22.05.2014 Aufrufe

Diesen Artikel als PDF-Datei herunterladen - Philosophia online

Diesen Artikel als PDF-Datei herunterladen - Philosophia online

Diesen Artikel als PDF-Datei herunterladen - Philosophia online

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

9<br />

Zeugungsakt, was die Beschleunigung des Weltvernichtungsprozesses zur Folge hat, denn<br />

durch die Unterdrückung des Geschlechtstriebs wird die Kraftsumme im Weltall effektiver<br />

geschwächt. „Der den Willen zum Leben wirksam Verneinende erntet im Tode die volle und<br />

ganze Vernichtung des Typus. Er zerbricht seine Form, und keine Macht im Weltall kann sie<br />

neu bilden ... Durch Enthaltung vom geschlechtlichen Genusse hat er sich von der<br />

Wiedergeburt befreit, vor der sein Wille zurückschaudert, wie der Rohe vor dem Tode. Sein<br />

Typus ist erlöst: das ist sein süßer Lohn.“ 25 Ein solcher Mensch, der sein Leben demjenigen<br />

der Menschheit weiht und dadurch die Bewegung des Weltalls aus dem Sein in das Nichtsein<br />

fördert, wird von Mainländer zum „weisen Helden“ stilisiert. Wahrscheinlich hat er sich in<br />

ihm wiedererkannt.<br />

Mainländers Philosophie der Erlösung ist vielleicht die konsequenteste Gestalt einer Lehre<br />

vom Tod und Sterben. Er blieb ihr buchstäblich bis zum Tod treu. Inkonsequenz kann man<br />

ihm wahrlich nicht vorwerfen, wie sein Selbstmord zeigt. Es wirkt so, <strong>als</strong> ob er durch seine<br />

Tat ein Zeichen für die Nachwelt setzen wollte, damit auch die letzten Zweifler und Kritiker<br />

seiner Philosophie verstummen. Es verwundert daher nicht, daß er im Rahmen seines Werks<br />

eine Apologie des Selbstmords betreibt. Seine Philosophie empfiehlt zwar nicht den<br />

Selbstmord, sie rät aber auch nicht von ihm ab. (Hier tritt auch die Differenz zu seinem<br />

„Lehrer“ Schopenhauer offen zutage.) So spricht er die potentiellen Lebensüberdrüßigen an:<br />

„Geht ohne Zittern, meine Brüder, aus diesem Leben hinaus, wenn es zu schwer auf euch<br />

liegt: ihr werdet weder ein Himmelreich, noch eine Hölle im Grabe finden.“ 26 Diese Worte<br />

muten unheimlich an, <strong>als</strong> ob man zwischen den Zeilen die Stimme eines sinistren Dämons<br />

vernehmen würde. Auf jeden Fall verleihen diese und ähnliche Reden, die geradezu<br />

hypnotisch auf den Leser einwirken – freilich mit unterschiedlichem Effekt: entweder sie<br />

beunruhigen, irritieren die sanften Gemüter oder sie fesseln, ziehen die Angesprochenen in<br />

ihren Bann und lassen sie nicht mehr los – , der Philosophie der Erlösung einen morbiden<br />

Tonfall, der gleichzeitig anziehend wie abstoßend wirkt. Mainländer war sich indes seiner<br />

Sache sicher: „Wenn seither die Vorstellung einer individuellen Fortdauer nach dem Tode, in<br />

einer Hölle oder in einem Himmelreich, viele vom Tode abhielt, die immanente Philosophie<br />

dagegen viele in den Tod führen wird – so soll dies fortan so sein, wie jenes vorher sein sollte,<br />

denn jedes Motiv, das in die Welt tritt, erscheint und wirkt mit Notwendigkeit.“ 27<br />

3. Gegenwartsdenken zwischen Lebenseuphorie und Menschenflucht

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!