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Werfen wir nach dieser Zusammenfassung des Gedankengangs von Mainländers<br />

Erlösungsphilosophie einen Blick in die Gegenwart. Hat sich einiges von Mainländers<br />

„Prognosen“ bewahrheitet? Leben wir in einem „idealen“ Staat? Inwieweit ist die Menschheit<br />

dem Abgrund näher gekommen? Die Entwicklung im vergangenen Jahrhundert bringt ein<br />

widersprüchliches Bild zum Vorschein. Auf der einen Seite haben die Ereignisse wie die<br />

beiden Weltkriege, der „kalte“ Krieg mit seiner atomaren Bedrohung, das Scheitern<br />

sozialistischer Systeme, Bürgerkriege in postsozialistischen Gesellschaften, nicht zuletzt der<br />

Terroranschlag vom 11. September und der Irak-Krieg, mit aller Deutlichkeit gezeigt, daß das<br />

(Selbst-)Vernichtungspotential des „zivilisierten“ Menschen keineswegs ausgeschöpft ist –<br />

das „Untier“ tobt noch immer in uns. Von dieser Seite kann Mainländers These von der<br />

Bewegung der Menschheit in den absoluten Tod durchaus zugestimmt werden. Auf der<br />

anderen Seite ist seit 1945 – zumindest in den westlichen Ländern – eine Verbesserung der<br />

Lebensbedingungen wahrnehmbar. Auch wenn man unsere Zeit nicht gerade die friedlichste<br />

nennen kann, so lassen sich doch Bemühungen in der Politik (auch in der Religion) um einen<br />

dauerhaften Weltfrieden nicht bestreiten, so erfolglos sie bislang, wie die jüngste<br />

Vergangenheit gezeigt hat, gewesen sind. Armut und soziales Elend sind zwar nicht<br />

abgeschafft, aber doch einigermaßen in die Schranken gewiesen. Die Arbeit findet unter<br />

verbesserten Konditionen statt; sie ist besser organisiert, die Arbeitszeiten können flexibler<br />

gestaltet werden, die Menschen haben mehr Freizeit zur Verfügung, ja erst in den letzten<br />

Jahrzehnten hat auch der Begriff ‚Freizeit‘ seinen vollen Sinn bekommen. 28 Das „Zauberwort“<br />

heißt jetzt Individualisierung, worunter das „Recht“ eines jeden Menschen zu verstehen ist,<br />

sich sein Leben auf eigene (nicht fremdbestimmte) Weise gestalten, seine Individualität voll<br />

entfalten zu können. Wir leben zudem in einer „Wissensgesellschaft“, soll heißen: das Wissen<br />

selbst ist zu einer wichtigen Ressource geworden, die Wissenschaften prosperieren weiter mit<br />

unbändigem Elan und verschaffen sich über die Technisierung des Alltags einen noch<br />

größeren Einfluß auf seinen Ablauf; Bildung soll allen Gesellschaftsmitgliedern zukommen,<br />

unabhängig von ihrem sozialen Status – „Bildung für alle!“, so könnte der Slogan der<br />

heutigen Wissensgesellschaft lauten. Dennoch – in einem „idealen“ Staat leben wir noch<br />

immer nicht. Dagegen sprechen die Schattenseiten des Modernisierungsprozesses: Phänomene<br />

wie Massenarbeitslosigkeit, Marginalisierung des sozialen Elends in den Medien, Gefährdung<br />

des Friedens durch Terrorismus und Neokolonialismus, die unstillbare Konsumhaltung des<br />

Individuums, Unübersichtlichkeit des Bildungsangebots usw. Die Frage, ob sich die heutige<br />

Menschengeneration durch „sanften Charakter“ und „entwickelte Intelligenz“ auszeichne, so<br />

wie die Bürger des idealen Staats bei Mainländer, sei erst recht dahingestellt. Nichtsdestotrotz<br />

kann man eine deutliche Gradverschiebung auf der von Mainländer konstruierten

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