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BEST OF Otto Brenner Preis 2008 Kritischer Journalismus

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Auch der BND zog offenbar weder aus dem BVG-Urteil vom Februar 2007 noch<br />

aus den Ergebnissen des „Schäfer-Berichts“ ernsthafte Konsequenzen. Denn<br />

bereits kurz nach Vorlage dieser Expertise wurde der e-mail-Verkehr der Spiegel-<br />

Journalistin Susanne Koelbl mit dem afghanischen Handelsminister Amin Farhang<br />

überwacht. Besonders pikant: Eine Konsequenz des Schäfer-Berichts war eine<br />

Weisung des Bundeskanzleramtes an den BND, Journalisten in Zukunft weder<br />

auszuspähen noch als Mitarbeiter anzuheuern. Der Fall Koelbl legt die Interpretation<br />

nahe, dass Nachrichtendienste ein unkontrollierbares Eigenleben – jenseits<br />

der Hausleitung und jenseits der parlamentarischen Kontrolle – führen. Vor diesem<br />

Hintergrund gibt es begründete Zweifel an der BND-Theorie der vielen „Einzelfälle.“<br />

Die Fülle der Einzelbeispiele, die hier nur exemplarisch präsentiert werden können,<br />

legt einen Schluß nahe: Sicherheitsbehörden agieren bei der Einschränkung der<br />

Presse- und Meinungsfreiheit oft im rechtsfreien Raum. Zum Teil agieren sie freihändig,<br />

zum Teil aber auch von jeweils verantwortlichen Politikern gestützt. Sie<br />

verfolgen mit Ihren rechtswidrigen Aktionen zwei zentrale Ziele:<br />

Erstens wollen sie die Informanten und ihr Kommunikationsnetz identifizieren,<br />

um hier interne Sanktionen zu veranlassen und das Leck „dicht zu machen.“<br />

Zweitens wollen sie durch zum Teil bewusst spektakuläre, öffentliche Aktionen –<br />

etwa im Fall des BND-Untersuchungsausschusses – potentielle Informanten in<br />

den Behörden abschrecken. Die Kombination der beiden strategischen Ziele soll<br />

helfen, staatliches Handeln vor allem in der Grauzone von Geheimdiensten, Polizei<br />

und privaten Dienstleistern des Sicherheitsgewerbes von öffentlicher Berichterstattung<br />

fernzuhalten. Angestrebt wird ein kontrollfreier Handlungskorridor<br />

des Sicherheitsapparates, der schon heute – im Fall der Geheimdienste – von<br />

einer parlamentarischen Kontrollkommission begleitet, aber nicht effizient kontrolliert<br />

wird. Da dieser Befund von den Kontrolleuren selbst geteilt wird, er scheint<br />

eine freie Presse die letzte Instanz zu sein, die überhaupt ein Minimum an Transparenz<br />

auf dem Terrain der Sicherheitsbehörden garantieren könnte. Die Kritikund<br />

Kontrollfunktion können die Medien jedoch nur einlösen, wenn sie sich auf<br />

ein fachlich fundiertes Informantennetz stützen können. Dies ist den Akteuren in<br />

den Diensten bekannt. Deshalb focussieren sie ihre Aktivitäten auf die Abschrec -<br />

kung von Informanten.<br />

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