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REVIEWS - Webseite von Thomas Neumann

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<strong>REVIEWS</strong><br />

Schirm, die vergleichbaren Bands wie URLAUB IN PO-<br />

LEN, DIE TÜREN oder GOLDENEN ZITRONEN nacheiferte,<br />

ohne dabei allerdings wirklich eigenes Profil zu entwickeln,<br />

auch wenn das Ganze als Parodie gemeint gewesen<br />

sein soll. Mit dieser Platte und den darauf enthaltenen<br />

zwei 20-minütigen(!) Stücken haben sie vieles über<br />

Bord geworfen, was an „Die uneingeschränkte Freiheit der<br />

privaten Initiative“ erinnern könnte. Stattdessen bedient<br />

man sich beim Krautrock der 70er in Gestalt <strong>von</strong> CAN<br />

oder NEU! oder bei Elektronik-Pionieren wie TANGERI-<br />

NE DREAM oder KRAFTWERK, gepaart mit der Klangästhetik<br />

<strong>von</strong> NEUROSIS. Herausgekommen ist eine durchaus<br />

atmosphärische Platte, die immer dann am spannendsten<br />

ist, wenn VON SPAR sich einfach treiben lassen und normale<br />

Songstrukturen hinter sich lassen. Das Problem ist<br />

dabei, dass man das alles schon mal irgendwo gehört hat,<br />

auch wenn VON SPAR auf jeden Fall ihr Handwerk verstehen<br />

und mehr als nur allzu verkopfte Kunstmusik produzieren.<br />

Der etwas zwiespältige Eindruck ihrer ersten Platte<br />

bleibt auch hier in gewisser Weise erhalten, auch wenn<br />

man ihnen zugute halten muss, nicht den einfachen Weg<br />

gewählt zu haben, denn eine Anbiederung an den Massengeschmack<br />

oder sonstige kommerzielle Tendenzen kann<br />

man ihnen nun wirklich nicht unterstellen. Aber wenn<br />

ich NEU! oder NEUROSIS hören will, höre ich NEU! und<br />

NEUROSIS und eben nicht VON SPAR. (6) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

VON SÜDENFED<br />

Tromatic Reflexxions CD<br />

Domino/Rough Trade | Eine Idee, die auf dem Papier<br />

durchaus interessant klingt: Andi Toma und Jan St. Werner<br />

<strong>von</strong> Deutschlands Vorzeige-Elektronikband MOUSE<br />

ON MARS tun sich mit Musikerikone Mark E Smith zusammen,<br />

der mit THE FALL ein einflussreiches wie durchwachsenes<br />

Gesamtwerk vorzuweisen hat. Nach „Varcharz“,<br />

ihrer anspruchsvoll vertrackten letzten Platte für Ipecac,<br />

besinnen sich MOM hier auf eher straightere Sounds und<br />

so ist das zweite Stück „The rhinohead“ ein durchaus gelungener<br />

Popsong geworden, sicher das Highlight der Platte,<br />

wo man Smith auch nicht wirklich raushört. Und das<br />

ist auch ein wenig das Problem der anderen Songs, denn<br />

der kantige, charakteristische Sprechgesang des FALL-Sängers<br />

will sich nicht wirklich mit dem wie immer cleveren,<br />

verspielten MOM-Umgang mit Clubsounds verbinden, so<br />

als ob Toma und Werner eine Spoken Word-Performance<br />

<strong>von</strong> Smith mit Musik unterlegt hätten, ohne dass beide Teile<br />

wirklich miteinander korrespondieren würden. Zu den<br />

unterhaltsamsten Momenten der Platte gehört dann noch<br />

eine schräge „Blues“-Nummer gegen Ende, die tatsächlich<br />

<strong>von</strong> einer FALL-Platte stammen könnte. Aber ansonsten<br />

wirkt Smith in der Disco eher fehl am Platze. Insofern lässt<br />

einen „Tromatic Reflexxions“ mit einem eher zwiespältigen<br />

Gefühl zurück, denn als funktionierende, homogene<br />

Einheit nimmt man die Platte nur selten wahr, und falls es<br />

VON SÜDENFED gerade auf die Betonung dieser Gegensätze<br />

abgesehen hatten, ist das Experiment ja geglückt, mir<br />

wäre das Ganze als reine MOM-Platte ohne Gesang allerdings<br />

wesentlich lieber gewesen. (5) <strong>Thomas</strong> Kerpen<br />

VANNA<br />

Curses CD<br />

Epitaph | Die neuesten Schützlinge <strong>von</strong> Brett Gurewitz<br />

wurden aufgrund ihres Demos und ihrer soliden Live-Darbietung<br />

<strong>von</strong> Epitaph unter Vertrag genommen und veröffentlichten<br />

dann die MCD „The Search Party Never Came“.<br />

Wenn man „Curses“ auflegt, klingt das Album ebenso beliebig<br />

wie zig andere Screamo-Platten, keinesfalls schlecht,<br />

aber mich persönlich stört, dass gerade Epitaph mal einen<br />

charakteristischen Sound hatte und jetzt hört man nur<br />

noch wenig da<strong>von</strong>. Die minimalistische Präsentation dieses<br />

Albums unterstützt die These, dass VANNA austauschbar<br />

sind, denn Inhalte werden nicht erwähnt. Da VANNA sich<br />

stilistisch auf Gruppen berufen, die zum Teil bis heute aktiv<br />

sind, sehe ich auch keinen Grund auf solche Epigonen zurückzugreifen.<br />

Vielleicht wär’s vor fünf Jahren noch originell<br />

gewesen, heute klingt es nur nach Fließbandproduktion.<br />

(37:39) (4)<br />

<strong>Thomas</strong> Eberhardt<br />

VORTEX<br />

Und was wollt ihr? CD<br />

randale-records.de | Das ist immer eine gute Frage! Als<br />

Erstes Gesundheit, denn die kann man sich nicht kaufen,<br />

und dann noch einen Sack voller Geld, der nie leer wird.<br />

Allerdings möchte ich keine Bands wie VORTEX mehr hören.<br />

Das mag jetzt zwar hart klingen, aber VORTEX verkörpern<br />

alles, was eine mittelmäßige Band ausmacht: Sie können<br />

ihre Instrumente spielen und ziehen ihr persönliches<br />

Ding konsequent und unpeinlich durch. Da ist nichts, was<br />

mich anspricht, da ist nichts, was mich aufhören lassen<br />

würde, das ist simpler Oi!/Streetpunk im Vorprogramm.<br />

Schön, dass es euch gibt, möchte ich ihnen vollkommen<br />

unzynisch zurufen, und lasst euch <strong>von</strong> mir nicht entmutigen;<br />

macht das, was euch immer Spaß gemacht hat: Musik!<br />

(5) Carsten Vollmer<br />

VALET<br />

Blood Is Clean CD<br />

kranky.net/Cargo | „My blood is clean / But the devil’s in<br />

me“, so eine der berührendesten Zeilen, die Honey Owens<br />

aka VALET auf „Blood Is Clean“ singt. Dass die Experimentalmusikerin<br />

und Sängerin in grauer Vorzeit für das Maximum<br />

RocknRoll schrieb, hört man ihrer Musik nicht im<br />

Mindesten an. Jedenfalls hat die Entdeckung „spannenderer“<br />

Töne jenseits <strong>von</strong> Punk und Hardcore sie scheinbar soweit<br />

<strong>von</strong> rockistischen Vorstellungen entfremdet, wie nur<br />

irgend möglich. Auf ihrem Debütalbum formt sie zarte und<br />

zugleich bedrohliche Soundminiaturen, als hätte man SI-<br />

GUR RÓS durch eine Geisterbahn gejagt. Ihre düsteren und<br />

eindringlichen elektro-akustischen Songs bewegen sich in<br />

einem Spannungsfeld <strong>von</strong> sirrender Elektronik, eindringlichem<br />

Ambient und psychedelischem Industrial. Entfremdung<br />

herrscht auf allen Ebenen: Die Musik wird wie durch<br />

einen Schleier übertragen, die Blues-Jams, aus denen die<br />

Songs hervorgegangen sind, werden ins Unerträgliche verzerrt<br />

und die Naturgeräusche, die man zu hören meint,<br />

ins Unsägliche verstümmelt. Der Kritiker Mike McGonigal<br />

schreibt zu Recht, dass nach dem Gitarrensolo im Titeltrack<br />

jedes weitere Gitarrensolo unnötig ist. (52:13) (6)<br />

Chris Wilpert<br />

VOXTROT<br />

s/t CD<br />

playloudrecordings.com/Indigo | Obwohl fast alle fünf<br />

Bandmitglieder <strong>von</strong> VOXTROT aus Texas mal Musikwissenschaften<br />

studiert haben, ist ihr selbstbetiteltes Debüt alles<br />

andere als kopflastig. Wohl auch ein Grund, weshalb Frontmann<br />

Ramesh Srivastava das Handtuch warf und für drei<br />

Jahre in Glasgow Literatur studierte. Dies erklärt wiederum<br />

den britischen Einschlag, der ein wenig an BELLE AND<br />

SEBASTIAN oder ARAB STRAB erinnert. VOXTROT könnte<br />

man, aufgrund ihrer Fähigkeit wunderschöne Melodien<br />

ins Leben zu rufen, schon regelrecht als Magier bezeichnen.<br />

Dieses Album lässt einem das Herz aufgehen: Mal aufwändig<br />

instrumentiert, mal ganz ungeschliffen und mit dem<br />

sehr eindringlichen, gefühlvollen Gesang <strong>von</strong> Ramesch in<br />

Kombination, liegt hier ein Meisterwerk vor. (43:57) (9)<br />

Nina Maenz<br />

VINDICATOR<br />

On And On ... CD<br />

Streetjustice/New Music Distribution | 10 Jahre sind<br />

die Hamburger nun schon am Start und geben mit ihrem<br />

aktuellen Album wieder mal ordentlich Gas. Schon der<br />

Opener „No warning“ geht ohne Vorwarnung in die Vollen.<br />

Ein kurzer, knapp eineinhalb Minuten langer Brecher<br />

dröhnt aus den Boxen und gibt so das Tempo und die Marschrichtung<br />

für den Rest des Albums vor. Rauher Hardcore,<br />

der manchmal entfernt an die RYKER’S erinnert, aber<br />

sich immer eine Hintertür offen hält, für eine ordentliche<br />

Rock’n’Roll-Einlage. „Kill The King“ ist so ein Song, in<br />

dem Shouter Uwe verdammt stark nach MOTÖRHEAD-<br />

Frontsau Lemmy klingt. Auf jeden Fall einer der außergewöhnlichsten<br />

Songs des Albums, der richtig zünden würde,<br />

wenn man die Gesangsparts der Frau zwischendurch weggelassen<br />

hätte. „Awake 4 hours“ macht dann auch mal Platz<br />

für gesprochene Parts, bevor der Lemmy wieder in Sänger<br />

Uwe fährt und sich im Titelsong „On and on“ entlädt und<br />

so geht es nahtlos weiter. VINDICATOR brettern durch ihr<br />

16 Song starkes Set, immer mit kleinen Höhen und Tiefen.<br />

Alles in allem aber ein rundes Album im oberen Mittelfeld,<br />

das nicht ungehört bleiben sollte. (31:39) (7) Tobias Ernst<br />

VENDETTA<br />

Ultraumatic CD<br />

Street Justice | Nach ihrer „Demolition“-EP im letzten<br />

Winter gibt es jetzt ein Album des italienischen Vierers THE<br />

VENDETTA. „Ultraumatic“ ist auf Street Justice Records als<br />

schickes Digipak mit acht Bonustracks der „Terror Nation“<br />

EP veröffentlicht worden. Das heißt auf gut Deutsch: 19<br />

Mal auf die Fresse! Die ehemaligen THE BLOODLINE spielen<br />

nach eigenem Erachten „Punk Rock fueled Speedrock“,<br />

was eine recht treffende Umschreibung ist. Hier und da<br />

schillern ein paar 80er Speed – und Thrash Metal Einflüsse<br />

durch, und zwar ganz deutlich bei den Leads und Gangshouts.<br />

Da kann man sich selbst Geschwindigkeiten im oberen<br />

Bereich zusammenreimen, die aber nicht in Gebolze<br />

auszuartet. Das Ganze erinnert mich immer noch an alte<br />

WHIPLASH meets MOTÖRHEAD. Die EP klingt aufgrund<br />

ihres dreckigen Sounds noch ein wenig kompromissloser<br />

als das vorhergehende Album. Lasst uns dem Gott der Monotonie<br />

huldigen und ordentlich abmoshen! (51:00) (7)<br />

Arndt Aldenhoven<br />

RAINER VON VIELEN<br />

s/t CD<br />

Ebenso-Musik | Naja, wenn man die nackten Fakten betrachtet,<br />

spricht ja nicht gerade viel für den guten Rainer.<br />

Seine Musik läuft unter der Genrebezeichnung Hip-<br />

Hop, der Herr gewann, mit dem auch auf dieser CD enhaltenen<br />

Song „Sandbürger“, 2005 den „Protestsong-Contest“<br />

– ausgerichtet vom österreichische Radiosender FM<br />

4 und tourte dann gleich unter dessen Fittiche durch Österreich.<br />

Solo oder nicht, eine Band reicht dem Tausendsassa<br />

nicht aus, bei Anne Clark sorgt er für die elektronischen<br />

Komponenten bei ihren Live-Auftritten, bei ORAN-<br />

GE gliedert er sich ein, macht Filme und gleich die passende<br />

Musik dazu. Ein HipHop-Überflieger. Wunderbar. Wäre<br />

er nicht mit seiner Live-Band KAUZ <strong>von</strong> der coolsten Instrumental-Bands<br />

dieser Region, GUTS PIE EARSHOT,<br />

supportet worden, Rainer wäre mir wahrscheinlich nicht<br />

wirklich bewusst begegnet. Zugegeben, wenn mich Gitarrist,<br />

Kumpel und Manager Michael Schönmetzer aka Mitch<br />

Oko an diesem Abend nicht zum Bleiben überredet hätte,<br />

wäre mir auch nie in den Sinn gekommen, mir diesen<br />

/COMICS<br />

Christoph Heuer & Gerlinde Althoff<br />

KLAUS KORDONS DER ERSTE FRÜHLING<br />

ca. A5, 240 S., s/w, SC, 14,90 EUR, carlsen.de | In Carlsens<br />

neuer Graphic Novel-Reihe erscheint mit diesem Buch<br />

eine erste Literatur-Adaptation, die das umfangreiche Buch<br />

Kordons in Comicform<br />

zu bringen versucht.<br />

Das habe ich jetzt bewusst<br />

vorsichtig formuliert,<br />

denn wenn etwas<br />

nach der Lektüre feststeht,<br />

dann dass das Original<br />

sicher die bessere<br />

Wahl gewesen wäre. Erzählt<br />

wird die Geschichte<br />

der zwölfjährigen Änne<br />

und wie sie die letzten<br />

Kriegstage, die Befreiung<br />

durch die Rote Armee<br />

und die ersten Nachkriegstage<br />

im bombardierten<br />

Berlin erlebt. Um<br />

sie herum scharen sich<br />

eine Reihe <strong>von</strong> Verwandten<br />

und Nachbarn, deren Schicksal ebenfalls beleuchtet<br />

wird. Da verdichten sich verschiedene Perspektiven (Nazi,<br />

Kommunist, Juden, etc.) und bekannte Motive (Angst vor<br />

den Russen, Kindersoldaten, etc.) derart, dass man sich oft<br />

nicht davor wehren kann, dem Buch mehr Pädagogik als<br />

Lust an einer spannenden Geschichte zu unterstellen, denn<br />

die ächzt merkbar unter dem Willen, möglichst viel in die<br />

sicher nicht wenigen Seiten zu quetschen. Aber die Vorlage<br />

selbst hat schon ungefähr doppelten Umfang und die Verkürzung<br />

merkt man vielen Szenen an, wenn die Ereignisse<br />

abrupt aufeinander folgen. Da wäre weniger mehr gewesen,<br />

allein um das Tempo besser zu temperieren. Die Gestaltung<br />

beruhigt das auch wenig, wenn in die Seiten immer<br />

ein wenig zu viel Dynamik als nötig gelegt wird – auch<br />

in ruhige Szenen. Um Kids das Thema Nationalsozialismus<br />

näher zu bringen ist das Buch vielleicht ein guter Köder,<br />

aber für sich genommen ist KLAUS KORDONS DER ERS-<br />

TE FRÜHLING nicht der große Wurf. Dass sich ein historisches<br />

Thema mit einer spannend erzählten Geschichte bestens<br />

verbinden lässt, zeigt Jason Lutes mit dem thematisch<br />

benachbarten BERLIN.<br />

Christian Maiwald<br />

Katz & Goldt<br />

DER GLOBUS IST UNSER PONY<br />

ca. A5, 96 S., farbig, HC, 18 EUR, editionmoderne.de,<br />

katzundgoldt.de | ... DER KOSMOS UNSER RICHTIGES<br />

PFERD. Der Titel des Buches ist natürlich ein Knaller. Auch<br />

die dazugehörige Werbung auf der Website des bekannten<br />

Duos ist begnadet, wie dort beiläufig und clever möglichst<br />

viele Werbemethoden aus Korn genommen werden.<br />

Die in diesem Buch gesammelten Geschichten – die meisten<br />

aus der „Zeit“ – zeigen das Team auch auf kreativem<br />

Höhenflug: Auch wenn ich zwischenzeitlich arge Probleme<br />

mit den fiktiven Reiseberichten, gebrochenen Kalauern<br />

und Cartoons habe, ich kann nicht anders als die Qualität<br />

und Größe anzuerkennen. Wie bei Picasso – ein großer<br />

Geist, aber das meiste, was er damit anstellte, geht an<br />

meinem Geschmack einfach vorbei. Woran liegt es also,<br />

dass AnzeigePackwahn_ox_4c mich DER GLOBUS IST UNSER PONY ... so wenig 11.01.2007 an-<br />

12:47 Uhr Seite 1<br />

spricht? Wie auch bei Goldts Büchern sind die einzelnen<br />

Episoden kunstvoll und anspielungsreich erzählt und man<br />

muss zum Teil schon eine gewisse Grundbildung mitbringen,<br />

um den Geschichten folgen zu können. Dabei macht<br />

er aber auch vor Platitüden nicht halt, die sich allerdings<br />

nahtlos in die Cleverness einfügen. So wird durchgehend<br />

der Eindruck eines vollkommen durchgeistigten, durchkontrollierten<br />

Erzählkosmos’ geweckt, was auf Kosten der<br />

Lebhaftigkeit geht – es wirkt durchgehend steril und kleinere<br />

Brüche eben durch Plattitüden oder Flachwitze erscheinen<br />

genauso kalkuliert wie die geschickt konstruierten<br />

Zusammenhänge. Das ist insgesamt absurd und witzig,<br />

aber über weite Strecken sehr kühl. Dazu passen die Zeichnungen<br />

<strong>von</strong> Katz: sehr klare Linien, blasse Farben, hübsch,<br />

aber distanziert. Katz und Goldt haben sich ihren eigenen<br />

Humorkosmos geschaffen, der <strong>von</strong> cleveren Beobachtungen<br />

und Bezügen lebt, und dabei ein erstaunlich hohes Niveau<br />

erreicht. Bemüht oder aufdringlich wirkt hier nichts,<br />

aber im selbst gesteckten Rahmen variieren sie zu wenig,<br />

um die distanzierte Cleverness zu kaschieren. Wer’s mag.<br />

Christian Maiwald<br />

Flix<br />

HELDENTAGE<br />

ca. A5, 380 S., s/w, SC, 18 EUR, carlsen.de, der-flix.de |<br />

Wer sich mal wieder einige Stunden im Internet vertreiben<br />

möchte, sollte sich ins Meer der Toonblogger stürzen, die<br />

tagtäglich ihre Strips online stellen und nicht selten großartige<br />

Comics in unterschiedlichster<br />

Form dabei<br />

präsentieren. Ob gekritzelt<br />

oder ausgearbeitet,<br />

nur am Computer<br />

oder auch per Hand,<br />

sich bewusst wiederholend<br />

oder immer wieder<br />

neu – da gibt es Einiges<br />

zu entdecken. James<br />

Kochalka stellt nun<br />

schon seit einigen Jahren<br />

seine autobiografischen<br />

AMERICAN ELF-<br />

Strips auf seine Seite,<br />

(<strong>von</strong> denen im Übrigen gerade eine zweite umfangreiche<br />

Sammelausgabe in Buchform erschienen ist), Leo Leowald<br />

dokumentiert mit seinem Alter Ego ZWARWALD ebenfalls<br />

die Absurditäten des Alltags. Und neben der Arbeit an seinem<br />

aktuellen Buch MÄDCHEN hatte nun auch der Berliner<br />

Flix schon vor einiger Zeit begonnen, täglich einen<br />

kleinen Strip auf seine Website zu stellen. Das erste Jahr<br />

dieser Strips liegt nun in einem handlichen Klotz mit hübschem<br />

Pappcover vor. Wenn man die meistens aus drei bis<br />

vier Panels bestehenden Strips online verfolgt, kommen sie<br />

einem recht dünn vor – zu banal die Beobachtungen und<br />

wenig gebrochen die Scherze (ohne auch Schenkelklopfer<br />

zu sein). Dabei gibt es immer wieder Ausnahmen, wenn<br />

Flix’ Alltagsbeobachtungen etwas auf den Punkt bringen,<br />

er mit der Diskrepanz zwischen Selbstwahrnehmung und<br />

Außendarstellung spielt oder seine Selbstzweifel und Probleme<br />

beim Machen des MÄDCHEN-Buchs dokumentiert.<br />

Gerade auf Jahreslänge, wenn Erzählstränge deutlicher<br />

werden als in Tagesdosen, treten diese Stärken in den Vordergrund.<br />

Kaschiert werden damit aber nicht die Schwächen<br />

und regelrecht nervenden Seiten <strong>von</strong> HELDENTAGE:<br />

Man muss keine (gefühlten) hundert Strips darüber machen,<br />

wie sehr man seine Freundin liebt. Diese Aufdringlichkeit,<br />

das in den Vordergrund zu stellen, wirkt schon fast<br />

verdächtig, weil sie erzählerisch nichts Neues bieten. Und<br />

wie einige andere Strips auch durchweht sie eine Art Ponyposterbeschaulichkeit,<br />

dass selbst mir Popper ganz blümerant<br />

wird. Aber das soll nicht da<strong>von</strong> ablenken, dass sich das<br />

Buch in einem Rutsch gut lesen lässt, ohne vom Leser viel<br />

zu fordern – Strandlektüre.<br />

Christian Maiwald<br />

Brian Wood & Becky Cloonan<br />

DEMO Band 1<br />

ca. A5, 184 S., s/w, SC, 15,90 EUR, modern-tales.de | Superhelden-Storys<br />

etwas Neues abzugewinnen ist inzwischen<br />

ja auch zu einem eigenen Subgenre geworden, ausgehend<br />

<strong>von</strong> DOOM PA-<br />

TROL oder WATCHMEN<br />

(oder noch einigen anderen<br />

Genre-Klassikern),<br />

die bewusst mit althergebrachten<br />

Erzählstrukturen<br />

zu brechen versuchten.<br />

Inzwischen gibt es<br />

eine ganze Reihe <strong>von</strong> Serien<br />

und Büchern, in denen<br />

Superkräfte weniger<br />

als Aufhänger für rasante<br />

Action benutzt werden,<br />

sondern als erzählerisches<br />

Stilmittel in den<br />

Mittelpunkt treten, um<br />

den Charakteren näher<br />

zu kommen. Gut, Comics<br />

wie SPIDERMAN funktionierten<br />

im Prinzip <strong>von</strong> Anfang an auch so, sind aber doch<br />

anders gelagert als zum Beispiel das vorliegende DEMO <strong>von</strong><br />

Brian Wood (CHANNEL ZERO) und Becky Cloonan. In den<br />

sechs Kurzgeschichten erzählen sie <strong>von</strong> ebenso vielen Teenagern,<br />

die auf unterschiedliche Art als Außenseiter mit ihren<br />

unterdrückten Superkräften hadern – sofern sie <strong>von</strong><br />

ihnen wissen – und aus ihrem Umfeld und der Normalität<br />

ausbrechen. Im Hintergrund schwingt dabei immer<br />

mit, dass eben diese Superkräfte in der Öffentlichkeit per<br />

se als gefährlich angesehen und geächtet werden. Marie aus<br />

der ersten Geschichte „NYC“ steht somit permanent unter<br />

Medikamenten, die ihre Fähigkeiten unterdrücken. Mit ihrem<br />

Freund Mike beschließt sie, durchzubrennen und auf<br />

die Medikamente zu verzichten, wobei sie in Kauf nimmt,<br />

dass sie ihre fulminanten Kräfte nicht ganz unter Kontrolle<br />

halten kann. Auch in den folgenden Geschichten stehen<br />

Frustration, Ausbruch und körperliche Veränderungen im<br />

Mittelpunkt der Geschichten, was die Superkräfte nur als<br />

Stilmittel zum Erzählen <strong>von</strong> Coming-of-Age-Episoden erkennbar<br />

macht – vergleichbar mit Charles Burns BLACK<br />

HOLE. Und umgesetzt sind sie <strong>von</strong> Cloonan in verschiedenen<br />

Manga-beeinflussten, kontrastreichen Schwarzweiß-Stilen,<br />

die jeweils sehr gut die Stimmungen der Geschichten<br />

unterstützen. Was auffällt, ist nur, dass viele Episoden<br />

sich jeweils wie ein Anfang lesen und nicht wie runde<br />

Kurzgeschichten. Durch das Konzept unterscheiden sie<br />

sich nicht allzu sehr <strong>von</strong>einander und mehr als einmal<br />

beschlich mich das Gefühl, dass da noch etwas kommen<br />

müsse, vielleicht ein Treffen aller Protagonisten oder Ähnliches.<br />

Aber das wird wohl nicht passieren, was mich leicht<br />

unbefriedigt hinterlässt. Dass mich DEMO <strong>von</strong> meiner Superhelden-Abstinenz<br />

ein wenig gelöst hat, darf aber als Lob<br />

gesehen werden.<br />

Christian Maiwald<br />

Calle Claus<br />

FINDRELLA<br />

ca. A5, 144 S., s/w/mint, 14 EUR, edition52.de | Das neue<br />

Buch des bekannten Hamburger Independent-Zeichners<br />

mag auf dem ersten Blick sehr gefallen – handlich, schöne<br />

Aufmachung, schicke Farben. Doch beim Lesen wird<br />

schnell klar, dass die wortlose Unterwassergeschichte eher<br />

etwas für Mädchen ist. Junge Mädchen, um genau zu sein.<br />

Die werden an der Geschichte der namensgebenden Nixe<br />

Findrella und ihrem Traum da<strong>von</strong>, dem Traumtypen zu gefallen,<br />

durchaus angetan sein. Dieser als eine Art Märchen<br />

schlüssig erzählte Band, in dem die Kommunikation und<br />

Darstellung der Charaktere und ihrer Motive beim Fehlen<br />

<strong>von</strong> Worten kunstvoll umgesetzt ist, wird für erwachsene<br />

Leser zu sehr an der sprichwörtlichen Oberfläche bleiben,<br />

als dass er wirklich fasziniert und hinabzieht in die hübsche<br />

Unterwasserwelt. Für Zehnjährige wunderbar.<br />

Christian Maiwald<br />

Blanquet<br />

LA VÉNÉNEUSE AUX DEUX ÉPERONS<br />

A5+, 224 S., s/w, 22 EUR, cornelius.fr | Wortlos ist der<br />

neue Band des französischen Vielzeichners Blanquet, der<br />

hier eine Art Märchen erzählt, allerdings eines, das auf keinen<br />

Fall für Kinder geeignet<br />

ist. In Scherenschnitt-ähnlichen<br />

Bildern<br />

erzählt er auf miteinander<br />

verwobenen<br />

Zeitebenen eine <strong>von</strong> verschiedensten<br />

Grausamkeiten<br />

und viel Ekelhaftem<br />

durchzogene Schauermärchenversion,<br />

bei<br />

der sich Motive wie erwachende<br />

Sexualität,<br />

Entführung, Tod und verschiedenartige<br />

Abhängigkeiten<br />

zu einem <strong>von</strong><br />

verschiedensten Körperflüssigkeiten<br />

durchtränktem<br />

Gruselpanoptikum verbinden, dessen klare, bedachte<br />

und dadurch auch ruhige Umsetzung die schaurige<br />

Stimmung unterstützt. Auch wenn sich das Buch erst nach<br />

mehrmaliger Lektüre erschließt, ist es ein Gruselt(r)ip für<br />

die weniger Zartbesaiteten.<br />

Christian Maiwald<br />

Anna Sommer<br />

DIE WAHRHEIT UND<br />

ANDERE ERFINDUNGEN<br />

ca. A4, 64 S., s/w, 14,80 EUR, editionmoderne.de | Jetzt<br />

also auch ein autobiografisches Buch <strong>von</strong> Anna Sommer,<br />

die bisher vor allem für ihre aus verschiedenfarbigen Papierlagen<br />

komponierten Bilder bekannt ist. Es ist vor allem<br />

der Erzählton, der ihr Buch <strong>von</strong> den inzwischen zahlreichen<br />

Comic-Autobiografien absetzt. Eine Schweizer Neigung<br />

zur Zurückhaltung, die auch in ihren Episoden mitschwingt,<br />

überbrückt sie durch einen sehr nahen Blick auf<br />

das Geschehen: Sie erzählt weniger <strong>von</strong> der Position der inzwischen<br />

allwissenden Erzählerin, sondern bleibt immer<br />

sehr nah an der Erfahrung der Zeit. Die Zeichnungen biedern<br />

sich dabei nicht zu sehr an, wollen die Stimmungen<br />

nicht zu sehr unterstreichen – hervor tritt eine angenehme<br />

Ehrlichkeit und Direktheit, die das Buch sehr sympathisch<br />

machen.<br />

Christian Maiwald<br />

Comics +++ Bücher +++ Bilder +++ Comics +++ Bücher +++ Bilder +++ Comics +++ Bücher +++ Bilder<br />

www.packwahn.de<br />

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OX-FANZINE 90

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