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BEST OF Otto Brenner Preis 2008 Kritischer Journalismus

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Ich muss zugeben, auch mir ging es zunächst so wie so vielen anderen auch, als ich<br />

ihre Reportage mit dem Titel „Abschiebeflug FHE 6842“ im Zeit-Magazin sah.<br />

Will ich das noch lesen?, dachte ich. Ich weiß doch schon, wie schlimm die Lage dieser<br />

Leute ist. Aber dann habe ich doch angefangen zu lesen und konnte dann gar nicht<br />

mehr aufhören.<br />

Denn diese Geschichte ist wirklich grandios recherchiert und meisterhaft geschrieben.<br />

Sehr dicht und deprimierend nüchtern bringen die Autoren das Elend der Abschiebungsmaschinerie<br />

dem Leser ganz nahe.<br />

Ich weiß nicht, wie sie es geschafft haben, aber der Artikel liest sich so, als ob sie tatsächlich<br />

mit in diesem Flugzeug gesessen hätten, mit dem im September 2006 32 Afrikaner<br />

aus Deutschland und Frankreich ausgeflogen und in drei afrikanischen Staaten<br />

ausgesetzt wurden. Allein das ist schon eine Leistung.<br />

Beim Schreiben ist ihnen aber dann gelungen, dass alle Beteiligten vor dem inneren<br />

Auge des Lesers wirklich lebendig werden. Nicht nur die Verzweiflung der Flüchtlinge<br />

und vor allem die ihrer – eigentlich deutschen – Kinder wird unmittelbar verständlich.<br />

Mit betont unparteilicher, aber dafür um so entlarvender Sprache beschreiben sie auch<br />

die Beamten, die das Ganze im Namen des Gesetzgebers durchziehen, ein staatlicher<br />

Auftrag eben, hart aber legal.<br />

Zwei kurze Auszüge aus dem Text mögen das verdeutlichen:<br />

Der kleine, hessische Fachwerkort Cölbe schlief noch, als die Polizei um fünf Uhr in der<br />

Frühe Sturm klingelte und jedem eine halbe Stunde gab, um zwanzig Kilo einzupacken.<br />

Belinda hyperventilierte. Sie rannte unters Dach und wollte aus dem Fenster springen,<br />

aber unten stand ein Mannschaftswagen und richtete die Scheinwerfer aufs Haus.<br />

Dann stolperte sie in ihr Zimmer und stopfte hektisch ein paar Sachen in den Rucksack,<br />

eine Kapuzenjacke, einen Strickpullover, 20 Kilo für ein ganzes Leben. Im Treppenhaus<br />

begegnete sie ihrem Vater, der mechanisch seine Medizin einsammelte. Überall fremde<br />

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