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4<br />

Langeweile?!) – nicht mehr existieren. Die einzige Wahl, vor der er stand, war diejenige<br />

zwischen (Weiter-)Sein und Nichtsein – und er hat sich für letzteres entschieden. Die Sache<br />

hat aber einen Haken: Die Tat konnte nicht gleich zum Ziele führen. Gott stand sich selbst im<br />

Weg. Statt mit einem Schlage vernichtet zu werden, begann seine lange Vernichtungsodyssee<br />

durchs Weltall, die noch immer nicht an ihr Ziel gelangt ist.<br />

Mainländers Kosmologie nimmt die Form einer Lehre vom Zerfall an. „Die Bewegung des<br />

Weltalls ist die Bewegung aus dem Übersein in das Nichtsein. Die Welt aber ist der Zerfall in<br />

die Vielheit, d. h. in egoistische, gegeneinander gerichtete Individualitäten. Nur in diesem<br />

Kampf von Wesen, die vorher eine einfache Einheit waren, kann das ursprüngliche Wesen<br />

selbst zerstört werden.“ 8 Da das Wesen Gottes in die Welt <strong>als</strong> eine bestimmte Kraftsumme<br />

übergegangen ist, kann das Ziel der Bewegung nur auf dem Weg über die kontinuierliche<br />

Abschwächung der Kraft erreicht werden. „Das Gesetz der Schwächung der Kraft ist Weltall-<br />

Gesetz. Für die Menschheit heißt es Gesetz des Leidens.“ 9 Aufgrund der Annahme eines<br />

universalen Gesetzes des Energieverschleißes, <strong>als</strong>o entgegen der breiter akzeptierten<br />

Vorstellung seiner Zeitgenossen von der „Erhaltung der Energie“ 10 , wird Mainländer zum<br />

Vordenker des Entropie-Prinzips, das v. a. in den modernen Disziplinen der Physik<br />

Verwendung gefunden hat. Treffend bestimmt daher Horstmann Mainländers<br />

Verwesungsmetaphysik <strong>als</strong> „Metaphysik der Entropie“. 11 Allerdings darf man Mainländers<br />

Verständnis der kosmischen Prozesse, wie Horstmann richtig bemerkt, nicht am Maßstab<br />

strenger Wissenschaftlichkeit messen, sondern seine Leistung eher im Bereich der Gattung<br />

des naturphilosophischen Lehrgedichts ansiedeln (ähnlich wie De rerum natura von Lukrez) –<br />

das würde eher der Charakteristik des Offenbacher Denkers entsprechen, der, wie sein Werk<br />

zeigt, zwischen Philosophie und Dichtung hin- und hergerissen wurde. 12<br />

Der Entschluß Gottes, nicht mehr zu sein, setzt sich im (unbewußten) Impuls eines jeden<br />

unorganischen Elements bzw. Organismus, sich selbst zu vernichten, fort. Diese zielgerichtete<br />

Bewegung bestimmt Mainländer <strong>als</strong> Willen, und da sie letztlich im absoluten Tod enden soll,<br />

wird sie des weiteren <strong>als</strong> Wille zum Tode gefaßt. Die Teleologie bekommt somit ein negatives<br />

Vorzeichen. Eine berühmte Formel Theodor Lessings umkehrend könnte man die Geschichte<br />

des Universums nach dieser Version <strong>als</strong> Sinnentleerung des (scheinbar) Sinnhaften<br />

bezeichnen. „Schöpfung“ und „Er-schöpfung“ der Welt liegen beim „Mythopoeten“<br />

Mainländer dicht beieinander, ja, im Grunde genommen, sind sie ein und dasselbe. Alle<br />

Individuen (Mainländer spricht auch von „Ideen“) streben nach Vernichtung. Dies erreichen<br />

sie dadurch, daß sie miteinander im Wettstreit liegen und sich dabei gegenseitig schwächen.<br />

Das gilt sowohl für das unorganische <strong>als</strong> auch für das organische Reich. Allerdings tritt ein<br />

wichtiger Unterschied in der Weise hervor, wie sich hier und dort der Wille zum Leben bzw.

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