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auf den (kurzen) Pfad der (Er-)Schöpfung, der vielleicht auch derjenige der Erlösung ist. ‚Sich<br />
durchs Schaffen erlösen‘ – so könnte die Devise all jener Ex-zentriker lauten, die der<br />
materialen Reproduktion des Lebens die geistige Produktion von Werken vorziehen. Während<br />
die Nachkommen aus Fleisch und Blut dem Tod nicht entrinnen können, weil auch ihre<br />
Erzeuger sterblich gewesen sind, sind die geistigen Erzeugnisse von Rang im bestimmten<br />
Sinne unsterblich (zumindest solange es Rezipienten gibt, die sie aufnehmen und<br />
interpretieren), sie überdauern ihre Schöpfer, die wiederum in ihnen und durch sie weiter am<br />
Leben bleiben (zumindest in einem symbolischen Sinne). Während der leibliche Vater seinem<br />
Kind nicht zu erklären vermag, aus welchem Grund es auf der Welt sei – vielleicht deshalb,<br />
weil er den Zweck seines eigenen Daseins nicht herausgefunden hat – , spricht das Werk für<br />
sich selbst, es lebt gewissermaßen den Sinn vor, den der geistige Vater in es gelegt hat.<br />
Letztlich verkehrt sich hier die Perspektive, denn der Autor empfängt den Sinn seines Daseins<br />
von seinem Werk; das ist der Sinn der Wendung ‚für sein Werk leben‘. Oder, wie einmal<br />
Walter Benjamin, ebenfalls in bezug auf große Werke, bemerkt hat: „Die Schöpfung nämlich<br />
gebiert in ihrer Vollendung den Schöpfer neu. [...] Er ist der männliche Erstgeborene des<br />
Werkes, das er einstm<strong>als</strong> [aus dem weiblichen Element, d. Verf.] empfangen hatte.“ 45 Das<br />
Werk ist ein lebendiges Sinngebilde, das aber auch nach einem neuen Empfänger sucht, um in<br />
seinem Geiste wiedergeboren zu werden. Deswegen mußte noch einmal die Pandora-Büchse<br />
des Nihilismus geöffnet werden, damit man sich wieder von jenem Geist anstecken läßt, der<br />
trotz seiner Schwermut zu großen Taten fähig gewesen ist und jetzt vielleicht andere dazu<br />
anregen könnte, falls sie genug Mut und Kraft haben – jenem Geist, der erst dann zur Ruhe<br />
kommen wird, wenn endlich sein Werk vollbracht ist.<br />
Anmerkungen<br />
1 Vgl. zu diesem Perspektivenwechsel Pauen 1997, zum metaphysischen Pessimismus bes. 103–143.<br />
2 So Horstmanns lapidare Bezeichnung in Horstmann 2002, 65.<br />
3 Vgl. zur spärlichen Rezeptionsgeschichte von Mainländers Philosophie Müller-Seyfarth 1993, ferner ders.<br />
2000, 127 ff.