

Tender Version | Für dieses Album braucht man Zeit. Zeit,<br />

in der man sich es bequem macht und sich einfach nur der<br />

Musik hingeben kann. Denn die junge Band aus Schweden,<br />

die hier zum ersten Mal auf sich aufmerksam macht, verlangt,<br />

dass man sich mit all seinen Sinnen auf ihre Songs<br />

konzentriert. Dazu haben sie fast komplett auf den Gesang<br />

verzichtet – wer braucht schon Texte, die eh nur ablenken<br />

würden? Für Leute, die FROM MONUMENT TO MAS-<br />

SES, BLACK HEART PROCESSION und ISIS gut finden, ist<br />

SCRAPS OF TAPE vielleicht nichts Neues mehr, aber wie<br />

viel ist Innovation gegenüber der kompletten Entspannung<br />

schon wert? Es ist wirklich schön, wie sehr man sich als<br />

Hörer in der Musik der Malmöer verlieren kann und dabei<br />

seine eigene Traumwelt aufbaut. Wie gesagt, dass Ganze ist<br />

nicht vollkommen neu und gegen Mitte der zehn Songs ein<br />

bisschen langatmig, aber dafür auch immer wieder schön.<br />

(7) Sebastian Wahle<br />

SPOOKSHOW<br />

Psychosexual Chapter 2 CD<br />

Wolverine/Soulfood | Der zweite Longplayer der sympathischen<br />

Horror-Schweden um Sängerin Miss Behave<br />

schlägt eindeutig in die gleiche Kerbe wie schon sein Vorgänger<br />

„Psychosexual Chapter 1“. Streckenweise weiß man<br />

gar nicht, welches Lied <strong>von</strong> welcher CD gerade läuft, was<br />

natürlich nicht gerade für Abwechslungsreichtum spricht,<br />

doch wer schon das Debüt der SPOOKSHOWs mochte,<br />

wird hier ebenso glücklich. Vierzehn poppige Bubblegum-<br />

Punkrock-Nummern der Marke „Saturday night“ (MIS-<br />

FITS) oder auch „Merry christmas“ (RAMONES) werden<br />

hier zum Besten gegeben, mal schneller und mal im Midtempo-Bereich,<br />

jedoch immer einfach gestrickt und mit<br />

vielen Ohhhs und Ahhhs bestückt. Als Anspieltips würde<br />

ich vielleicht „I can but I won’t“, „Talk about the living<br />

dead“ und auch „So lonely I could die“ vorschlagen. Man<br />

darf auch auf die wenigen Deutschland-Shows (zum Beispiel<br />

in Essen) Ende August gespannt sein. (31:10) (7)<br />

Ross Feratu<br />

SCHOOL<br />

Espionage CD<br />

Kong Tiki/Indigo | THE SCHOOL sind Methadon für die<br />

melodiöse New Wave-Fraktion, die einerseits ihr Herz<br />

an DEVO, die frühen XTC und die TALKING HEADS verschwendet<br />

hat, andererseits<br />

aber auch einer forschen<br />

Rock’n’Roll-Liaison<br />

mit den HIVES und<br />

QOTSA aufgeschlossen<br />

gegenübersteht. Die Band<br />

geht extrem frisch und<br />

unverbraucht ans Werk<br />

und die Handschrift des<br />

Produzenten John Fryer<br />

(NIN, HIM, DEPECHE<br />

MODE) nimmt man als<br />

nicht wirklich prägend<br />

wahr. Allerdings schleift<br />

sich soviel ungehemmter Frohsinn und Partysound relativ<br />

schnell ab und lässt das Album auf kompletter Distanz etwas<br />

facettenlos zurück, obgleich es nicht langweilig wird –<br />

dennoch: spätestens nach dem fünften Song wünscht man<br />

sich einen Rhythmuswechsel. Was bleibt ist ein solides Album<br />

für Nostalgiker, und in Norwegen ist „Espionage“ immerhin<br />

gut für eine Grammy-Nominierung in der Kategorie<br />

„Bestes Rockalbum“. Anspieltip: das hymnische „100<br />

miles“. (37:37) (7)<br />

Markus Kolodziej<br />

SYDÄN SYDÄN<br />

Au CD<br />

nordic-notes.de/Broken Silence | Finnischer Crossover,<br />

hier treffen komplexe Songstrukturen auf popähnliche<br />

Harmonien. Im internationalen Vergleich drängen sich vor<br />

allem NOMEANSNO und BOB HUND auf, national wären<br />

KOMETA und DEEP TURTLE zu nennen. Neben brachialen<br />

Gitarrenwänden und nervösen Gefrickel haben die<br />

vier <strong>von</strong> SYDÄN SYDÄN auch genügend humorvolle Einfälle,<br />

wie zum Beispiel kurze Ausflüge in den Off-Beat bei<br />

„Koira“ oder eine funky Einlage in „Muurahainen“. Die 14<br />

Songs auf „Au“ sind nicht immer wohlgefällig, aber dafür<br />

sehr abwechslungsreich. (48:26) (6) Kay Wedel<br />

SMELLY CAPS<br />

s/t CD<br />

smellycaps.com/Amöbenklang | Drei Jahre nach dem ersten<br />

Demo kommt nun das Debütalbum der SMELLY CAPS.<br />

Aber wer schon soviel erlebt hat, wie die fünf Hannoveraner,<br />

der hat auch keine Eile mehr, sondern lässt die Alterweisheit<br />

walten. Und einiges auf dem Buckel haben die<br />

Bandmitglieder in der Tat schon, spielten sie doch bereits<br />

in so illustren Kapellen wie den ABSTÜRZENDEN BRIEF-<br />

TAUBEN oder den BOSKOPS und haben somit ja praktisch<br />

den Punk seinerzeit in Hannover mit eingeführt. Aber wie<br />

das nun mal so ist, ganz aufhören kann und will man dann<br />

auch noch nicht. So lange die morschen Knochen da noch<br />

mitmachen, geht das ja auch noch. Und jetzt gibt es also<br />

das erste Album der SMELLY CAPS. Zwölf Stücke schmissiger<br />

Punkrock mit vielen Überraschungen und eingängigem<br />

Songwriting. Parallelen gibt es viele, direkte Vergleiche<br />

schenke ich mir. Nur sei mal die Hamburger Band NOI-<br />

SE ANNOYS erwähnt, denn an die werde ich ob des prägnanten<br />

Gesangs immer wieder erinnert. Musikalisch sind<br />

die SMELLY CAPS allerdings etwas rotziger und direkter.<br />

Schön wenn die alte Garde mal wieder hochkommt und<br />

dem Nachwuchs zeigt, wie Punkrock funktioniert. (34:55)<br />

(7) Abel Gebhardt<br />

SIX FEET UNDER<br />

Commandment CD<br />

metalblade.de | Schon seit geraumer Zeit habe ich das<br />

Schaffen um Grunz-Ikone Chris Barnes und seinen Mannen<br />

nicht mehr mitverfolgt, da außer unsäglichen Coverplatten<br />

und stumpf-monotonen regulären Alben nichts<br />

dabei rausgekommen ist, was mich auch nur annährend<br />

interessiert hätte. Jetzt also muss ich mir doch mal wieder<br />

eine Platte der Todesmetaller geben, und ich bin ehrlich<br />

überrascht. SIX FEET UNDER scheinen sich wieder auf ihre<br />

Stärken zu besinnen und grooven mit gedrosseltem Tempo<br />

durch ihre goreigen Songs. Wer seit „Maximum Violence“<br />

immer vergebens in eine SIX FEET UNDER-Platte reinhörte,<br />

sollte sich durchaus mal trauen, hier ein oder zwei Ohren<br />

zu riskieren. Endlich wieder ein Album ohne fehlgeschlagene<br />

Coversongs und musikalischen Entgleisungen.<br />

Gefällt!<br />

Uwe Kubassa<br />

SYNONYMENSCH<br />

Sinnbild im Nichts CD<br />

majorabel.de | TON STEINE SCHERBEN spielen wieder<br />

zusammen und unvergessen bleibt derjenige Musiker,<br />

der nicht mehr dabei sein kann: Rio Reiser. Dennoch ist er<br />

noch omnipotent, und in den Hinterhöfen <strong>von</strong> Greiz versucht<br />

man, an seine Genialität heranzureichen. SYNONY-<br />

MENSCH aus dem besagten Dörfchen in Thüringen probt<br />

das gleich mehrgleisig, klaut vom Punkrock den Rock und<br />

dem Singer/Songwriter die kritischen, nachdenklich-poetischen<br />

Texte. Wunderbar ist das Ergebnis, und erst nachdem<br />

ich das Stück „Duft deiner Kleider“ gehört hatte, war<br />

mir klar, dass bis dahin etwas in meinem Leben gefehlt hat.<br />

Wow. Der rote Faden der Platte? „Deutsche Texte, leicht<br />

verständlich, aber schwer zu glauben.“ Erstaunlich ist die<br />

Wandelbarkeit der Band: Tiefsinnige Grübeleien verschlingen<br />

sich mit balladesken Liebeslieder, im nächsten Moment<br />

malträtieren Schlagzeuger und Bassgitarrist ihre Instrumente<br />

und die starke Stimme des Sängers <strong>Thomas</strong> Staege<br />

schaltet um: <strong>von</strong> ruhig-nachdenklich auf rotzig-provokant.<br />

Insgesamt eine Platte, die wirkt – und nachwirkt.<br />

(53:13) (8) Katrin Schneider<br />

STOLEN CARS<br />

Can’t Stop Thee CD<br />

ammoniarecords.it | Vier adrette Herren, in feinen Zwirn<br />

gewandet, mit Abschlepper-Sonnenbrillen und eigenartigen<br />

Kinnbärtchen ausgestattet, musizieren nun schon<br />

seit bald zwanzig Jahren miteinander im sonnigen Florenz.<br />

Begannen sie als reine Garage-Truppe, nicht unähnlich<br />

dem, was ihre Landsmänner <strong>von</strong> SICK ROSE produzierten,<br />

so zeigen sie sich heutzutage, mit ihrem ersten Album<br />

nach einer ewig langen Schaffenspause, etwas vielseitiger.<br />

Inspirationsquellen liegen im weiten Feld zwischen<br />

KINKS, amerikanischen 60s-Garage-Bands der 80er (vor<br />

allem späte MIRACLE WORKERS) und Powerpop im Stil<br />

der REAL KIDS oder auch CHEAP TRICK. Dabei spielen sie<br />

recht laute elektrische Gitarren durch noch lautere Verstärkeranlagen,<br />

schreien beim Gesang, wenn es sein muss, auch<br />

mal ordentlich und hinterlassen auf ihrem Ritt durch elf<br />

eigene Songs und ein Cover („Hey little bird“) verbrannte<br />

Erde. Ein schönes schnelles und wildes Album, wenn’s mal<br />

nicht so sehr auf die Feinheiten ankommen soll. (7)<br />

Gereon Helmer<br />

SALEM<br />

Necessary Evil CD<br />

Season Of Mist | Bitte nicht mit SALEM auf Fiddler Records<br />

verwechseln, denn hier handelt es sich um die israelische<br />

Metal-Band, die seit 1985 aktiv ist und deren Album<br />

„Kaddish“ für eine Diskussion im israelischen Parlament<br />

sorgte, ob Metal-Bands über den Holocaust schreiben dürfen.<br />

Ich glaube, da gibt es einen Präzedenzfall namens „Angel<br />

Of Death“, aber lassen wir das. Das Promosheet verspricht<br />

mir, dass „Necessary Evil“ jedem „Jihadisten ein<br />

‚Bei Jesus‘“ entlocken soll, was gut möglich ist, denn für<br />

ihr fortgeschrittenes Alter hat sich die Band gut gehalten<br />

und lässt so manche Metalcore-Band ziemlich blass aussehen.<br />

Meine anfängliche Skepsis wich nach und nach der<br />

Überzeugung, dass SALEM durchaus Klasse haben, da hier<br />

röhrende SEPULTURA-Riffs auf Vocals treffen, die wie in<br />

„Strife“ an frühe DEATH erinnern, und zwischendurch integrieren<br />

SALEM die eine oder andere SLAYER-Adaption.<br />

Wirklich interessant wird diese brilliante Kopie, wenn orientalische<br />

Gesangslinien und Gitarrenläufe in den Songs<br />

auftauchen. Das ist eben nicht alltäglich und die technische<br />

Perfektion der Musiker spricht für sich. Ein absolutes Muss<br />

für Metal-Fans der alten Schule. (62:22) (7)<br />

<strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

MARK SULTAN<br />

The Sultanic Verses CD<br />

intheredrecords.com | Wer jemals das Vergnügen hatte,<br />

Mark Sultan ganz solo oder im Rahmen eines Duo-Auftrittes<br />

mit King Khan live zu sehen, wird mir zustimmen, dass<br />

der da als BBQ auftretende<br />

Kanadier und Wahl-<br />

Berliner, Ex-Drummer<br />

der LES SEXAREE-<br />

NOS und Ex-Singer der<br />

SPACESHITS, einer der<br />

begnadetsten Solo-Performer<br />

des Garage-Undergrounds<br />

ist. Seine Lieder<br />

sind ergreifende kleine<br />

Pop-Songs, irgendwo<br />

zwischen R’n’B, Garage,<br />

Soul und Rock’n’Roll,<br />

und konsequenterweise<br />

hat Mr. Sultan sein Soloalbum auch fast alleine eingespielt,<br />

nur hier und da hat mal ein Freund geholfen. Freilich<br />

– und darauf weist Mark im Booklet hin – ist das Ganze<br />

keine lupenreine One-Man-Show, kommen doch auch ein<br />

paar Studiotricksereien zum Einsatz, und gemastert wurde<br />

das Werk <strong>von</strong> Jay Reatard. Mit den in letzter Zeit überhand<br />

nehmenden und meist todlangweiligen Soloplatten <strong>von</strong><br />

unglücklichen Ex-Frontmännern irgendwelcher Hardcore-<br />

und Emo-Bands hat das hier rein gar nichts zu tun, das<br />

ist kein belangloses Lagerfeuer-Wandergitarren-Geklampfe,<br />

sondern die pure Essenz des Rock’n’Rolls, und wenn es<br />

derzeit einen legitimen Nachfolger des viel zu jung verstorbenen<br />

Eddie Cochran gibt, dann ist das Mark Sultan. Ergreifend<br />

großartig! (29:24) (9)<br />

Joachim Hiller<br />

SABOTEUR / MOCKINGBIRD NIGHTMARE /<br />

RED LIGHT GREEN LIGHT<br />

Split CD<br />

Engineer | SABOTEUR aus Dallas, Texas, bilden den Auftakt<br />

dieser Splitveröffentlichung im Digipak und können<br />

schon beim zweiten Song etliche Bonuspunkte auf ihrem<br />

Konto verbuchen. Sie spielen krachigen Postcore mit euphorischen<br />

Refrains, werden nie weinerlich, sondern setzen<br />

auf Uptempo-Passagen, Reibeisen-Vocals und ein gesundes<br />

Maß an Wiedererkennungsmerkmalen. THE MO-<br />

CKINGBIRD NIGHTMARE aus England sind verspielter,<br />

setzen auf die Leadgitarre, halten aber das Tempo der Amis.<br />

Beim Songwriting regiert Chaos und ergänzt wird dieses<br />

mit atmosphärischen Momenten. So begegnen sich die<br />

zwei Bands auf Augenhöhe und machen neugierig auf RED<br />

LIGHT GREEN LIGHT, die etwas mehr aus dem Rahmen<br />

fallen, denn New Wave-Keyboards treffen bei dem, erneut<br />

aus Amerika stammenden, Quintett auf Power-Violence,<br />

Helium-Vocals und Tanzbarkeit. Mit RED LIGHT GREEN<br />

LIGHT katapultiert sich die Split dann aus dem Mittelfeld<br />

heraus und wird vielleicht mal zum Sammlerobjekt. Hört<br />

euch diese Irren unbedingt an, ihre vier Songs sind wirklich<br />

überzeugend. (7)<br />

<strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

SHARK SOUP<br />

Back To The B-Sides CD<br />

msm1279.com | Entgegen allen Erwartungen handelt<br />

es sich hier natürlich nicht um Flipsides <strong>von</strong> irgendwelchen<br />

Singles, oder unveröffentlichtes Material <strong>von</strong> SHARK<br />

SOUP aus Erlangen, sondern um Songs aus ihrer Phase als<br />

THE B-SIDES. Da die Lieder nie auf einem Album erschienen<br />

sind, aber durchaus das Format dazu haben, hat das<br />

Trio die zwölf Tracks neu eingespielt und vom ehemaligen<br />

OXYMORON-Bassisten Arne Marenda aufnehmen lassen.<br />

Herausgekommen sind etliche Rock’n’Roll-Hymnen, die<br />

mich am ehesten an SOCIAL DISTORTION erinnern. Anfangs<br />

schienen mir die Songs ein wenig zu eingängig, aber<br />

spätestens nach dem dritten Durchlauf ist man süchtig und<br />

die anfängliche Skepsis ob des Pop-Appeals erübrigt sich<br />

schnell. Wirklich ein kleiner Geniestreich. (31:37) (8)<br />

<strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

SPITTING OFF TALL BUILDINGS<br />

Good Night And Good Luck CD<br />

Exile On Mainstream | Normalerweise stehe ich ja gar<br />

nicht so auf Schrammelrock. Aber SPITTING OFF TALL<br />

BUILDINGS aus Berlin haben es mir echt angetan. Die<br />

Band hat vor zwei Jahren ihr selbstbetiteltes Debüt auf<br />

Sanctuary aufgenommen. „Good Night And Good Luck“<br />

erscheint nun auf Exile on Mainstream, meiner Meinung<br />

nach das beste Indielabel Deutschlands. Frontfrau ist die<br />

attraktive Schauspielerin Jana Pallaske, die man aus „Engel<br />

& Joe“ kennt. Und im Gegensatz zu vielen anderen musizierenden<br />

Schauspielkollegen versteht sie etwas <strong>von</strong> ihrem<br />

Metier. Mit prägnanter Stimme gibt sie ihre Gefühlswelt<br />

preis, wirkt dabei oft zuckersüß, manchmal angepisst<br />

und bitterböse. Dabei wird sie <strong>von</strong> vier tollen Musikern begleitet,<br />

die eine Melange aus poppigem Indierock und dreckigem<br />

Noise herbeizaubern und damit Assoziationen zu<br />

SONIC YOUTH, den PIXIES, aber auch MADE OUT OF BA-<br />

BIES bei mir hervorrufen. Ein großer Teil der Klasse dieses<br />

Albums geht auch auf das Konto der Produktion <strong>von</strong> Steve<br />

Albini, die sich durch einen düsteren, atmosphärischen<br />

Gesamtsound, einen dreckigen Bass und das stampfende,<br />

erdige Schlagzeug auszeichnet. Der Band-Devise, die Musik<br />

müsse „nicht perfekt, aber lebendig klingen“, konnten<br />

SOTB somit mehr als gut gerecht werden. Das Album<br />

wird aufgrund seines Pop-Appeals zwar nicht jedem gefallen,<br />

aber für mich ist es eins der Highlights dieses Jahres.<br />

(34:08) (9) Arndt Aldenhoven<br />

STYRENES<br />

City Of Woman CD<br />

Rent A Dog/Alive | Zwar kann ich nicht behaupten, hier<br />

durchzublicken, aber das spielt auch eigentlich keine Rolle.<br />

Fast alle Songs des Albums sind <strong>von</strong> einem Tom Warnick<br />

geschrieben, der aber selbst nicht Mitglied der STYRENES<br />

ist, somit handelt es sich, auch laut Bandleader Paul Marotta,<br />

eigentlich um ein Coveralbum, nur dass niemand<br />

die Originalstücke kennt. Das dazu. Fakt ist, die Platte ist<br />

klasse, egal wie sich die Originale anhören mögen. Vor allem<br />

ist die Platte eigen, und mit einer ordentlichen Portion<br />

Punk-Spirit, der Verschrobenheit eines Mike Watt und<br />

einem kratzigem Gesangsstil, geht es in Richtung ... ja wohin<br />

eigentlich? Rock? Nun ja, im weitesten Sinne. Dreckig,<br />

laut, schnell, auch mal langsam. Definitiv erwachsen und<br />

sich nicht an gängige Statements haltend. Ich würde gerne<br />

Rock’n’Roll sagen, aber dann geht der Zug auch in die<br />

falsche Richtung und wenn ich Punk schreibe, dann wenig<br />

<strong>von</strong> dem, was in diesem Heft sonst als solcher gefeiert wird.<br />

Aber <strong>von</strong> all dem viel und gut. Und wenn in diesem Konzept<br />

auch noch „When I was young“ <strong>von</strong> ERIC BURDON &<br />

THE ANIMALS auftauchen darf und ein Riff <strong>von</strong> Screaming<br />

Lord Sutch geklaut wird, dann ist auch das schlüssig. Reinhören.<br />

(36:31) (8)<br />

Claus Wittwer<br />

Auf der Ox-CD zu hören.<br />

SLAGS<br />

Run Free CD<br />

Slag/Alive | Nun schwappt das Reunion-Fieber auch<br />

schon auf weniger bekannte Bands über. Nun, immerhin<br />

waren die SLAGS aus Frankfurt Anfang der Neunziger so<br />

etwas wie der Prototyp einer reinen Frauenrockband in<br />

Deutschland. Mit rotzig-charmanten Liedern, provokantem<br />

Auftreten und Streitereien mit dem ihrem Label Sony<br />

und MTV konnte man sogar einen gewissen Bekanntheitsgrad<br />

erlangen. Soviel Punk-Spirit und Streitlust sucht man<br />

nun beim Comebackversuch „Run Free“ leider vergeblich.<br />

Gemächlich dümpelt das Album vor sich hin, besondere<br />

Höhe- oder Tiefpunkte sind nicht auszumachen. Ab<br />

und an blitzt vielleicht mal eine nette Gitarrenmelodie auf,<br />

der Rest ist latent schwermütiger Einheitsbrei im mittleren<br />

Tempo, dem nicht einmal Produzentenlegende Guido Lucas<br />

einen Hauch Frische einhauchen konnte. Handelte es<br />

sich bei den SLAGS nicht um Frauen, würde ich „Run Free“<br />

glatt als Altherrenrock bezeichnen. (42:33) (4)<br />

Ingo Rothkehl<br />

MARNIE STERN<br />

In Advance Of The Broken Arm CD<br />

killrockstars.com | Ein schlechter Witz vorweg: Kein Wunder,<br />

dass die Sängerin und Gitarristin Marnie Stern den gebrochenen<br />

Arm in den Titel ihres Debütalbums packt, wer<br />

so wild Gitarre spielt, muss mit derartigen Nebeneffekten<br />

rechnen. Und ich habe auch kein schlechtes Gewissen<br />

mehr, dass ich nicht mal annähernd halb so gut Gitarre<br />

spiele, denn wenn man dafür mindestens drei Stunden<br />

am Tag üben muss, spare ich mir gerne die Mühe. Am<br />

Schlagzeug wird Marnie Stern dabei <strong>von</strong> Zach Hill „begleitet“<br />

– tatsächlich ist die Gitarre durchgängig so dominant<br />

und frickelig, dass der restliche Noise im Hintergrund fast<br />

verblasst. Erstaunlich ist auch, dass, obwohl dieses Album<br />

eben nicht umsonst schwer nach HELLA klingt, es bei aller<br />

Hektik und Kakophonie gar nicht sooo anstrengend ist.<br />

Vielleicht liegt das daran, dass die Frickel-Gitarre sich irgendwann<br />

ins Gehirn frisst und dort wie selbstverständlich<br />

klingt und großartige Melodien zum Vorschein bringt.<br />

Vielleicht bricht das Ganze auch der helle Gesang <strong>von</strong> Marnie,<br />

der die Stücke fast zu Pop-Perlen macht und mich ein<br />

ums andere Mal an die ehemaligen Labelkollegen und leider<br />

vergangen SLEATER-KINNEY erinnert. Vielleicht stehe<br />

ich, wenn ich diese CD später zwischen DEERHOOF und<br />

ORTHRELM ins Regal stelle, mit meiner Definition „gar<br />

nicht sooo anstrengend“ auch alleine da ... (44:41) (8)<br />

Chris Wilpert<br />

OX-FANZINE 86

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