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abhängig ist. Wie groß muß nun das Leid sein, damit eine Erlösung für das leidgeplagte<br />

Individuum wünschenswert ist? Eine Möglichkeit, um dies herauszufinden, ist das Abwägen<br />

von Lust und Leid – bereits für den Fall, daß die Summe allen Leids höher <strong>als</strong> diejenige der<br />

Lüste ist, wird man sich nach der Erlösung sehnen. Man kann aber noch extremer sein: man<br />

kann schon die Leiderfahrung an sich <strong>als</strong> Grund für die Erlösung sehen. Die wohl extremste<br />

Ansicht ist jedoch jene, welche bereits das Leben <strong>als</strong> solches mit Leiden gleichsetzt, das<br />

Leben selbst für erlösungsbedürftig hält. Letztere Ansicht findet man bei den pessimistischen<br />

Philosophen in verschiedenen Schattierungen vor. Mainländer geht erwartungsgemäß noch<br />

einen Schritt weiter: für ihn ist nicht nur das menschliche Leben, sondern der gesamte<br />

Kosmos ein grausamer Schauplatz des Leidens, das erlöst werden will. Die Erlösung, welche<br />

er energisch fordert, ist eine Erlösung vom Sein. Nun hat schon Schopenhauer behauptet, daß<br />

es besser wäre, wenn wir gar nicht existieren würden. Mainländer überbringt uns eine<br />

Doppelnachricht – die schlechte: daß wir noch immer da sind, die gute: daß wir uns auf dem<br />

Weg ins Nichts befinden. Die Seinsgeschichte wird selbst für die Erlösung sorgen, da sie<br />

selbst nur ein Teil eines umfassenderen Geschicks ist, nämlich der Verwesungsgeschichte.<br />

„Der Sinn der Welt ist die Aufhebung ihres Unsinns.“ 4<br />

Mainländer fordert von der Philosophie die volle Anerkennung der Immanenz, d. h. sie muß<br />

sich allein an die Erfahrung halten und keine außerweltlichen oder unerkennbaren Kräfte<br />

voraussetzen, die in der Welt am Werk wären. Die Welt ist ein dynamischer Zusammenhang<br />

von Individuen, in und hinter dem sich keine göttliche Macht verbirgt. Will man sich jedoch<br />

die Entstehungsgeschichte der Welt klarmachen, so muß man das transzendente Gebiet klar<br />

vom immanenten trennen. Zwischen ihnen waltet eine unüberbrückbare Kluft. „Nur ein<br />

einziges dünnes Fädchen überbrückt den bodenlosen Abgrund: es ist die Existenz.“ 5 Der<br />

Faden ist aber gerissen – wir haben nur noch das immanente Gebiet vor uns bzw. sind selber<br />

Teil desselben; das transzendente existiert nicht mehr. Letzteres faßt Mainländer <strong>als</strong> eine<br />

„einfache Einheit“ auf, über die man keine inhaltlichen Aussagen machen kann (man kann sie<br />

höchstens mit negativen Ausdrücken beschreiben: sie ist unerkennbar, unergründlich usw.).<br />

Am besten kann sie durch den Ausdruck ‚Gott‘ bezeichnet werden. Doch Gott spielt in<br />

Mainländers Erlösungsdrama nur eine Nebenrolle, deren erste und einzige Tat allerdings<br />

schwerwiegende Folgen für den Ablauf desselben hatte: „Es war ... Gott nur eine einzige Tat<br />

möglich, und zwar eine freie Tat, weil er unter keinerlei Zwang stand, weil er sie ebenso gut<br />

unterlassen, wie ausführen konnte, nämlich einzugehen in das absolute Nichts, in das nihil<br />

negativum, d. h. sich vollständig zu vernichten, zu existieren aufzuhören.“ 6 Eine<br />

folgenschwere Tat und eine folgenschwere Aussage: „Gott ist gestorben und sein Tod war das<br />

Leben der Welt.“ 7 Gott wollte – aus welchem Grund auch immer (vielleicht vor lauter

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