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BEST OF Otto Brenner Preis 2008 Kritischer Journalismus

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Begründung der Jury<br />

Die Staatsmacht kommt immer im Morgengrauen, damit ihre Opfer möglichst hilflos<br />

sind. Die Polizeimannschaft lässt ihnen auch nur wenige Minuten, die Dinge einzu -<br />

packen, mit denen sie ihr Heim für immer verlassen müssen.<br />

Ganze Familien werden dann in irgendwelchen Gefängnissen zwischengelagert und<br />

später zusammen mit ein paar Hundert anderen Leidensgenossen in Länder transportiert,<br />

in denen die Jüngeren oft nie gewesen sind und deren Sprache sie nicht mal verstehen.<br />

Ob dabei die Opfer traumatisiert oder Familien auseinander gerissen werden,<br />

ob es völlig Unschuldige trifft oder einige der besten Talente des Landes, darf die<br />

Beamten nicht kümmern. Sie vollziehen nur Gesetze.<br />

Wer jetzt an die Massendeportationen in der Sowjetunion der Stalin-Zeit oder ähnliche<br />

Gräuel denkt, hat die richtige Assoziation und liegt doch ganz falsch. Die Tragödie findet<br />

tatsächlich hier in unserem Land statt, fast jeden Tag und fast überall, und das ist<br />

eines der ganz wenigen Dinge, für die ich mich als Deutscher wirklich schäme: Flüchtlinge,<br />

auch wenn diese voll integriert sind, und ihre Kinder, auch wenn sie in Deutschland<br />

geboren sind und hier zur Schule gehen, werden behandelt wie menschlicher<br />

Abfall. Sie werden gnadenlos abgeschoben, und das oft nicht einmal in ihre Herkunftsländer,<br />

sondern einfach in solche Staaten, die bereit sind sie aufzunehmen.<br />

Das moralische Unrecht, was da im Namen der Abschreckung gegen die Armutsflüchtlinge<br />

geschieht, ist schon seit Jahren eine furchtbare Verirrung unseres Rechtsstaates.<br />

Und viele Journalisten haben sich damit auch immer wieder befasst. Längst, so scheint<br />

es, sind die meisten Redaktionen es müde, überhaupt noch darüber zu berichten.<br />

Um so dankbarer bin ich, und da kann ich, glaube ich, für die ganze Jury sprechen, um<br />

so dankbarer sind wir, daß es Kollegen wie Anita und Marian Blasberg gibt, die eben<br />

nicht müde werden, an eben dieser dunklen Kehrseite unserer Republik genau hinzugucken,<br />

da wo das angeblich so humanitär gesinnte Deutschland und mit ihm die ganze<br />

Europäische Union ihre hässliche Fratze zeigen.<br />

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